Folter und das Verbot der Folter in Mitteleuropa (bis 1989)

„Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.” Folter und das Verbot der Folter in Mitteleuropa (bis 1989)

Veranstalter
Polnische Historische Mission an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (Nikolaus-Kopernikus-Universität Toruń) – Dr. Renata Skowrońska; Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Philosophische Fakultät – Dr. Thomas Baier, Prof. Dr. Helmut Flachenecker, PD Dr. Lina Schröder; Nikolaus-Kopernikus-Universität Toruń, Institut für Geschichte und Archivkunde – Prof. Dr. Andrzej Radzimiński, Prof. Dr. Krzysztof Kopiński; Haus des Deutschen Ostens (HDO) in München – Prof. Dr. Andreas Otto Weber; Stiftung Kulturwerk Schlesien – Lisa Haberkern M.A.; Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung – Institut der Leibniz-Gemeinschaft – PD Dr. Heidi Hein-Kircher (Abteilungsleiterin Wissenschaftsforum)
Veranstaltungsort
Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg (Domerschulstraße 17, Würzburg)
Gefördert durch
Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales und Deutsch-Polnische Wissenschaftsstiftung
PLZ
97074
Ort
Würzburg
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
23.09.2024 - 24.09.2024
Deadline
19.09.2024
Von
Dr. Renata Skowronska, Polnische Historische Mission an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (Nikolaus-Kopernikus-Universität Toruń)

Internationale wissenschaftliche Tagung: „Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.” Folter und das Verbot der Folter in Mitteleuropa (bis 1989)

„Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.” Folter und das Verbot der Folter in Mitteleuropa (bis 1989)

In der modernen internationalen Gesetzgebung gilt die Garantie der Nichtanwendung von Folter durch den Staat als eines der Grundrechte jedes Menschen. Das Folterverbot ist unbestreitbar, eindeutig und absolut. Es ist nicht möglich, den Einsatz von Folter durch außergewöhnliche Umstände (zum Beispiel ein öffentliches Interesse, drohende Terroranschläge, Kriegszustand) zu rechtfertigen. Einen besonderen Einfluss auf die Formulierung moderner Gesetze zum Folterverbot hatte die 1948 von den Vereinten Nationen verabschiedete Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Darin heißt es lakonisch und zugleich äußerst zutreffend: „Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden“ (Artikel 5). In Dokumenten, die die Vereinten Nationen in den folgenden Jahrzehnten verabschiedeten – insbesondere in der Erklärung über den Schutz aller Personen vor Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe von 1975 und dem Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe von 1984 – wurde versucht, den Begriff der Folter näher zu erläutern sowie konkreter anzugeben, um welche Taten es sich dabei handeln könnte. Es wird präzisiert, dass Folter eine vorsätzliche Zufügung von Schmerzen durch Personen ist, die den Staat repräsentieren (durch die Personen direkt, mit deren Zustimmung oder Weisung) bzw. der Erreichung eines bestimmten Ziels (zum Beispiel der Beschaffung von Informationen) dient. Staat, Schmerzen und die absichtliche und zielorientierte Natur der Folter wurden entsprechend dezidiert in einen unmittelbaren Kontext gestellt. Diese Rechtsakten wurden auch von Polen, Deutschland und anderen mitteleuropäischen Ländern ratifiziert. Die Einführung eines absoluten Folterverbots ist zweifellos eine der größten Errungenschaften der Zivilisation, ein Triumph der humanistischen Philosophie, deren Wurzeln, bezogen auf Europa, bis ins antike Griechenland zurückreichen.

Ziel der Tagung ist es, die Geschichte der Anwendung und des Verbots der Folter in Theorie und Praxis mitteleuropäischer Länder, insbesondere auf polnischen und deutschen Gebieten, im Zeitraum bis etwa 1989 darzustellen. In den vergangenen Jahrhunderten gab es intensive Diskussionen über die Bedeutung der Folter in der Justiz, ihren Zweck und Sinn. Die Regeln und die Form ihrer Anwendung wurden unterschiedlich festgelegt – je nach Art der Straftat, Merkmalen und Stellung der verdächtigen Person. Diese Debatten fanden ihren Niederschlag sowohl in der weltlichen Gesetzgebung als auch den kirchlichen Rechtsnormen. Sie beeinflussten ebenso die Auslegung des Gesetzes in der Praxis. Zu den Themen, die während der Tagung diskutiert werden, gehören gleichermaßen Fragen zum antiken Erbe sowie zu rechtlichen Lösungen, die zu verschiedenen Zeiten bezüglich der Anwendung von Folter und ihrem Verbot im Kontext bestimmter Personen und sozialer Gruppen angenommen wurden. Interessant ist auch, was in verschieden Epochen unter gerechtfertigter Folter gemeint war. Was war ihr Zweck: Schuld einzugestehen, Informationen zu verschaffen, Menschen zu bestimmten Maßnahmen zu zwingen, sie einzuschüchtern? Wurden die durch Folter gewonnenen Informationen als wertvoll betrachtet (Schuldgeständnis oder Aussagen gegen andere Personen)? Inwieweit wurde berücksichtigt, dass verschiedene Formen der Bestrafung (z. B. Aufspießen) Anzeichen eines unnötigen Sadismus aufweisen können, und wurde versucht, sie einzuschränken? Ein wichtiges Thema bilden Veränderungen in Philosophie und Theologie, die zur Einschränkung und letztendlich zum Verbot der Folter führten, sowie Beispiele für die Verletzung des Verbotes durch Herrschaften und moderne Staaten (bis 1989). Die während der Tagung dargestellten Referate sollen es ermöglichen, anhand konkreter Beispiele den Entstehungsprozess der Idee eines vollständigen und absoluten Folterverbots unter Berücksichtigung aktueller wissenschaftlicher Forschung zu skizzieren.

