Bibliotheken im Altertum

Bibliotheken im Altertum

Veranstalter
Herzog August Bibliothek Wolfenbütteler Arbeitskreis für Bibliotheks-, Buch- und Mediengeschichte Leitung: Prof. Dr. Elke Blumenthal (Leipzig) und Prof. Dr. Wolfgang Schmitz (Köln)
Veranstaltungsort
Bibelsaal in der Bibliotheca Augusta
Ort
Wolfenbüttel
Land
Deutschland
Vom - Bis
12.11.2007 - 14.11.2007
Website
Von
Volker Bauer

Es versteht sich für uns von selbst, dass ein Großteil unseres Wissens über das Altertum nicht nur auf archäologischen, sondern auch auf schriftlichen Quellen beruht. Die zuständigen Einzelwissenschaften haben deshalb mindestens eine starke philologische Komponente oder sind – was man heute im Zuge der kulturwissenschaftlichen Forschung wieder zu überwinden sucht – ganz auf die Erschließung von Texten konzentriert (Assyriologie, klassische Philologie). Dabei gilt in allen Wissenschaften das Hauptinteresse den Inhalten, dann auch den Erzeugungsprozessen von Textsorten aller Art und ihrer Funktion und Weitergabe im jeweiligen kulturellen Zusammenhang. Wie die Produzenten und Konsumenten mit Texten auf beweglichen Textträgern (d. h. nicht auf (Fels)Wänden, Stelen, Gebrauchsgegenständen) umgegangen sind und wie sie Literatur – im weitesten Sinne verstanden – auf Tontafeln und -scherben, Steinsplittern, Papyrus, Holz, Leder, Pergament gesammelt, aufbewahrt, verwaltet und erschlossen haben, ist vergleichsweise wenig beachtet worden. Da es sich um Schrifttum unterschiedlichster Gegenstände (wirtschaftlich, administrativ, religiös, literarisch, wissenschaft-lich, politisch usw.) und Funktionen (kultisch, dokumentarisch, edukativ, propagandistisch usw.) handelt, da die unterschiedlichsten Institutionen und Personen damit befasst waren (Staat, Palast, Tempel, Kirche, Kloster, Schule, Privatpersonen), steht das Thema „Bibliotheken im Altertum“ im Fokus mannigfacher Fragestellungen. Umgekehrt nähert man sich ihm auf verschiedenen Wegen, außer auf dem bibliotheksgeschichtlichen z. B. über Wirtschafts-, Verwaltungs-, Religions-, Theologie-, Architektur- und Literaturgeschichte sowie Archäologie. Man kann gar nicht umhin, das Bibliothekswesen in seiner gesellschaftlichen Einbindung zu behandeln.

Die Tagung wird das Schwergewicht auf den antiken Mittelmeerraum setzen und die ebenfalls ergiebigen Regionen Süd- und Ostasien mit ihren andersartigen Traditionen ausklammern, aber auch dann kann sie nicht flächendeckend und mit der erforderlichen Tiefe alles Material und alle Probleme erfassen. Statt dessen ist vorgesehen, sieben Bereiche der vorderorientalischen und europäischen Antike exemplarisch vorzustellen: Zweistromland, pharaonisches Ägypten, Alt-Israel, Griechenland, Rom, Byzanz, koptisch-gnostisches bzw. koptisch-christliches Ägypten, frühislamische Zivilisationen. Damit wird ein Zeitraum vom 4. Jahrtausend v. Chr. bis mindestens zum Ende des 1. Jahrtausends n. Chr. erfasst. Entsprechend den unterschiedlichen geschichtlichen Bedingungen und den sehr verschiedenen Quellen- und Überlieferungsbefunden und Forschungslagen wird das Thema in vielen Facetten behandelt werden. Angesichts der interdisziplinären Zusammensetzung des Referenten- und Teilnehmerkreises werden die Referenten einen Überblick über das Bibliothekswesen in ihrem jeweiligen Fachbereich geben; einige von ihnen werden außerdem den Blick auf einen Spezialaspekt ihres eigenen Forschungsgebiets lenken.

