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exemplaris imago - Ideale und Formen ihrer Vermittlung in Mittelalter und Früher Neuzeit

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Veranstalter
Graduiertenkolleg "Gesellschaftliche Symbolik im Mittelalter"
Veranstaltungsort
Münster
Ort
Münster
Land
Deutschland
Vom - Bis
24.01.2007 - 26.01.2007
Deadline
31.07.2006
Von
Elizabeth Harding

Der Begriff des Ideals erfreut sich in kulturwissenschaftlichen Forschungen zur Vormoderne einer großen Beliebtheit. In den unterschiedlichsten Kontexten wird er – meist in seiner alltagssprachlichen Bedeutung – zur Beschreibung von Zielen und Leitgedanken verwendet. Das Ideal wird gemeinhin als ein besonders adäquater Begriff zur Beschreibung mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Denk- und Kommunikationsweisen angesehen, wobei es sich aber um einen modernen Terminus handelt. Es stellt sich daher die Frage, ob die als Ideal bezeichneten mentalen Konstruktionen wirklich miteinander vergleichbar sind und ob nicht der Begriff des Ideals in vielen Fällen eine zu große Eindeutigkeit und Verbindlichkeit suggeriert.

Als Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit Idealen können folgende bewusst weit gefasste Kriterien dienen, die wir auf der Basis des üblichen Sprachgebrauchs in der neueren Forschung entwickelt haben.
1. Das wichtigste Merkmal von Idealen ist Vollkommenheit; Fehler oder Mängel sind mit dem Gedanken des Idealen nicht vereinbar. Ein wichtiger Weg zur Konstruktion von Idealen führt vielmehr gerade über die gedankliche Eliminierung von Fehlern aus der Realität.
2. Ideale stehen im Spannungsverhältnis zur Realität. Sie sind grundsätzlich verschieden von dem, was die Beobachter als den gegenwärtigen Zustand wahrnehmen.
3. Ideale sind nicht identisch mit den Wertvorstellungen, die ihnen zugrunde liegen. Sie können jedoch als eine imaginäre Umsetzung von Werten beschrieben werden. Somit nehmen Ideale eine wichtige Mittlerposition zwischen Werten und Handlungen ein.
4. Ideale können Haltungen und Handlungen beeinflussen. Dabei spielt der Glaube an ihre Erreichbarkeit eine wichtige Rolle, unabhängig davon, ob diese Erreichbarkeit auch in der Praxis gegeben ist.
5. Ideale sind immer konstruiert, und obwohl ihnen subjektiv überzeitliche Geltung zugeschrieben wird, unterliegen sie dennoch dem Wandel der historischen Gegebenheiten, da sie immer in irgendeiner Weise auf die Realität und ihren Kontext bezogen sind.

Im Rahmen der Arbeit des Graduiertenkollegs „Gesellschaftliche Symbolik“ sind Ideale von besonderem Interesse, weil sich in ihnen gesellschaftliche Wertvorstellungen und Ordnungskategorien manifestieren. Vor allem interessiert der Aspekt ihrer Vermittlung und die Rolle, die symbolische Kommunikation dabei spielt. Auf der geplanten interdisziplinären Tagung zum Ideal in der Vormoderne möchten wir folgende drei Fragekomplexe diskutieren:
1. Der Begriff des Ideals und seine Anwendbarkeit auf die Vormoderne
Allgemein interessiert uns, wie sich das Konzept des Idealen mit zeitgenössischen Theorien aus Theologie, Naturwissenschaft und Ethik vereinbaren, bzw. aus ihnen herleiten lässt. Der moderne Begriff des Ideals muss hier mehr als ein heuristisches Prinzip denn als ein theoretisches Konzept behandelt werden. Zu fragen ist weiter, ob der Gedanke der Vollkommenheit einen absoluten Geltungsanspruch nach sich zieht, ob Ideale nur für ein Kollektiv oder für den Einzelnen gelten und wie Ideale miteinander in Konkurrenz treten. Wie lässt sich außerdem die Wechselwirkung zwischen Ideal und Realität beschreiben?
2. Die Genese von Idealen
Die Entstehung und Konstruktion von Idealen lässt sich einerseits auf die Wahrnehmung von Defizienz in der Realität, andererseits auf die normative Wirkung von Traditionen zurückführen. In synchroner Perspektive interessieren die Techniken der Konstruktion, Korrektur und Modifikation von Idealen sowie ihre Prägung durch den jeweiligen argumentativen Kontext und die gewählten Darstellungsmittel.
3. Ideale im gesellschaftlichen Kontext
Vor allen Dingen stellt sich die Frage, wie Ideale avant la lettre in der Vormoderne im gesellschaftlichen Kontext erfahrbar und wirksam werden. Wie werden Ideale in der Politik, in der höfischen Welt, in der Bildung, in der Religion usw. zu erreichen gesucht, und wie bewusst sind sie den jeweiligen Akteuren? Als Funktion eines Ideals ist nicht nur die eines anzustrebendes Ziels, sondern auch eines Korrektivs oder Arguments denkbar. Wie sind außerdem die Wirkungsweisen von Ideal und Vorbild zu unterscheiden?

