Es gibt in diesem Jahr mehrere Anlässe, den Roman Wassilij Grossmans (1905-1964) „Leben und Schicksal“, in dessen Mittelpunkt die Schlacht von Stalingrad steht, in Erinnerung zu rufen. Die Handlung des Buches steht in einer engen Verbindung zum 60. Jahrestag des Kriegsendes, denn der Zusammenbruch des Dritten Reiches hatte sich in Stalingrad bereits angebahnt. Abgesehen davon kann man auch in bezug auf den Roman selbst, der zu den bedeutendsten Werken des 20. Jahrhunderts zählt, in diesem Jahr ein bescheidenes Jubiläum feiern. Er ist vor 25 Jahren, 16 Jahre nach dem Tode des Autors, erschienen, und zwar nicht in seiner russischen Heimat, sondern im Westen.
Als Grossman seinen Roman Anfang der 60er Jahre abgeschlossen hatte, hoffte er, daß es ihm gelingen würde, das Buch, das in schonungsloser Weise mit der Hitlerschen und mit der Stalinschen Tyrannei abrechnet, in der Sowjetunion zu publizieren. Dies war immerhin die Zeit des 22. Parteitages der KPdSU, auf dem Chruschtschow, anders als auf dem 20. Parteitag fünf Jahre zuvor, den stalinistischen Terror nicht in einer geheimen Rede, sondern öffentlich anprangerte. Dessen ungeachtet rief der Roman von Grossman Entsetzen bei den sowjetischen Partei- und Kulturfunktionären hervor. Das Manuskript des Romans wurde vom KGB beschlagnahmt. Es grenzt an ein Wunder, daß das Buch trotz aller Versuche der Behörden, es für immer in der Versenkung verschwinden zu lassen, letztendlich doch die Leser erreichte.
Der Roman befaßt sich zwar in erster Linie mit der Schlacht von Stalingrad, die Darstellung dieser militärischen Auseinandersetzung wird allerdings durch eine tiefgreifende Gesamtanalyse des damaligen Wendepunktes der Geschichte wie auch durch eine scharfsinnige Analyse des stalinistischen und des nationalsozialistischen Regimes begleitet.
Diese Totalitarismus-Interpretation Grossmans, die in der bisherigen Forschung zu wenig gewürdigt wurde, wird im Mittelpunkt der geplanten Konferenz stehen. Abgesehen davon werden im Rahmen der Tagung auch Zeitzeugen über das Leben und das Werk des Schriftstellers berichten.
Die Konferenz wird gemeinsam vom ZIMOS und vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der TU Dresden organisiert. Zugleich wird sie ins Lehrprogramm des vom DAAD unterstützten Masterstudiengangs Internationale Beziehungen (MIB) an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt integriert.