Ein zweiter Schwerpunkt wird der mittelalterlichen Buch- und Bibliotheksgeschichte bis zur Renaissance und der Rezeption antiker Literatur im europäischen Mittelalter gelten. So werden die Tagungsvorträge sowohl für Bibliothekshistoriker als auch für Altertumswissenschaftler und Mediävisten aller Sparten, aber auch für die je eigenen Fachvertreter Neues enthalten, zumal das Thema Bibliothek, obwohl es zentrale Fragen des kulturellen Selbstverständnisses in allen behandelten Ländern berührt, zumindest in den altertumswissenschaftlichen Disziplinen bisher nicht zum Allgemeingut gehört.

Eine interdisziplinäre Zusammenkunft (samt folgender Buchveröffentlichung) in der vorgesehenen Zusammensetzung hat es im deutschsprachigen Raum bisher nicht gegeben. Die beteiligten Fachleu-te wird der intensive Austausch über gemeinsame oder unterschiedliche Aspekte des Themas berei-chern. Nicht minder werden sie von dem Kontakt mit den Bibliothekswissenschaftlern und Bibliotheka-ren profitieren, denen ihrerseits neuartige Perspektiven auf die historische Tiefendimension ihres Ge-genstandsbereichs eröffnet werden. Angesichts der bisher ungeahnten Chancen und Gefährdungen, denen die moderne Mediengesellschaft ausgesetzt ist, soll die Bedeutung der Tradition als Funda-ment und Korrektiv ins Bewusstsein gerückt werden.

Programm

Montag, 12. November

14.00 Uhr
Begrüßung: Helwig Schmidt-Glintzer (HAB)

Begrüßung und Einführung in das Thema: Wolfgang Schmitz (Köln)

14.30 Uhr
Stefan Maul (Heidelberg)
Altorientalische Tontafelbibliotheken in Privathäusern, Tempeln und Palästen

15.15 Uhr
Elke Blumenthal (Leipzig)
Privater Buchbesitz im pharaonischen Ägypten

16.00 Uhr
Kaffeepause

16.30 Uhr
Udo Rüterswörden (Bonn)
Erwägungen zur Textüberlieferung im Alten Israel

Dienstag, 13. November

09.00 Uhr
Carl Werner Müller (Saarbrücken)
Griechische Büchersammlungen und Bibliotheken vom 6. Jh. v. Chr. bis in hellenistische Zeit

09.45 Uhr
Angelika Zdiarsky (Wien)
Die Bibliothek von Alexandria im Spiegel der Papyri

10.30 Uhr
Kaffeepause

11.15 Uhr
Lilian Maul-Balensiefen (Heidelberg)
Zur Funktion und Bedeutung der Bibliotheken in römischen Thermenanlagen

12.00-14.00 Uhr
Mittagspause

14.00 Uhr
Stephen Emmel (Münster)
Koptische Bibliotheken und ihr Schicksal von der Spätantike bis in die moderne Zeit

14.45 Uhr
Gerhard Endreß (Bochum)
Neue Leser für alte Bücher: Lehrüberlieferung, Textüberlieferung und die Bewahrung des antiken Erbes in den Bibliotheken des arabisch-islamischen Kulturraumes

15.30 Uhr
Kaffeepause

16.00 Uhr
Peter Schreiner (Köln)
Aspekte der Tradierung der antiken griechischen Literatur in Byzanz

Mittwoch, 14. November

09.00 Uhr
Michele C. Ferrari (Erlangen)
„Manu hominibus predicare“. Cassiodors Vivarium im Zeitalter des Übergangs

09.45 Uhr
Hans-Walter Stork (Hamburg)
Autoren und Bibliotheken des Altertums im mittelalterlichen Bild

10.30 Uhr
Kaffeepause

11.00 Uhr
Armin Schlechter (Heidelberg)
Klassische lateinische Literatur in der Bibliotheca Palatina

11.45 Uhr
Schlussdiskussion und Abschluss

Führung durch die Bibliothek

Kontakt

Dr. Volker Bauer

Herzog August Bibliothek Postfach 1364 38299 Wolfenbüttel

bauer@hab.de


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