Frauen in der spätmittelalterlichen Stadt an Mittel- und Oberrhein. Soziale, ökonomische und rechtliche Perspektiven

Frauen in der spätmittelalterlichen Stadt an Mittel- und Oberrhein. Soziale, ökonomische und rechtliche Perspektiven

Veranstalter
Dr. Gerold Bönnen, Stadtarchiv Worms; Prof. Dr. Nina Gallion, Historisches Seminar, Johannes Gutenberg-Universität Mainz; PD Dr. Regina Schäfer, Historisches Seminar, Johannes Gutenberg-Universität Mainz; Dr. Matthias Schmandt, Historisches Museum am Strom - Hildegard von Bingen, Bingen
Veranstaltungsort
Historisches Museum am Strom – Hildegard von Bingen
PLZ
55411
Ort
Bingen am Rhein
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
08.04.2026 - 10.04.2026
Deadline
30.11.2024
Von
Nina Gallion, Historisches Seminar, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Die geplante Tagung befasst sich mit den sozialen, ökonomischen und rechtlichen Rahmenbedingungen von Frauen in spätmittelalterlichen Städten mit einem räumlichen Fokus auf der Mittel- und Oberrheinregion.

Frauen in der spätmittelalterlichen Stadt an Mittel- und Oberrhein. Soziale, ökonomische und rechtliche Perspektiven

„Frau in der Stadt“ erweckt als Titel Erinnerungen an deutschsprachige Studien, die in den 1980er-Jahren erschienen. Genannt seien hier nur die Veröffentlichungen von Erika Uitz und Edith Ennen1 oder die Quellensammlung von Peter Ketsch und Anette Kuhn.2 Oft verbanden diese Werke, denen man zahlreiche weitere zur Seite stellen könnte, Frauenforschung mit einer sozial- oder alltagsgeschichtlichen Fragestellung. Es ging um Lebensformen und Alltagswelten.3

Seitdem wich nicht nur die Historische Frauenforschung weitgehend der Geschlechterforschung.4 Methodisch ging auch die Geschichtswissenschaft zahlreiche neue Wege – zur Lokalisierung wurden Geoinformationssysteme genutzt, die Netzwerkanalyse half beim neuen Erschließen von Personenbeziehungen, die Kulturgeschichte fragte nach symbolischen Elementen und trieb den material turn voran, universalgeschichtliche Ansätze wurden entwickelt, diskursgeschichtliche Zugänge auch für die Vormoderne ausgetestet – um nur einige der dominierenden Zugänge in der Geschichtswissenschaft der letzten Jahrzehnte zu nennen.

Die weiter blühende stadthistorische Forschung nahm immer auch Frauen in der Stadt mit in den Blick. Doch erfuhren die weltlichen Frauen weit weniger Beachtung als die geistlichen, die Bürgerinnen weniger als die Adeligen, verheiratete Frauen weniger als Witwen.5 Selbst wenn Frauen in der Stadt angesprochen wurden, wie bei der Tagung, die 2019 im Mainzer Landesmuseum stattfand und nach Rollenvorbildern von jüdischen und christlichen Frauen im Hochmittelalter fragte, blickte man vor allem auf Beginen und Nonnen.6 Der Komplex „Frau und Stadt“ blieb eher auf Arbeiten lokalen Zuschnitts beschränkt.7

Mit einem regionalen Schwerpunkt auf den Städten am Mittel- und Oberrhein im weiteren Sinn – von Basel bis Köln, von Frankfurt bis Trier – will die Tagung „Frauen in der spätmittelalterlichen Stadt an Mittel- und Oberrhein. Soziale, ökonomische und rechtliche Perspektiven“ weltliche Frauen wieder in den Vordergrund rücken und an die grundlegende Forschung der 1980er-Jahre anknüpfen. Dabei sollen Ehefrauen, unverheiratete Frauen und Witwen, Patrizierinnen, Handwerkerinnen oder Bettlerinnen gleichermaßen in den Blick genommen werden.

Aspekte der Analyse könnten sein:

Die Berufstätigkeit von Frauen: Frau und Mann bildeten oft nicht nur eine Wohn-, sondern auch eine Werkgemeinschaft. Doch wurde beispielsweise für Frankfurt gezeigt, dass auch verheiratete Frauen teils einem anderen Beruf nachgingen als ihr Ehemann. Frauen übten innerhalb und außerhalb von Zünften ihren Beruf aus, vereinzelt gab es Frauenzünfte wie die Kölner Goldstickerinnen. Wie sieht es mit dem Zunftzugang von Frauen in anderen Städten aus? Inwieweit schränkte der Familienstand die Berufstätigkeit ein und bestimmte die Zunftzugehörigkeit trotz abweichender Tätigkeit?

Die Wohnsituation von Frauen: Was ist bekannt über Frauen als Vermieterinnen oder Untermieterinnen? Gibt es bestimmte Straßen oder Hausgruppen, in denen sich ein besonders hoher Anteil von Frauen nachweisen lässt? Schlägt sich die Wohnsituation auch materiell nieder?

Die Rechtsfähigkeit von Frauen und ihre Präsenz bei Gericht: Frankfurt und Basel gelten als einzige Städte im Untersuchungsraum, in denen verheiratete Frauen auch ohne Rechtsvormund vor Gericht erscheinen konnten. Auch in anderen Städten wurde dies oft so gehandhabt, obwohl ein Rechtsvormund eigentlich vorgesehen war. Wie weit schränkte die Rechtsnorm die rechtliche Handlungsfähigkeit ein? Gibt es hier schichtspezifische Unterschiede?

