Jüdische Historiographie

Jüdische Historiographie

Veranstalter
Gastprofessur Historische Kultursoziologie, Universität Potsdam
Veranstaltungsort
Hasso-Plattner-Institut, Hörsaal 2, Universitätskomplex III Griebnitzsee
Ort
Potsdam
Land
Deutschland
Vom - Bis
03.07.2005 -
Website
Von
Francois Guesnet

Die jüdische Historiographie in Ostmitteleuropa soll im Mittelpunkt eines anderthalbtägigen Workshops stehen, der am 3. und 4. Juli 2005 im Rahmen der Gastprofessur für Historische Kultursoziologie an der Universität Potsdam durchgeführt wird. Die Veranstaltung wird durch die Werner-Reimers-Stiftung sowie die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert.
Die Geschichtsschreibung stellt ein zentrales Feld der wechselseitigen Einflussnahme zwischen den Judenheiten des deutschsprachigen Raums und des östlichen Europas dar. Der Grund hierfür liegt in der Transnationalität der jüdischen Geschichte selbst, wie sich gerade in den multiethnisch und durch häufige Grenzverschiebungen geprägten ostmitteleuropäischen Regionen erweist, in den bedeutenden Entwicklungen der Geschichtsschreibung deutscher Sprache seit der Aufklärung, in der Vorbildwirkung deutsch-jüdischer Autoren und ihrer Werke – allen voran Isaac Markus Jost und Heinrich Graetz -, wie auch in der Notwendigkeit, den eigenen Standort im Kontrast zu diesen Vorbildern zu bestimmen.
Ungeachtet des Vorbildcharakters deutscher Historiographie führten die besonderen Rahmenbedingungen Ostmitteleuropas zu Perspektiven und Interpretationen, die deutlich von ihren deutschsprachigen Vorbildern abwichen. Die Interpretation der Vergangenheit stand durch die parallele Entwicklung der Nationalbewegungen der „kleinen Völker“ (Miroslaw Hroch) in einem gänzlich anderen Kontext konkurrierender Sichtweisen. Die deutschsprachige jüdische Historiographie bemühte sich zunächst um eine Standortbestimmung in dem Spannungsverhältnis jüdischer und nicht-jüdischer Identitäten oder Identitätszuweisungen, wohingegen die Historiker im östlichen Europa Stellung in einem Umfeld beziehen mussten, das neben der Frage nach dem eigenen Standpunkt als Jude jene nach dem Verhältnis zur Umgebungsgesellschaft zu stellen hatte, die wiederum nur im Ausnahmefall identisch war mit der Gesellschaft der Staatsmacht.

Ziel des Workshops ist es, die Vielfalt jüdischer Geschichtsschreibung in Ostmitteleuropa aufzuarbeiten und ihren regionalen Differenzierungen nachzuspüren. Trotz des in den vergangenen Jahren stark gewachsenen Interesses an jüdischer Historiographiegeschichte wird hiermit ein vernachlässigtes Thema der europäisch-jüdischen Geschichte aufgegriffen.
Mit der Bezugnahme auf Graetz und Dubnow als Grenzwächter dieser historisch-historiographischen Region soll unterstrichen werden, dass das Interesse des Workshops explizit der in Ostmitteleuropa entstandenen jüdischen Geschichtsschreibung gilt.

Programm

Zwischen Graetz und Dubnow: Jüdische Historiographie in Ostmitteleuropa im 19. und 20. Jahrhundert

Internationaler Workshop 3. und 4. Juli 2005 Universität Potsdam

Sonntag, 3. Juli 2005
Ort: Universitätskomplex III Griebnitzsee Hörsaal 2 des Hasso-Plattner-Instituts (HPI)

16.00 Uhr
Prof. Dr. Julius H. Schoeps (Potsdam) Begrüßung
Dr. François Guesnet (Potsdam) Einleitende Gedanken und Fragestellungen des Workshops

Sektion 1: Rezeptionen des Anderen
Chair: Prof. Dr. Erhard Stölting (Potsdam) 16.30 Uhr

Dr. Heidemarie Petersen (Leipzig) Die Graetz-Rezeption in Ungarn am Beispiel der „Wissenschaftlichen Geschichte der Juden auf der Grundlage des Werkes von Graetz“

Dr. Carsten Schapkow (Berlin/Leipzig) Die Konstruktion einer jüdischen Geschichte in Spanien als Bestandteil einer europäischen Kulturtradition bei Heinrich Graetz
Diskussion

Montag, 4. Juli 2005
Ort: Universitätskomplex III Griebnitzsee Haus 1, Raum 207

Sektion 2: Historiographie der Juden in Polen: Geschichte im Kraftfeld von Volk, Nation und Staat
Chair: Dr. Dietlind Hüchtker (Leipzig)

10.00 Uhr Dr.
Natalia Aleksiun (New York) Historians on a National Mission: Polish Jewish Historical Scholarship, 1918 – 1939

Maria Gotzen-Dold (Tübingen) Ein Votum für die „polnische Option“? Leitideen in den Geschichtswerken von Mojzesz Schorr und Majer Balaban
Diskussion

11.00 Uhr Pause

11.15 Uhr
Dr. François Guesnet (Potsdam) Geschichte fürs jüdische Volk. Ein Porträt des Historikers Ezriel Natan Frenk (1863 – 1924)

Dr. Kerstin Armborst (Potsdam) Die Zeitschrift „Evrejskaja Starina“ als Forum polnisch-jüdischer Historiographie in Russland
Diskussion

12.30 Uhr Mittagspause

Sektion 3: Geschichte der Juden in Ostmitteleuropa: Von der Erfindung von Traditionen zu ihrer Dokumentation
Chair: PD Dr. Ulrich Wyrwa (Potsdam)
14.00 Uhr
Louise Hecht, Ph.d. (Wien/Jerusalem) Invented Traditions vs Historiographie: Die Ramshak-Chronik und die Anfänge jüdischer Geschichtsschreibung in Böhmen

Brigitta Gantner, M.A. (Berlin/Budapest) Orthodoxes Judentum im Spiegel der ungarisch-jüdischen und nicht-jüdischen Geschichtsschreibung

Dr. Stefan Litt (Jerusalem) Die Edition innerjüdischer Quellen aus Polen und Deutschland im frühen 20. Jahrhundert im Vergleich: Die Takanot von Krakau (1598) und Altona (1726)
Diskussion

16.00 Uhr Abschlußdiskussion

Kontakt

Francois Guesnet

Universität Potsdam
Historische Kultursoziologie
PF 900327
14439 Potsdam

Tel.: 0331 977 3390
barniske@rz.uni-potsdam.de


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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
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