CALL FOR PAPERS
Hinter Gittern.
Zur Geschichte der Inhaftierung zwischen Bestrafung, Besserung und (politischem) Ausschluss
Tagung in der Gedenkstätte Bautzen, 3.-5.11.2005
Das Gefängnis und andere Institutionen des Ein- und Wegschließens von Menschen nehmen im kollektiven historischen Bewusstsein in Deutschland (aber auch in anderen Ländern) einen prominenten Platz ein. „Moabit“ in Berlin, „Bautzen“ in der Stadt desselben Namens, aber auch „der Klingelpütz“ in Köln stehen nicht nur für die jeweiligen Häuser, sondern bezeichnen in der kollektiven Erinnerung symbolisch auch die Funktionen, die diese Einrichtungen wahrnahmen.
Der Bedeutung dieser Orte und Häuser möchten wir Rechung tragen, indem wir an einem historischen Ort zu einer Tagung über das Gefängnis einladen. Die avisierte Tagung in Bautzen knüpft an eine erste Tagung über „Das Gefängnis und andere Häuser. Geschichte und Gegenwart des Ein- bzw. Wegschließens von Menschen“, die im Dezember 2002 in Köln stattgefunden hat. Seinerzeit ist dort erfolgreich ein breit gefasster, interdisziplinärer Zugang gesucht worden. Die Tagung, zu der wir jetzt einladen, versucht die Themenstellungen der Kölner Tagung zu vertiefen bzw. zu ergänzen.
Wir schlagen dazu den folgenden Themenkatalog vor:
1. Eine Monarchie, zwei Demokratien, zwei Diktaturen: Zur Geschichte der politischen Haft in Deutschland im 20. Jahrhundert
2. Bessern in oder durch das Einsperren?
3. Methoden, Quellen und Probleme der historischen Gefängnisforschung
Es ist aber auch eine themenoffene Sektion geplant, um allen Interessenten die Möglichkeit zu geben, ihre Forschungsergebnisse zu diskutieren.
1. Politische Haft im 20. Jahrhundert
Inhaftierung als (politisches) Mittel wird eingesetzt bzw. missbraucht, um Menschen mit abweichenden politischen Meinungen und Zielen, teils unter strafrechtlich legitimierten Vorwänden, in Gefängnissen, Zuchthäusern und Lagern einzusperren. Hierfür bietet das 20. Jahrhundert, besonders während der beiden Diktaturen in Deutschland, signifikante Beispiele. Zu diesem Themenbereich werden Beiträge erbeten, welche die Funktionsweise, das Ausmaß und den Verlauf der Einschließung aus politischen Gründen in unterschiedlichen historischen Momenten beschreiben. Darüber hinaus wäre besonders nach der Wirkungsweise und dem Effekt dieses Repressionsmittels zu fragen und nach den gesellschaftlichen Diskursen, die es begleiteten. Neben der Inhaftierung im Nationalsozialismus soll die Aufmerksamkeit auch auf die bisher relativ wenig thematisierte Geschichte der politischen Haft in der DDR gerichtet werden, aber auch Beiträge zu anderen Ländern oder vergleichende Ansätze sind willkommen.
2. Besserung
Eine der zentralen Zielvorstellungen, die seit der Erfindung des Gefängnisses mit der Inhaftierung von Menschen verbunden ist, ist die der Erziehung und der Veränderung der Persönlichkeit von Insassen. In älteren Diskursen wird diese Vorstellung mit dem Begriff der Besserung beschrieben, heute wird sie zumeist (noch) unter dem Stichwort Resozialisierung diskutiert. Gefragt werden könnte nach den Vorstellungen, die in verschiedenen Zeiten mit der Besserung von Inhaftierten verbunden wurden. Wie sollte sie funktionieren und welcher Mittel bediente sie sich? Außerdem wären Beiträge interessant, die sich mit den Erfolgen ‘bessernder’ Strategien befassen: wie wurden diese bemessen und wie schlug sich wechselnde Erfolgsstatistik in den zeitgenössischen Diskussionen nieder? Was passierte mit denjenigen, die in sozialer, psychischer oder politischer Hinsicht als nicht besserungsfähig bzw. -würdig angesehen wurden?
3. Methodische Aspekte
An Quellen zur Geschichte der Inhaftierung mangelt es nicht – so eine häufig zu hörende Meinung: Statistiken zu Gefängnispopulationen liegen teilweise sogar schon in maschinenlesbarer Form vor, Akten und Unterlagen einschlägig zuständiger Behörden sind auch verfügbar und veröffentlichte Erinnerungen (politischer) Häftlinge liegen ebenfalls vor: Trotzdem: Stimmt dieser Befund? Welche Perspektiven eröffnen diese Quellen, die Perspektiven der Instanzen oder die ‘von unten’, d.h. die der Inhaftierten? Ergibt "oral history" für die Geschichte der Einsperrung einen Sinn, ist der "cultural turn" hier schon geschafft?
4. offene Sektion
Die Tagung soll allen Interessenten, die auf dem Gebiet des Strafvollzugs und der Einschließung arbeiten, ein Forum zum Austausch bieten. Deshalb sind Beiträge aus allen einschlägigen Arbeitsgebieten willkommen.
Ob und in welcher Höhe Kosten für Fahrt, Unterbringung und Verpflegung übernommen werden können, ist noch nicht endgültig geklärt; die Organisatoren bemühen sich noch um eine Finanzierung. Tagungsgebühren werden nicht erhoben. Die Tagung soll auch jüngeren Forschern ein Forum bieten, die deshalb ausdrücklich eingeladen werden. Beiträge sollten die übliche Länge von etwa zwanzig Minuten nicht überschreiten. Interessenten richten Exposés von maximal einer Seite bis zum 30. August 2005 folgende Adresse: