Im Pausenraum des Dritten Reiches - zur Populärkultur im Nationalsozialismus

Im Pausenraum des Dritten Reiches - zur Populärkultur im Nationalsozialismus

Organizer
Prof. Dr. Erhard Schütz, Humboldt-Universität zu Berlin, Dr. des. Ansgar Warner, Justus-Liebig-Universität Gießen, Carsten Würmann, Freie Universität Berlin. Mit Unterstützung der Hans Böckler Stiftung, der Humboldt-Universität zu Berlin sowie des Gießener Graduiertenzentrums Kulturwissenschaften (GGK)
Venue
Institut für Deutsche Literatur an der Humboldt-Universität zu Berlin, Hegelplatz 2 D, 10099 Berlin, Haus 1, Raum 1.301 (Vorträge) bzw. Raum 1.101 (Abendveranstaltung)
Location
Berlin
Country
Germany
From - Until
24.11.2006 - 25.11.2006
By
Würmann, Carsten

Erholung vom harten NS- und Kriegsalltag? Transportmittel für
Eskapisten? Oder doch erfolgreiches Instrument der Integration und Propaganda?

Produkte einer modernen Populärkultur sind bis 1945 zentraler
Bestandteil des Alltags im 'Dritten Reich'. Auch wenn die
Nationalsozialisten diese Kultur zumindest in Teilen von ideologischer Warte aus scharf kritisierten, forcierten sie den Ausbau einer auf Massenkonsum orientierten Kulturindustrie. War all dies lediglich Teil eines umfassenden Propagandakonzeptes?

Populärkultur muss unterhalten, und die Propaganda mit und in ihr findet da ihre Grenze, wo das Produkt diese Funktion nicht mehr erfüllt und sich die Konsumenten nicht mehr unterhalten fühlen. Die Unterhaltungskultur erweist sich so in ihrem inhärenten Zwang, auf Massenbedürfnisse einzugehen, als Ergebnis eines
Aushandlungsprozesses für einen Massengeschmack, der sich aus Interessen und Intentionen von Produzenten, Versuchen der Steuerung und Lenkung wie den Erwartungen und Reaktionen der Rezipienten ergibt.

Auch im 'Dritten Reich' trifft man auf Bestseller und Verkaufsschlager: Wie waren die Bedingungen der Herstellung in der NS-Kulturindustrie? Welche expliziten Vorgaben und Verbote mussten beachtet werden? Was waren erfolgreiche Marketing- und Verkaufsstrategien? Wieviel Raum blieb den Autoren und privatwirtschaftlich agierenden Verlegern? Welche Propagandakonzepte ließen sich durchsetzen? Inwieweit wurden im Rahmen der Populärkultur nazistische Erlebnisangebote gemacht und faschistische Erlebnismuster eingeübt? Behaupteten die Nationalsozialisten auf diese Weise tatsächlich erfolgreich die Aufhebung der Gegensätze moderner Industriegesellschaften und kreieren eine Art NS-Populärkultur als die für die 'deutsche Volksgemeinschaft' angemessenste Kunstform? Oder stellten die Produkte erfolgreich Parallelwelten zur politischen Sphäre bereit und können damit als Regenerations- und eben Pausenraum für den NS-Alltag gelten, in dem ebenso Konflikte der NS-Gesellschaft verhandelt wie auch Lebensstrategien und Anpassungsmodelle für ein Leben unter NS-Herrschaft angeboten werden konnten?

Literatur-, Medienwissenschaftler und Historiker werden auf der Tagung diese und weitere Fragen diskutieren und nach Antworten suchen. Die Beiträge richten den Blick auf zeitgenössische Bestseller und Verkaufsschlager wie etwa Arztromane, Krimis, populärwissenschaftliche
Bücher und Science-fiction, analysieren die Rolle des Humors und beschäftigen sich mit der Stellung von Autoren wie Hans Dominik, Hans Fallada oder Erich Kästner, sie beleuchten jedoch auch weniger bekannte Bereiche wie den Fußballfilm, Theater für die Arbeiter der Reichsautobahn, den Kulturfilm im Nationalsozialismus oder die Präsenz von Blondinen und anderen Trivialmythen in Propagandaflugblättern.