Im Folgenden sollen beispielhaft einige mögliche Untersuchungsfelder skizziert werden, deren thematische Auswahl aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Sie sind als Anregung für weiterführende Fragestellungen zum Thema zu verstehen.

- Zum monastischen Lebensideal gehören im Allgemeinen ein Leben für Gott in Gemeinschaft und Dienst für Kirche und Welt. In den verschiedenen Zeiten und Kontexten entwickelten sich ganz unterschiedliche Lebensmodelle wie die peregrinatio propter Christum im frühen iroschottischen Mönchtum oder das Leben in Armut und Einfalt in der Nachfolge des Franz von Assisi. Hier wäre u.a. dem Zusammenhang zwischen Mönchsideal, Theologie und gesellschaftlichem Kontext nachzugehen.
- In Minnesang und Roman entwickelt die Literatur des Mittelalters ein höfisches Gesellschaftsideal, welches als Leitbild über die Literatur hinaus wirkmächtig war. Die entfalteten Herrscher-, Ritter-, Frauen- oder Minneideale stehen mit der gesellschaftlichen Realität in einer spannungsvollen Wechselbeziehung. Neben der körperlichen Schönheit als Ausdruck der inneren Vollkommenheit beinhaltet die hövescheit (courtoisie) angenehme Umgangsformen und höfische Fähigkeiten sowie spezielle höfische Tugenden, ohne dass sich jedoch von einem einheitlichen Tugendsystem sprechen ließe. Kennzeichnend scheint jedoch die Verbindung mit christlichen Wertvorstellungen zu sein. Diese höfischen Ideale sind besonders vor dem Hintergrund ihrer literarischen Konstruiertheit in den Blick zu nehmen.
- Den idealen Herrscher kennzeichnen die Tugenden Weisheit, Stärke, Milde und Mäßigung sowie Gerechtigkeit. Zu untersuchen wären beispielsweise Wandel und Konstanz des Herrscherideals im Zuge der Entwicklung eines transpersonalen Königtums, weiter in verschiedenen Quellengattungen konstruierte Herrscherideale, sowie die Möglichkeit der Indienstnahme von Herrscheridealen seitens der Untertanen.
- Geschlechterkonzepte und ihre Formulierung als Ideal sind in theologischen und ethischen Diskursen des Mittelalters typischerweise eingebunden in Wertesysteme, die einem klaren Oppositionsschema folgen, nach dem sich das Männliche und das Weibliche gegenüberstehen. Dabei handelt es sich um ein Konzept, das Aufschluss über mittelalterliche Vorstellungen von der Ordnung der Welt nicht zuletzt auch in ethischer Hinsicht geben kann. So lassen sich in unterschiedlichen Quellengattungen Rückschlüsse auf ideale Konzepte von Mann und Frau sowie auf die ihnen zugrundeliegenden Welt- und Wertvorstellungen ziehen.
- Zu diesen inhaltlich definierten Idealen kommen auf der Ebene der Darstellungsmittel ästhetische Ideale hinzu, wie sie sich in Literatur, bildender Kunst, Musik und im Zeremoniell finden. Besonders in der Musiktheorie (ars musica) und in den bildenden Künsten leiten sich diese Ideale aus Theorien der natürlichen und kosmischen Ordnung her.
Während in aristotelischen Modellen die Naturnachahmung und somit eine analoge Teilhabe am Göttlichen die Grundlage der Ästhetik bildet, bezieht eine andere Denkrichtung, basierend auf Pseudo-Dionysius und Augustin gerade das Groteske und Abstoßende in den Bereich der Ästhetik ein, aus dem Bemühen heraus, das Böse mit dem Willen Gottes zu vereinbaren. Ein weiteres Spannungsverhältnis besteht im Bereich der ästhetischen Ideale zwischen dem theoretischen und dem wahrnehmungsorientierten Ansatz, was vor allem für die Musik gilt. Außerdem wäre die Wechselwirkung zwischen ästhetischen Idealen und den bereits skizzierten Gegenstandsbereichen zu untersuchen.

Willkommen sind Papiere aus den Fachbereichen Mittlere und Neuere Geschichte, Kunstgeschichte, Musikwissenschaft, Literaturwissenschaft, Theologie, Philosophie, Rechtsgeschichte und verwandten Disziplinen.

Programm

Kontakt

Elizabeth Harding

Graduiertenkolleg "Gesellschaftliche Symbolik im Mittelalter"
Pferdegasse 3, 48143 Münster
0251/ 8328302

eharding@uni-muenster.de

http://www.uni-muenster.de/GeschichtePhilosophie/Geschichte/Grad