Soziale Sicherungssysteme und demographische Wechsellagen in historisch-vergleichender Perspektive: 16. bis 21. Jahrhundert

Soziale Sicherungssysteme und demographische Wechsellagen in historisch-vergleichender Perspektive: 16. bis 21. Jahrhundert

Veranstalter
Herbsttagung des Arbeitskreises Historische Demographie der Deutschen Gesellschaft für Demographie in Zusammenarbeit mit dem Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien
Veranstaltungsort
Universität Wien, Dr. Karl-Lueger-Ring 1, Hauptgebäude, Seminarraum Geschichte 1
Ort
Wien
Land
Austria
Vom - Bis
09.11.2007 - 10.11.2007
Website
Von
Sokoll, Thomas

Die gegenwärtige Diskussion über die Zukunft des sozialen Sicherung steht im Zeichen düsterer Prognosen. Die Überalterung der Gesellschaft durch die Verlängerung der Lebenserwartung und den wachsenden Trend zur Kinderlosigkeit führe, so heißt es, die Sozialversicherung über kurz oder lang in den Ruin und drohe in einen „Krieg der Generationen“ um immer knappere Ressourcen zu münden. Aus historischer Sicht sind solche katastrophischen Szenarien jedoch eher skeptisch zu beurteilen. Denn auch wenn ein hoher Altenanteil (Menschen über 60/Gesamtbevölkerung) von 20 Prozent und mehr eine neuartige Erfahrung ist, so war doch in früheren Jahrhunderten die demographische „Belastung“ der Gesellschaft schon durch den hohen Kinderanteil (unter 15 Jahren), der bis zu 35-40 Prozent betragen konnte (zum Vergleich: 15 Prozent im Jahre 2000), nicht geringer, sondern oft deutlich höher als heute (oder in seriös absehbarer Zukunft). Zudem hängt die ökonomische Tragfähigkeit einer Gesellschaft nicht nur von der Altersstruktur der Bevölkerung ab. Andere Faktoren wie Dauer des Schulbesuchs, Struktur des Arbeitsmarktes und Erwerbsbeteiligung von Frauen einerseits sowie Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme und Höhe der Transferleistungen andererseits scheinen mindestens ebenso wichtig zu sein.

Die Tagung soll dazu dienen, solche Fragen nach dem Wechselspiel von Bevölkerung, Beschäftigung und sozialer Sicherung in einer langfristigen und vergleichenden Perspektive zu diskutieren. Empirische Grundlage dafür werden zum einen die Datenreihen zur Bevölkerungsstruktur sein, die von der historisch-demographischen Forschung in den letzten Jahren ermittelt worden sind (und die für England und Frankreich bis ins 16./17. Jahrhundert zurück reichen). Zum anderen sollen auch die Ergebnissen neuerer Arbeiten zur Geschichte der Armenfürsorge und des Sozialstaats einbezogen werden. Die kritische Bestandsaufnahme der auf diesen Feldern erzielten Ergebnisse soll dazu beitragen, der gegenwärtigen Diskussion über die Zukunft der sozialen Sicherung ein solides historisches Fundament zu verschaffen und dadurch auch (hoffentlich) die politische Debatte zu versachlichen.

Tagungsorganisation: Thomas Sokoll
Gastgeber: Josef Ehmer
Leitung des Arbeitskreises: Georg Fertig und Rolf Gehrmann

Programm

Freitag, 09.11.2007

14.00 Eröffnung der Tagung: Buch-Präsentation
Elisabeth Dietrich-Daum, Die ‚Wiener Krankheit’. Eine Sozialgeschichte der Tuberkulose in Österreich, Wien/München: Oldenbourg 2007
Begrüßung durch den Vorstand des Instituts für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Prof. Franz Eder;
Vorstellung der Reihe „Wirtschafts- und sozialhistorische Studien“; Präsentation des Buchs durch die Autorin und die Leiterin des Oldenbourg Verlages, Dr. Ursula Huber; anschließend kleines Buffet des Verlags

15.00-16.30 Frühneuzeitliche Perspektiven (Leitung: Georg Fertig)

Justus Nipperdey (München): Bevölkerungstheorie und Idee der Armenfürsorge in der Frühen Neuzeit: Unterschiede und Übereinstimmungen der zeitgenössischen Gesellschaftsanalyse.

Thomas Sokoll (Hagen): Soziale Sicherung und demographische Wechsellagen: England seit dem 16. Jh.

16.30-16.45 Kaffeepause

16.45-18.15 Fallstudien zum 19. Jahrhundert (Leitung: Thomas Sokoll)

Georg Fertig (Münster): Lebenszyklus, Alterssparen und Familie in der liberalen Marktgesellschaft des 19. Jahrhunderts: ein ländliches Beispiel

Wilko Schröter (Wien): Soziale Sicherung durch familiale Altersversorgung in Wiener Haushalten des 19. Jahrhunderts

19.00 Abendessen

Samstag, 10.11.2007

09.00-11.15 Weichenstellungen im 20. Jahrhundert (Leitung: Josef Ehmer)

Verena Pawlowsky/Harald Wendelin (Wien): Kriegsbeschädigtenversorgung und Wohlfahrtsstaat: Österreich 1915-23

Markus Montz/Melanie Manthe (Hamburg): Vergangenheit und Zukunft sozialer Sicherungssysteme am Beispiel der Bundesknappschaft und ihrer Nachfolger

Maximilian Schochow (Leipzig): Das Gesetz zum Elterngeld – Kontinuitäten und Brüche bevölkerungspolitischer Deutungen

11.15-11.30 Kaffeepause

11.30-12.15 Historisch-demographische Datenbanken (Leitung: Rolf Gehrmann)

Gabriele Franzmann (Köln): Schaffung von forschungsfördernden Infrastrukturen für die His-torische Sozialforschung. Die Online-Datenbank HISTAT als Plattform für den Daten-Austausch zur Historischen Demographie

12.15 Mitgliedersitzung des AKHD (Leitung: Georg Fertig/Rolf Gehrmann))

13.00 Mittagessen/Ende der Tagung

Kontakt

Georg Fertig

Historisches Seminar der Universität
Domplatz 20-22, 48143 Münster

fertig@uni-muenster.de