Programm

Freitag, 24. November 2006

14:00 Uhr Begrüßung

Zu den Grundlagen der Populärkultur im Nationalsozialismus

14:30 Uhr Ine Van linthout (Antwerpen)
'Dichter, schreibt Unterhaltungsromane!' Der Stellenwert der
Unterhaltungsliteratur im 'Dritten Reich'

14:50 Walter Delabar (Hannover)
NS-Gesellschaft ohne Nationalsozialismus. Oder: Warum ist in der
Unterhaltungsliteratur des Dritten Reiches so wenig vom
Nationalsozialismus zu finden?

15:10 Diskussion

15:30 Kaffeepause

Zum medialen Spektrum der Populärkultur im Nationalsozialismus

16:00 Martin Maurach (Frankfurt/Oder)
Kleists 'Zerbrochner Krug' auf der Autobahn - Die Reichsautobahnbühne 1936/37 zwischen Hochkultur und 'Volksgemeinschaft', Traditionalismus und Modernität

16:20 Christiane Caemmerer (Berlin)
Gentlemen prefer blondes - Blondinen bevorzugt. Amerikanische Trivialmythen in der deutschen Kriegsflugblattpropaganda von 1944

16:40 Diskussion

17:00 Ansgar Warner (Gießen)
'Elf Kameraden und ein Gedanke: Glauben an den Sieg!' Unterhaltung und Kriegspropaganda im Fußballfilm des 'Dritten Reiches' ('Das große Spiel', 1942)

17:20 Dorit Müller (Berlin)
Wissenschaftsvermittlung als Massenunterhaltung und Erziehungsprojekt: Das populärwissenschaftliche Genre im Dritten Reich

17:40 Diskussion

18:00 Abendessen

20:00 Ramón Reichert (Linz)
Der NS-Kulturfilm im 'Dritten Reich'

21:00 Diskussion

Sonnabend, 25. November

Zu populären Genres der NS-Unterhaltungsliteratur

9:30 Dina Brandt (München)
Naziliteratur? Zu den Science Fiction-Romanen zwischen 1933 und 1945

9:50 Carsten Würmann (Berlin)
'Sowas hat es unter Hitler nicht gegeben'. Populäre
Ordnungsvorstellungen im Krimigenre des Dritten Reiches

10:10 Dorota Cygan (Wroclaw)
Braune Weißkittel. Eine gattungstheoretische Autopsie des populären Arztromans im Nationalsozialismus

10:30 Diskussion

11:00 Kaffepause

11:30 Patrick Merziger (Berlin)
'Sei positiv dagegen!' Zum Humor des Nationalsozialismus

11:50 Anne Peiter (Paris)
Populärkultur und nationalsozialistischer Terror in Victor Klemperers Tagebüchern

12:10 Diskussion

12:30 Mittagspause

Biographische Fallstudien

14:00 Christian Härtel (Berlin)
Vom Schraubstock zum Schreibtisch. Populärliteratur für die
Volksgemeinschaft am Beispiel Hans Dominiks

14:20 Anja Susan Hübner (Gießen)
'Oh, du mein Fallada, da Du da hangest' - Der Fall Fallada oder
Sollbruchstellen einer prekären Künstlerbiographie im 'Dritten Reich'

14:40 Markus Wallenborn (Köln)
Kleiner Grenzverkehr zwischen Schreibtisch und Pausenraum: Der Schriftsteller Erich Kästner und das Dritte Reich

15:00 Diskussion

15:30 Kaffeepause

16:00 Abschlussdiskussion

Contact (announcement)

Carsten Würmann

030 78 70 69 09
cwurmann@gmx.de

http://ansgar-warner.de/pausenraum.pdf
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