Arbeitsgemeinschaft für die Neueste Geschichte Italiens
Call for Papers
23. Tagung der AG Italien in Zusammenarbeit mit dem DHI Rom
19.-21. Juni 2025, Villa Lessing, Saarbrücken
Italia(ni) oltre i confini – Italienerinnen und Italiener außerhalb der italienischen Staatenwelt vom 18. bis zum 21. Jahrhundert
1949 wurde im US-amerikanischen italienischsprachigen Programm des Fernsehsenders WOV erstmals die Sendung „La grande famiglia“ ausgestrahlt. Darin sammelte der New Yorker Moderator Giuliano Gerbi auf unzähligen Reisen Stimmen aus ganz Italien, um sie den in vielen Jahrzehnten zuvor ausgewanderten Landsleuten in Amerika zu übermitteln. Mit seiner immer beliebter werdenden Sendung stellte er bis 1961 viele Kontakte quer über den Atlantik wieder her, die oft unterbrochen gewesen waren. Dabei war der aus einer wohlhabenden jüdischen Florentiner Familie stammende Gerbi 1938 aufgrund der Rassengesetze Benito Mussolinis selbst zur Emigration gezwungen gewesen. Ausgerechnet ihm, den das faschistische Italien aus seiner Gemeinschaft ausgeschlossen hatte, oblag es also nun, die Italiener auf beiden Seiten des Atlantiks wieder zu vereinen. Doch die Geschichte hat ihn bald in Vergessenheit geraten lassen und erst in jüngster Zeit begonnen wiederzuentdecken.
Dabei gibt es Millionen von Italienerinnen und Italienern, die nicht erst seit 1860 aus unterschiedlichsten Gründen mehr oder weniger große Teile ihres Lebens außerhalb der Apenninenhalbinsel verbrachten und bis heute vollkommen vergessen oder nur wenig erforscht sind. Sie sollen im Mittelpunkt der geplanten Tagung stehen, die gleich mehrere jüngere und aktuelle Tendenzen der Geschichts-, Kultur- und Sozialwissenschaften aufnimmt, sei es die Migrationsforschung, Fragen der kulturellen Zugehörigkeit und Identität, Kolonialgeschichte und die Erinnerung daran, Globalgeschichte, politisches Exil und wirtschaftliche Emigration, aber auch klassische Themenfelder für Italiener außerhalb Italiens z.B. in der Diplomatie, im Handel, in Kriegen, als Seeleute oder in Kunst und Wissenschaft.
Diese Tendenzen will die Tagung bündeln und dabei folgende Fragen in den Mittelpunkt stellen: Inwieweit stellt Italien ein mobiles Subjekt in der neueren und neuesten Geschichte dar? Welchen Einfluss hatten ausgewanderte und geflüchtete Italienerinnen und Italiener auf ihre Herkunfts- und Zieldestinationen und was geschah nach einer eventuellen Rückkehr? Wie erzählten sie ihre Geschichten oder verschwiegen sie diese? Fragen dieser Art treffen im italienischen Kontext auf ein besonders ereignis- und variantenreiches Umfeld, bedenkt man allein die zahlreichen politischen Umbrüche auf der Apenninenhalbinsel vom 18. Jahrhundert bis heute oder die ungeheure Zahl von rund 30 Millionen Italienerinnen und Italienern, die nach Gründung des Nationalstaats ab 1860 bis 1960 ihre Heimat verließen und so italienische Sprache, Kultur und Traditionen samt Kulinarik und Mafia in die ganze Welt brachten. Ein Großteil von ihnen blieb im Ausland; aber insbesondere im 19. Jahrhundert war die Auswanderung vielfach nur temporär.
Mögliche Themenfelder für die Tagung zum italienischsprachigen Raum vom 18. bis 21. Jahrhundert – auch mit transnationaler und komparativer Erweiterung auf andere geographische Gebiete – sind:
- Selbst- und Fremdzuschreibungen von und für Italiener in der Welt
- Mechanismen der In- und Exklusion in der Heimat und in der Fremde
- Imperiale Räume italienischer Siedler im Mittelmeerraum und in den beiden Amerikas
- Nationale Identitätsbildung außerhalb Italiens, z.B. auf Weltausstellungen
- Auswanderung aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen
- Italienische Besatzungsregime in Kriegen des 20. Jahrhunderts
- Rückkehr nach Italien mit dem Einbringen der Erfahrung aus der Fremde in die Heimat
Der CfP richtet sich in erster Linie an den wissenschaftlichen Nachwuchs. Promovierenden, Juniorprofessoreninnen und Juniorprofessoren sowie Habilitierenden soll Gelegenheit gegeben werden, ihre Qualifikationsarbeiten und Forschungsvorhaben einem deutsch-italienischen Expertenpublikum vorzustellen und mit diesem zu diskutieren. Darüber hinaus sind aber auch Projekte erfahrener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler willkommen. Die Keynote wird Andrea Di Michele (Bozen) halten.
Tagungssprachen sind Deutsch und Italienisch. Wie üblich wird es auch 2025 wieder eine freie Sektion geben, in der einige Arbeiten vorgestellt werden können, die sich nicht dem Rahmenthema zuordnen lassen. Vortragsvorschläge mit einem Abstract (max. eine Seite) und knappen bio-bibliographischen Angaben (max. zehn Zeilen) schicken Sie bitte bis 14.03.2025 per E-Mail an: jens.spaeth@uni-saarland.de. Die ausgewählten Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden bis 21.03.2025 benachrichtigt. Reise- und Übernachtungskosten werden übernommen.