Während sich in den letzten Jahrzehnten die westliche Forschung oft daran abarbeitete, frühere sowjetische und neuere russische Darstellungen zur Kursker Schlacht zu „Legenden“ und „Mythen“ zu erklären, hat sie selbst zwei sehr komplexe Legenden konstruiert und zum Zentrum ihrer Darstellungen ausgebaut. Dabei handelt es sich nach Dr. Schönbachs Ansicht einerseits um die Hitler-Legende und andererseits um den Siegfried-Mythos.
Die Hitler-Legende beruht nach Schönbachs Darstellung ursprünglich auf den Nachkriegsschriften deutscher Generäle des Zweiten Weltkrieges. Diese weisen Hitler eine zentrale Rolle bei der Niederlage der Wehrmacht in der Kursker Schlacht zu. Dabei werden insgesamt in z.T. widersprüchlichen Darstellungen drei Hauptargumente aufgebaut und beständig wiederholt: Erstens, sei der Plan mangelhaft und von Hitler gewesen; Zweitens, Hitler habe dann zulange gewartet und viel zu spät den Angriff befohlen; Drittens, habe Hitler die Schlacht zu früh abgebrochen und damit entweder den möglichen Sieg verschenkt oder wenigstens die daraus hervorgehende katastrophale Lage verursacht. Diese Positionen werden mindestens zum Teil durch die Mehrheit der westlichen Forschung weitgehend übernommen.
Schönbach legt aus den Wehrmachtsakten eine große Zahl von Dokumenten vor, die zeigen, dass Hitler selbst weder bei der Ideenfindung noch bei der Planung und auch nicht im Zusammenhang mit der Durchführung des Unternehmens „Zitadelle“ eine exponierte Rolle gespielt hat. Hitler persönlich war bezüglich einer neuen Offensive im Osten eher unsicher und letztlich kein Befürworter einer deutschen Offensive im Kursker Bogen. Stattdessen zeigen die besagten Dokumente, dass eine Gruppe von Generalfeldmarschällen und Generälen die treibende Kraft hinter dem Unternehmen „Zitadelle“ waren und Hitler weitgehend zur Vorbereitung und Durchführung eines deutschen Angriffs gedrängt hatten. Auch andere Probleme bei der Vorbereitung des Unternehmens „Zitadelle“ – wie z.B. die ständige Verschiebung des Angriffstermins – hatten nicht vordergründig etwas mit Hitler zu tun. Das Bild vom übermächtigen Diktator, der alles allein durchdenkt, plant, entscheidet und dabei überall zur gleichen Zeit als zentraler Akteur in Erscheinung tritt, geht nicht aus den Wehrmachtsakten hervor und entpuppt sich als Legende.
Der Siegfried-Mythos ist nach Dr. Schönbachs Analyse der Kern fast aller westlichen Darstellungen der deutschen Wehrmacht in der Kursker Schlacht. Der Begriff wurde von Dr. Schönbach nach einer Figur der nordischen Sagenwelt benannt – nach Siegfried dem Drachentöter. Siegfried war ein unbesiegbarer und unverwundbarer Kämpfer. Die Unbesiegbarkeit einerseits und die Unverwundbarkeit andererseits sind die zwei unverzichtbaren Seiten Siegfrieds – also auch die beiden unverzichtbaren Seiten des Siegfried-Mythos.
Diese beiden Seiten des Siegfried-Mythos manifestieren sich in der westlichen Historiographie zur deutschen Wehrmacht und zur Kursker Schlacht im Besonderen durch einerseits die Behauptung von exorbitant hohen Abschussquoten an feindlichen Panzern, welche die Panzertruppen der Wehrmacht in der Kursker Schlacht angeblich erzielt hätten (Unbesiegbarkeit). Andererseits erfolgt die Manifestierung dieses Siegfried-Mythos durch die Behauptung, dass die Panzereinheiten der Wehrmacht in den Kämpfen mit der Roten Armee so gut wie keine Verluste erlitten hätten (Unverwundbarkeit). Dabei wird von s.g. „Totalverlusten“ gesprochen. Damit wollen die westlichen Historiker sagen, dass die durch die Rote Armee abgeschossenen deutschen Panzer gar keine richtigen Verluste waren, sondern nur vorübergehend in Reparatur gingen und folglich wieder auf das Schlachtfeld zurückkehrten. „Totalverluste“, also Panzer, die wirklich endgültig verloren gegangen waren, habe es nur in wenigen Fällen gegeben. Hierbei beruft man sich vor allem auf die Statistiken zur „Panzerlage“ aus den Akten des Generalinspekteurs der Panzertruppen, die vorgeblich exakt die deutschen Verluste dokumentieren.