Die Sichtbarkeit von Frauen in der Stadt: Inwiefern waren Frauen auf den Straßen oder an öffentlichen Orten präsent? Welche Orte in der Stadt waren welchen Frauen verboten? Gab es umgekehrt Frauenorte? Wie waren Frauen an welchen Orten gekleidet? Lässt sich ein Frauenanteil am Soundscape der Stadt fassen? Wie zeigten sich Bürgerinnen bei Prozessionen oder Feiern?

Die Benennungen von Frauen: Johannes Gutenberg wurde nach seinem Haus, nicht nach seinem Geschlecht öffentlich benannt. Wie ist dies bei Frauen? Welches Namensspektrum lässt sich dort fassen? Änderte sich der Name mit der Änderung des Familienstandes oder einem Umzug?

Beiträge könnten sich mit den oben genannten Aspekten beschäftigen, sind aber keineswegs darauf beschränkt. Für die Tagung sind Themenvorschläge aus der Geschichtswissenschaft ebenso willkommen wie aus benachbarten Wissenschaften (Kunstgeschichte, Literaturwissenschaft, Germanistik, Musikwissenschaft usw.) sowie interdisziplinäre Zugänge.

Die Tagung wird im Historischen Museum am Strom – Hildegard von Bingen in Bingen stattfinden. Reise- und Übernachtungskosten im üblichen Rahmen können übernommen werden.

Bitte senden Sie bei Interesse ein Vortragsabstract von einer halben bis einer DIN A4-Seite bis zum 30. November 2024 an PD Dr. Regina Schäfer (rschaef@uni-mainz.de).

Wir freuen uns auf eine spannende Tagung mit vielen Einblicken in ein viel zu wenig präsentes Thema.

Anmerkungen:
1 Erika Uitz, Zur gesellschaftlichen Stellung der Frau in der mittelalterlichen Stadt. Die Situation im Erzbistum Magdeburg, in: Magdeburger Beiträge zur Stadtgeschichte 1 (1977), S. 20-42; Dies., Zu einigen Aspekten der gesellschaftlichen Stellung der Frau in der mittelalterlichen Stadt, in: Jahrbuch für Geschichte des Feudalismus 5 (1981), S. 57-88; Dies., Die Frau in der mittelalterlichen Stadt, Leipzig 1988; Edith Ennen, Die Frau in der mittelalterlichen Stadtgesellschaft Mitteleuropas, in: Hansische Geschichtsblätter 98 (1980), S. 1-22; Dies., Die Frau in Mittelalter. Eine Forschungsaufgabe unserer Tage, in: Kurtrierisches Jahrbuch 21 (1981), S. 70-93; Dies., Frauen im Mittelalter, München 1994.
2 Peter Ketsch / Annette Kuhn (Hrsg.), Frauen im Mittelalter, Bd. 1: Frauenarbeit im Mittelalter, Düsseldorf 1983.
3 Margret Wensky, Die Stellung der Frau in der stadtkölnischen Wirtschaft im Spätmittelalter, Köln u.a. 1981; Claudia Opitz, Frauenalltag im Mittelalter. Biographien des 13. und 14. Jahrhunderts, Weinheim u.a. 1985.
4 Karin Hausen / Heide Wunder (Hrsg.), Frauengeschichte – Geschlechtergeschichte, Frankfurt am Main 1992; Cordula Nolte, Frauen und Männer in der Gesellschaft des Mittelalters, Darmstadt 2011.
5 Der seit 2008 bestehende „Arbeitskreis geistliche Frauen im europäischen Mittelalter (AGFEM)“ veranstaltet fast jährlich eine Tagung oder einen Workshop. Aus der intensiven Forschung zu adeligen Frauen seien hier nur zwei Sammelbände genannt: Peter Rückert / Klaus Oschema / Anja Thaller (Hrsg.), Starke Frauen? Adelige Damen im Südwesten des spätmittelalterlichen Reiches, Stuttgart 2022; Claudia Zey (Hrsg.), Mächtige Frauen? Königinnen und Fürstinnen im europäischen Mittelalter (11.-14. Jahrhundert), Ostfildern 2015. Entsprechende Arbeitskreise und auch Sammelbände zu weltlichen, bürgerlichen Frauen fehlen.
6 Anne Sophie Schneider, Tagungsbericht: Rollen, Rollenbilder und die soziale Stellung der Frau in den mittelalterlichen Städten am Rhein, in: H-Soz-Kult, 28.04.2020, <http://www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-127306> (05.09.2024).
7 Beispiele von Forschungen mit lokalem Bezug: Siglinde Clementi (Hrsg.), Der andere Weg. Beiträge zur Frauengeschichte der Stadt Brixen vom Spätmittelalter bis ins 20. Jahrhundert, Brixen 2005; Dies. / Martha Verdorfer, Frauen–Stadt–Geschichte(n). Bozen/Bolzano vom Mittelalter bis heute, Bozen 1999; Nadja Bennewitz / Gaby Franger (Hrsg.), Am Anfang war Sigena. Ein Nürnberger Frauengeschichtsbuch, Cadolzburg 1999; Heide Wunder (Hrsg.), Eine Stadt der Frauen. Studien und Quellen zur Geschichte der Baslerinnen im späten Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit, 13.–17. Jahrhundert, Basel u.a. 1995.

Kontakt

PD Dr. Regina Schäfer (rschaef@uni-mainz.de)

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