Jahrestagung des Arbeitskreis Kritischer Unternehmensgeschichte (AKKU) 2025
Veranstalter: Marcus Böick (Cambridge), Hendrik Heetlage (Göttingen)
& Jan Logemann (Göttingen)
Ort: Universität Göttingen, Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Datum: 6./7. November 2025
Viele der Branchen, die fester Bestandteil kommunaler Handels- und Gewerbestrukturen sind, kämpfen mit einem zweifelhaften Ruf. Unter dem Titel „‘Murky Business‘ / Branchen im Zwielicht“ rückt die Jahrestagung des AKKU kleine Unternehmen und Dienstleister von den Rändern der reputierlichen Wirtschaft ins Zentrum der unternehmenshistorischen Analyse. Der Fokus liegt auf Branchen, die zwar legal agierten, aber von vielen Menschen als unseriös, unmoralisch oder gar illegitim wahrgenommen wurden oder die mit anderweitigen Reputationsproblemen zu kämpfen hatten. Vielfach handelte es sich um kleine, teils auch kurzlebige Unternehmen in so unterschiedlichen Bereichen wie dem Gast- und Unterhaltungsgewerbe, Pfandleihern, Versicherungsvertretern oder Spielhallen. Sie spielten eine zentrale Rolle für die Alltags- Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des neuzeitlichen Kapitalismus, doch ihre Geschichte bleibt bisher nicht zuletzt aus quellentechnischen Gründen weitgehend im Dunkeln.
Wir wollen das Feld des „Murky Business“ konturieren und Ergebnisse aus laufenden Forschungsprojekten zu lokalen Märkten, Professionen und prekärem Unternehmertum zusammenzubringen. Mit Blick auf Fragen der Reputation und Legitimation ökonomischen Handelns laden wir über die engere Unternehmensgeschichte hinaus auch Beiträge aus der breiteren Sozial- und Kulturgeschichte des modernen Wirtschaftens (19.- 21. Jahrhundert) ein, etwa zu Themen von Professionalisierung von Berufsständen, migrantischer Unternehmerschaft und ethnic businesses, zu „dirty work“ und prekären Beschäftigungsverhältnissen oder zur staatlichen und kommunalen Regulierung von Märkten und Gewerben. Damit knüpft die Tagung auch an Debatten zur Vermarktlichung unterschiedlicher Lebensbereiche und an die Forschung zu moralischen Ökonomien sowie Markt und Moral an.
Ausdrückliches Ziel der Tagung ist es darüber hinaus, methodische Herausforderungen bei der Erforschung und Analyse von kleinen Unternehmen und marginalen Gewerben zu diskutieren und insbesondere den Austausch über die Quellenlage für die Erforschung von „murky business“ anzuregen. Welche Strategien und Archive kann die Forschung verfolgen, um die Ränder und Graubereiche des modernen Kapitalismus besser zu erfassen und zu verstehen?
Leitfragen der Tagung sind:
- Wie, wann und warum waren bestimmte Gewerbe und Unternehmen mit Reputationsproblemen konfrontiert? Welche Grenzverschiebungen in der Wahrnehmung legitimer Märkte und Geschäftspraktiken lassen sich feststellen?
- Wie wirkten sich kulturelle Vorurteile und Tabus oder Prozesse sozialer Diskriminierung und Marginalisierung auf die Wahrnehmung von Branchen als „zwielichtig“ aus? Wie haben sie sich im Laufe der Zeit verändert?
- Welche Strategien verfolgten Unternehmen, um auf die Wahrnehmung der Illegalität zu reagieren? Wie versuchten sie, ihre Reputationsprobleme zu überwinden?
- Welche Rolle spielten diese Unternehmen in den Raum- und Sozialgefügen von Städten im 19. / 20. Jahrhundert und wie versuchten staatliche und kommunale Akteure „zwielichtige“ Branchen zu ordnen oder zu regulieren?
- Welche Quellen und Archive können wir für eine Geschichte des „Murky Business“ nutzen?
Wir freuen uns auf wirtschafts-, sozial-, kultur- oder stadtgeschichtliche Beiträge zu Unternehmen und Märkten aus einer möglichst großen Bandbreite von Gewerben und Dienstleistungsbereichen. Mögliche Branchen mit ihren verschiedenen Akteuren (Unternehmen, Verbände, Beschäftigte, Kund:innen) umfassen u.a.
- Unterhaltungsbranche (u.a. Bars und Clubs, Glückspiel, Karneval, Erotik-Läden)
- Finanzdienstleister (u.a. Pfandleiher, Bucket Shops, Klein-Versicherer, Immobilienmakler)
- Sicherheitsdienst (u.a. Detekteien, private Sicherheitsdienste, Kammerjäger)
- Körpernahe Dienstleistungen (u.a. Bestattungsunternehmen, Massage-Salons, Sex-Work, Alternativmedizin)
- Einzelhandel (u.a. Hausierer, Ramsch- und Second-Hand-Läden, Gebrauchtwagenhändler)
Wir bitten um Einsendung eines kurzen Abstracts (max. 300 Worte) und eines knappen Lebenslaufs an Marcus Böick (mb2640@cam.ac.uk) und Jan Logemann (jan.logemann@wiwi.uni-goettingen.de) bis zum 17. Februar 2024.