Die Forschung Dr. Schönbachs zeigt anhand von Wehrmachtsdokumenten, dass sowohl die exorbitant hohen Abschussquoten der Wehrmacht als auch ihre angeblich ungeheuer geringen Verluste lediglich ein unhistorischer Mythos sind. Bei den Abschussquoten zeigt Schönbach anhand der Kriegstagebücher der 9. Armee und der 4. Panzerarmee, dass die Armeestäbe die Meldungen der Divisionen über angebliche Abschlüsse mehrmals nach unten korrigierten und wesentlich geringe Zahlen dokumentieren, als die meldenden Divisionen – vor allem als die SS-Divisionen.
Hinsichtlich der angeblich geringen Verluste bzw. „Totalverluste“ zeigt Dr. Schönbach anhand unzähliger Wehrmachtsdokumente, dass durch das pausenlose Angreifen der Roten Armee die Panzerausfälle derart extrem anstiegen, dass die Panzerwerkstattkompanien gar nicht hinterher kamen, die Flut ausgefallener Panzer wirklich zu reparieren. Es entstand ein „Reparaturstau“, in den sich insgesamt mehrere hundert Panzer einreihten. Vermerke in den Akten, dass die ausgefallenen Panzer nur vorübergehend in der Werkstatt stünden, waren nichts als Euphemismen für „Totalausfälle“. Die meisten dieser Panzer kehrten in Wirklichkeit nicht wieder auf das Kursker Schlachtfeld zurück. Betrachtet man die Gefechtsabläufe im Zusammenhang mit den logistischen Mechanismen der rückwärtigen Dienste der Panzerdivisionen, so ergibt sich daraus, dass die deutschen Panzer-Verluste in Wirklichkeit viel höher waren. Hierbei wird überhaupt erstmalig das Thema der Panzer-Instandsetzung im Zusammenhang mit der Kursker Schlacht vertiefend dargestellt.
Zudem weist Dr. Schönbach anhand zahlloser Wehrmachtsdokumente nach, dass viele Divisionen intern viel größere Ausfälle und Verluste dokumentierten, als an übergeordnete Stellen gemeldet wurden. Teilweise waren hier die Realausfälle an Panzern dreimal so hoch als sie an übergeordnete Stellen gemeldet wurden.
Als die Schlacht im Zuge der sowjetischen Gegenoffensive ab dem 12. Juli 1943 außer Kontrolle geriet, begannen nahezu alle Kommandobehörden damit, die Dokumentation der realen Kriegslage zu verfälschen. Dadurch redete man sich die verzweifelte Kriegslage schön, vertuschte in der Generalität das eigene Versagen, verschleierte die realen Verluste und beruhigte in letzter Instanz die Nerven des „Führers“. Die bewusste Verfälschung der realen Kriegslage vonseiten der Kommandobehörden zieht sich letztlich durch die Wehrmachtsdokumente bis hin zu Gefechtsberichten und Kriegstagebüchern der Armeen. Die Manipulation der Verlustzahlen und Abschussquoten vonseiten der deutschen Militärs und damit die Verfälschung der Dokumentation der realen Kriegslage war der NS-Führung sogar bekannt und wurde bereits während des Krieges in der politischen Führung des „Dritten Reiches“ offen diskutiert.
Dr. Schönbach deckt die Manipulation der Kommandobehörden als erster Historiker auf und gibt der Diskussion um die Kursker Schlacht völlig neue Impulse.