Der geographische Rahmen der Tagung umfasst Mitteleuropa, wobei der Schwerpunkt auf zwei Räumen liegt: auf dem historischen polnischen und deutschen Kultur- und Geschichtsraum. Die politischen Grenzen dieser Gebiete decken sich weitgehend mit den Territorien des Heiligen Römischen Reichs und den Ländern außerhalb seiner Grenzen (Deutschordensland in Preußen, Herzogtum Preußen, Königreich Preußen und die Schweiz), des Deutschen Bundes bzw. des Deutschen Reichs bis hin zur Deutschen Demokratischen Republik und zur Bundesrepublik Deutschland sowie mit Polen (Königreich Polen, Polen-Litauen, Rzeczpospolita, Herzogtum Warschau, Kongress-Polen, Zweite Polnische Republik, Volksrepublik Polen). Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich über verschiedene Epochen, vom frühen Mittelalter bis etwa 1989.

Die Tagung wird unter der Schirmherrschaft von Herrn Generalkonsul Rafał Wolski (Generalkonsulat der Republik Polen in München) und Herrn Oberbürgermeister Christian Schuchardt (Stadt Würzburg) veranstaltet.

Programm

(Änderungen vorbehalten)

Montag, 23. September 2024

9:00–9:30 Grußworte

Katrin Schwarz M.A. (Leiterin von Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg)
Benedikt Stegmayer in Vertretung des Oberbürgermeisters Christian Schuchardt (Stadt Würzburg)
Veranstalter: Dr. Renata Skowrońska, Prof. Dr. Thomas Baier (Grußwort), Prof. Dr. Helmut Flachenecker, PD Dr. Lina Schröder, Prof. Dr. Andrzej Radzimiński, Prof. Dr. Krzysztof Kopiński, Prof. Dr. Andreas Otto Weber, Prof. Dr. Caspar Ehlers, Lisa Haberkern M.A., PD Dr. Heidi Hein-Kircher

9:30–11:00 Verschiedene Epochen – unterschiedliche Perspektiven? Eine einführende Perspektive zum Thema Folter in Europa (Moderation: Prof. Dr. Thomas Baier)

Dr. Paul Srodecki (Universität Sonderburg, Dänemark): Die Folter der Anderen: Berichte über Folteranwendung im Spiegel antiosmanischer und antirussischer Berichte des späten Mittelalters und der beginnenden Neuzeit
DDr. Philip Czech (Paris Lodron Universität Salzburg): Zur dynamischen Weiterentwicklung des Folterverbots durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
Prof. Dr. Marta Baranowska (Uniwersytet Mikołaja Kopernika w Toruniu) / Dr. Paweł Fiktus (Wyższa Szkoła Prawa we Wrocławiu): The International Covenant on Civil and Political Rights and Political Torture. Legal dogmatics and the Polish political reality in the period from 1977 to 1980
Diskussion

11:00–11:30 Kaffeepause

11:30–12:30 Folter als Mittel zum Zweck? Diskurse und kritische Stimmen I (Moderation:)

Dr. Anetta Głowacka-Penczyńska (Uniwersytet Kazimierza Wielkiego w Bydgoszczy) / Dr. Magdalena Wilczek-Karczewska (Uniwersytet Kardynała Stefana Wyszyńskiego w Warszawie): Suffering in Libri maleficorum of the city of Cracow in the Early Modern era. Torture – mutilation punishments – death penalty
Prof. Dr. Michał Kuran (Uniwersytet Łódzki): Torture, the tortured and their torturers in the European Sarmatian Chronicle (1611) by Aleksander Gwagnin
Diskussion

