„Lebenswelten der multiethnischen bäuerlichen Bevölkerung im Schwarzmeer- und Wolgagebiet vor 1917“
Gemeinsame internationale Konferenz des Lehrstuhls für Neuere und Osteuropäische Geschichte der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Nordost-Instituts (Institut für Kultur und Geschichte der Deutschen in Nordosteuropa e.V. ) Lüneburg/Göttingen
Verantwortlich:
Prof. Dr. Dietmar Neutatz (Freiburg) und Victor Herdt (Göttingen)
2.-4. Juni 2005 in Göttingen
Die multiethnischen und multikonfessionellen Milieus im Schwarzmeer- und im Wolgagebiet eignen sich hervorragend, um vergleichende Untersuchungen anzustellen. Die Literatur hebt gewöhnlich die Unterschiede zwischen den in diesen Regionen ansässigen deutschen Kolonisten und den anderen Bauern hervor. Die Konferenz soll die scheinbare Selbstverständlichkeit dieser Unterschiede auf die Probe stellen und dabei den Blick auf kulturelle Faktoren lenken: auf Lebensweisen, Einstellungen, Prägungen, Verhaltensweisen. So manche bisher wahrgenommene Besonderheit relativiert sich nämlich bei einem sorgfältigen Vergleich verschiedener ethnischer und konfessioneller Gruppen und erscheint eher als Variante einer gemeinsamen russländisch-bäuerlichen Kultur.
Auf der Konferenz soll es um die Frage gehen, inwiefern Lebenswelten und Mentalitäten von Deutschen, Russen, Ukrainern und anderen Nationalitäten in den beiden Untersuchungsregionen durch ihre ethnische bzw. konfessionelle Prägung oder aber die Zugehörigkeit zum bäuerlichen Milieu bestimmt waren und wie sie sich zwischen dem ausgehenden 18. Jahrhundert und dem Beginn der Sowjetherrschaft veränderten.
Folgende Leitfragen lassen sich formulieren:
-Was war an den deutschen, russischen, ukrainischen, tatarischen, baschkirischen, jüdischen u.a. Gruppen ethnisch oder konfessionell bestimmt?
-Was war eher einer „russländischen“ Prägung oder einer allgemeinen bäuerlichen Lebensweise und Mentalität zuzuordnen?
-Inwieweit und auf welchen Gebieten fanden gegenseitige Beeinflussungen, Annäherungen oder aber auch Auseinanderentwicklungen statt?
-Wie wurden Unterschiede, Gemeinsamkeiten und diesbezügliche Veränderungen von den Betroffenen und von Außenstehenden wahrgenommen?
-In welchem Maße, auf welchen Gebieten und mit welchen Ergebnissen fanden Einflussnahmen auf die Prozesse statt? Inwieweit erwiesen sich diese als veränderbar und steuerbar?
Diese Leitfragen können auf eine Reihe von Themen angewandt werden. Die Konferenz kann nur eine Auswahl der folgenden Fragen berücksichtigen:
-Selbstverständnis und Bild des anderen, ethnische, konfessionelle und kulturelle Identität der jeweiligen Gruppe
-Verhältnis zu andersethnischen und anderskonfessionellen Nachbarn
-Strukturen und Verhaltensmuster innerhalb der Dorfgemeinde
-Dorf und Außenwelt
-Geschlechterrollen, Stellung der Frau
-Kindheit, Jugend, Familie, Alter
-Demographische und medizinische Besonderheiten und Entwicklungen
-Russifizierung in der Wahrnehmung der nichtrussischen Bevölkerung
-Verhältnis zur Obrigkeit, zum Staat, zum Zaren
-Justiz und Selbstjustiz, Gerechtigkeitsempfinden
-Verhältnis zum Militärdienst, zum Krieg
-Alkoholismus
-Festkultur
-Religiosität
-Verhältnis zu Eigentum und Arbeit
-Verhältnis zu Bildung und Schule
-Verhältnis zu Modernisierung und Innovationen
Bei Interesse an der Übernahme eines Referats (25 Minuten) bitten wir um die Zusendung eines Themenvorschlags und ein kurzes Konzept (1-2 Seiten) bis Ende September 2004 per e-mail.
Tagungssprachen sind Deutsch, Englisch und Russisch.