Faszination des Illegitimen. Alterität in Konstruktionen von Genealogie, Herkunft und Ursprünglichkeit in den skandinavischen Literaturen seit 1800

Faszination des Illegitimen. Alterität in Konstruktionen von Genealogie, Herkunft und Ursprünglichkeit in den skandinavischen Literaturen seit 1800

Veranstalter
Institut für Vergleichende Germanische Philologie und Skandinavistik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Nordeuropa-Institut der Humboldt-Universität Berlin
Veranstaltungsort
Nordische Botschaften, Felleshus · Rauchstraße 1 · D-10787 Berlin
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
23.02.2006 - 25.02.2006
Von
Thomas Mohnik

Familiengeschichten haben bis heute ungebrochen Konjunktur. Die hier entworfenen Konzepte von Verwandtschaft stehen im Spannungsfeld von Legitimität und Illegitimität: Immer wieder geht es um uneheliche Kinder, fehlende Väter und Mütter, gebrochene Familienstrukturen, wobei sich die Frage nach Herkunft und Ursprung, nach Genealogie und Verwandtschaft als zentral erweist. Alterität wird damit zu einem konstitutiven Element jeder Ursprungserzählung.

Verbunden mit diesen "kleinen" Geschichten von Verwandtschaft und Familie sind die "großen" Herkunftserzählungen, die der Herstellung kollektiver Identitäten dienen, wie z. B. religiöse Ursprungsmythen oder Konzepte von Nation im 19. Jahrhundert. Inwiefern sich auch in den Identitätskonstruktionen der modernen skandinavischen Nachkriegsgesellschaften entsprechende Muster finden lassen, stellt eine wichtige Frage der Tagung dar.

Denkfiguren von Familie und Verwandtschaft verknüpfen dabei Diskurse unterschiedlicher Disziplin: Philologie, Sprachwissenschaft und Ästhetik, Medizin, Anthropologie und Psychologie, Biologie und Evolutionstheorie, Religionsgeschichte und Mythologie verwenden gleichermaßen Begriffe wie Genealogie, Genus, Gattung, Stammbaum, Verwandtschaft.

Für Literatur und Literaturwissenschaften spielen Konzepte von Verwandtschaft und die darin enthaltene Funktion von Alterität eine zentrale Rolle. Dies deutet sich nicht nur in der genannten Begriffs"familie" an. Literatur nahm darüber hinaus im 19., aber auch im 20. Jahrhundert eine wichtige Stellung in der Vermittlung der großen Herkunfts-Erzählungen und Bildwelten ein. Ihre Stellung in diesem Prozess ist aber alles andere als eindeutig. Sie erscheint einerseits prädestiniert zur Aneignung des kulturell Anderen, zugleich aber galt und gilt Literatur selbst oft als ein Anderes, als Gegenwelt zur gesellschaftlichen Wirklichkeit.

Auf der Tagung sollen zum einen Texte befragt werden, die sich inhaltlich mit dem Entwurf von Alterität in Konstruktionen von Genealogie, Herkunft und Ursprünglichkeit auseinandersetzen. Zum anderen gilt es, das Verhältnis von Literatur und Literaturwissenschaft zum Verwandtschaftsdiskurs auszumachen.

Programm

Do., 23.02.06
14:00
Begrüßung/Grußwort des schwedischen Botschafters

I Blut, Erbe, Ethnizität

14:30-15:15
Kerstin Palm (Berlin)
Von der Blutsverwandtschaft zum genetischen Partikelstammbaum - der Umschlag der Vererbungsvorstellungen in der Biologie um 1900.

15:15-16:00
Thomas Mohnike (Freiburg)
Herkunft und Ursprünglichkeit in Castréns Nordischen Reisen.

16:00-16:30 Pause

16:30-17:15
Constanze Gestrich (Berlin)
Degeneration - Über Angst und Liebe im kolonialen Raum.

17:15-18:00
Joachim Grage (Göttingen)
Fanter, tatere, vandrefolk. Illegitime Herkunft im frühen norwegischen Spielfilm.

Fr., 24.02.06

II Familien

09:00-09:45
Ebba Witt-Brattström (Stockholm)
The rise - and the fall? - of female genealogy at the turn of the century 1900. Feminist theory and the New Woman fiction: Laura Marholm.

09:45-10:30
Wolfgang Behschnitt (Freiburg)
Ferne Väter, schwache Väter: Abstammungs- und Autoritätsproblematik bei Lars Ahlin.

10:30-11:00 Pause

11:00-11:45
Elisabeth Herrmann (Freiburg)
Kindheitstrauma und gespaltene Jugend als Ausdruck literarischer Alterität in Per Olov Enquist Roman "Kapten Nemos bibliotek".

11:45-12:30
Susanne Maerz (Freiburg)
Stigma deutscher Vater. Die Verhandlung der Herkunft von norwegischen Kriegskindern in Herbjörg Wassmos "Das Haus mit der blinden Glasveranda" und Jostein Gaarders "Kartengeheimnis".

12:30-14:30 Mittag

III Gattung und Genre

14:30-15:15
Anna Sandberg (Kopenhagen)
Jens Baggesens Selbstdarstellung in Fiktion und Biographie: die problematische Genealogie.

15:15-16:00
Kirsten Wechsel (Berlin)
Herkunftstheater: Zur Legitimierung der Gattung Vaudeville um 1830.

16:00-16:30 Pause

16:30-17:15
Beata Agrell (Göteborg)
In Search for Legitimacy: Class, Gender and Moral Disciplin in Early Swedish Working-Class literature c. 1910.

19:00
Öffentlicher Vortrag:
Pil Dahlerup (Kopenhagen)
Negotiating the Other. Strategies of Exclusion and Inclusion in the Writing of Scandinavian Literary History

Sa., 25.02.06
IV Kehrseiten der Genealogie

09:00-09:45
Ulrike Vedder (Berlin)
Der Fluch und seine andere Gesetzlichkeit.

09:45-10:30
Christiane Barz (Berlin)
Gebrochene Herkunft und bewußter Ausstieg aus der Genealogie in dänischen Bildungsgeschichten.

10:30-11:00 Pause

11:00-11:45
Dagmar von Hoff (Mainz)
Sternenkonstellationen. Die mythische Dimension des Inzests in Romanen des 20. Jahrhunderts.

V Ausblicke

11:45-12:30
Stefan Willer (Berlin)
Aneignung des Eigenen. Zur Legitimität und Illegitimität des kulturellen Erbes.

12:30-14:30 Mittag

14:30-15:15
Ella Johansson (Lund)
The National Maid. Dalecarlian Women as a Brand Image of Swedishness.

15:15-16:00
Sylvain Briens (Straßburg)
Kryptische Wellen. Medien der Kommunikation und Alterität in der modernen skandinavischen Literatur.

16:00-16:30 Pause

16:30-17:15
Gemeinsame Abschlussdiskussion

20:00
Öffentliche Lesung:
Kristof Magnusson liest aus Zuhause

Kontakt

Anna Sagerer

Humboldt-Universität zu Berlin, Nordeuropa-Institut

anna.sagerer@rz.hu-berlin.de

http://www2.hu-berlin.de/alteritaet/menue/tagung.html