12:30–14:00 Mittagspause

14:00–15:00 Folter als Mittel zum Zweck? Diskurse und und kritische Stimmen II (Moderation:)

Dr. Michaela Grund (St. Ursula Gymnasium Würzburg): „[…] sodaß unter soviel Angst und Not kein Raum mehr für die Wahrheit ist“. Friedrich Spees Kritik an der Folter in der Cautio Criminalis
Dr. Nina Kreibig (Humboldt-Universität zu Berlin): „[G]iftige Marter ist nicht die kleinste Zwillingsschwester der Tortur!“ Friederike Kempners Kampf gegen die Einzelhaft in Preußen des 19. Jahrhunderts.
Diskussion

15:00–15:30 Kaffeepause

15:30–17:00 Folter und das Verbot der Folter – ein Blick nach Polen (Moderation:)

Prof. Dr. Danuta Janicka (Uniwersytet Mikołaja Kopernika w Toruniu): Die Folter im alten Polen. Ein Beitrag zur Rechtsgeschichte
Prof. Dr. Tomasz Ciesielski (Uniwersytet Opolski): Torture and degrading punishment in the military law of the Polish-Lithuanian Commonwealth against the background of Central European countries in the 17th and 18th centuries
Dr. Katarzyna Grysińska-Jarmuła (Uniwersytet Kazimierza Wielkiego) / Dr. Agnieszka Wedeł-Domaradzka (Uniwersytet Kazimierza Wielkiego): The international system of prevention and protection against torture and Poland. Historical and legal aspects
Diskussion

17:15 Stadtbesichtigung, ab 19:30 Abendessen

Dienstag, 24. September 2024

9:00–10:30 In Gewahrsam I: gerechte Strafe und zum Schutz der Gesellschaft? (Moderation:)

Prof. Dr. Mariusz Sawicki (Uniwersytet Opolski): Torture in witchcraft trials in the Polish-Lithuanian Commonwealth from the 16th to the 18th century. A contribution to the research on the Polish judiciary of the modern era
Prof. Dr. Leszek Zygner (Państwowa Akademia Nauk Stosowanych im. Ignacego Mościckiego w Ciechanowie): Kaltwasserprobe und Folter in Hexenprozessen in der Synodalgesetzgebung des Gnesener Kirchenprovinz vom 16. bis 18. Jahrhundert (zwischen Rechtsnorm und Realität)
Prof. Dr. Wolfgang Wüst (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg): „[…] ins loch gebracht und ainen ernstlichen peinlichen rechtstag ansetzt“. Frühneuzeitliche Strafpraxis in der Reichsstadt Nürnberg im Spiegel der Ratsverlässe und Malefizurteilsbücher
Diskussion

10:30–11:00 Kaffeepause

11:00–12:30 In Gewahrsam II: gerechte Strafe und zum Schutz der Gesellschaft? (Moderation: PD Dr. Lina Schröder)

Freddy Hackbarth (Universität Heidelberg): Misshandlungen von Gefangenen als Folteralltag? Gewalt im Mannheimer Gefängnis Anfang der 1970er Jahre
Robert Wolff (Goethe-Universität Frankfurt am Main): Gerichtskundige Tatsachen über die Revolutionären Zellen um jeden Preis? Der fast vergessene Fall Hermann Feiling und die Grenzen der rechtsstaatlichen bundesdeutschen Terrorismusbekämpfung in den 1970er Jahren
Franziska Niedrist (Universität Innsbruck): „Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit?“ Zur Frage der Beweiskraft des Geständnisses – eine Spurensuche im österreichischen Strafrecht
Diskussion

12:30–14:00 Mittagspause

14:00–16:00 Folter und das Verbot der Folter – Entwicklung, Erinnerung und Aufklärung (Moderation: Prof. Dr. Wolfgang Wüst)

Gerlinde Gangl M.A. (Otto-Friedrich-Universität Bamberg): ‚Auf die Folter gespannt‘. Historische Folterpraktiken und ihr Fortleben in Metaphern mitteleuropäischer Gegenwartssprachen
Dr. Krzysztof Garczewski (Uniwersytet Kazimierza Wielkiego w Bydgoszczy): Erinnerung an Folter und andere Formen der Gewalt im 20. Jahrhundert im deutschen und polnischen öffentlichen Diskurs. Ausgewählte Aspekte
Dr. Antje Johanning-Radžienė (Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung – Institut der Leibniz-Gemeinschaft): Auf dem Weg zur Freiheit. Freiheitsbestrebungen im östlichen Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Eine Storymap des Herder-Instituts
Schlussdiskussion

Kontakt

renata.skowronska@uni-wuerzburg.de

https://pmh.umk.pl/de/folter/