Politische Korruption in historischer Perspektive

Politische Korruption in historischer Perspektive

Veranstalter
Universität Bielefeld/Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF); Sonderforschungsbereich 584 "Das Politische als Kommunikationsraum in der Geschichte"; Dr. Matthias Braasch, Niels Grüne M.A., Dr. Simona Slanicka, Prof. Dr. Andreas Suter
Veranstaltungsort
Universität Bielefeld, Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF), Wellenberg 1, 33615 Bielefeld
Ort
Bielefeld
Land
Deutschland
Vom - Bis
20.02.2008 - 22.02.2008
Von
Niels Grüne

Das Wort 'Korruption' ist aus der politischen Sprache der Gegenwart nicht mehr wegzudenken. Kein Vorwurf dürfte besser geeignet sein, den Ruf von Machtträgern und Beamten zu beschädigen. Kaum ein Problem wird stärker als innere Bedrohung demokratischer Systeme angesehen. Und keine Anschuldigung hinterlässt dunklere Flecken auf den weißen Westen von Managern und Wirtschaftsführern. In der Tat haben sich zuletzt die Medienberichte über Korruptionsaffären zu einer stattlichen Skandalchronik addiert.
Nicht erst seit der jüngsten Aufmerksamkeitswelle wird in vielen Sozialwissenschaften intensiv nach den Ursachen, Manifestationen und Folgen politischer Korruption geforscht. Ökonomen beschäftigen sich mit den Konsequenzen für die wirtschaftliche Ressourcenallokation. Soziologen und Sozialpsychologen fragen nach der Funktionsweise korrupter Beziehungsnetze. Politologen untersuchen deren Einfluss auf staatliche Entscheidungsprozesse. Daneben denken Juristen über wirksame strafrechtliche Präventions- und Sanktionsmittel nach. Auf eine gemeinsame Definition von 'Korruption' hat man sich angesichts dieser disziplinären Spezialisierung indes noch nicht einigen können.
Die Einbeziehung der Perspektive langfristigen Wandels fügt dieser Debatte eine wesentliche Problemdimension hinzu. Denn ungeachtet der bisher schwachen Entwicklung einer genuin historischen Korruptionsforschung deuten die wenigen einschlägigen Untersuchungen immerhin darauf hin, dass in vormodernen Gesellschaften ein weitaus ambivalenterer Begriff von jenen Normabweichungen existierte, denen wir heute ohne Zögern das Etikett 'Korruption' anheften würden. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangen manche ethnologischen Studien für außerwestliche Kulturen. Für ein tieferes Verständnis des Phänomens 'Korruption' und seiner diskursiven Grundlagen scheint es daher auch in den Sozialwissenschaften notwendig, die zeitliche und kulturelle Gebundenheit dieses Vorstellungskomplexes genauer zu berücksichtigen. Umgekehrt können geschichtliche Studien von den Theorien und Methoden der eher gegenwartsorientierten systematischen Nachbardisziplinen erheblich profitieren.
Zum Zweck eines solchen fächerübergreifenden Austausches findet vom 20. bis 22. Februar 2008 am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld eine Konferenz zum Thema „Politische Korruption in historischer Perspektive“ statt. Sie wird von den Lehrstühlen für Geschichte der Frühen Neuzeit und für Kriminologie und Strafrecht getragen und in Kooperation mit dem Bielefelder Sonderforschungsbereich „Das Politische als Kommunikationsraum in der Geschichte“ ausgerichtet. Die Tagung setzt sich zum Ziel, sozialwissenschaftliche Korruptionskonzepte historisch auszuloten und dadurch einen Dialog zwischen aktuellen soziologischen, politologischen, ökonomischen und juristischen Korruptionsanalysen einerseits und der historischen Korruptionsforschung andererseits in Gang zu bringen. Angestrebt werden damit eine interdisziplinäre Bündelung und Überprüfung sowie eine gemeinsame Neuformulierung von Korruptionsdefinitionen und -modellen. Die Beiträge der Tagung werden später als Sammelband einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Programm

Mittwoch, 20.02.08

14.30 Begrüßung (Geschäftsführender Direktor des ZiF Ipke Wachsmuth; Sprecher des SFB 584)
14.45 Einleitung (Organisatoren)

15.00-19.00 Sektion I
Konzeptionelle Orientierungen und theoretische Interpretationsansätze
Diskussionsleitung: Gerd Schwerhoff (Dresden)
Harald Bluhm (Halle-Wittenberg): Theorien politischer Korruption
Gerhard Anders (Zürich): Korruption im sozio-kulturellen Kontext: aktuelle rechtsethnologische Forschungsansätze
Dieter Haller (Bochum): Korruption im Kontext europäischer Wohlfahrtsstaatlichkeit – ethnologische Perspektiven
Peter Graeff (Bielefeld): Vertrauen und Normen als Erklärungsgründe für korrupte Transaktionen
Toon Kerkhoff (Leiden)/Pieter Wagenaar (Amsterdam): Conceptualizing corruption
Jens Ivo Engels (Freiburg): Korruption und Modernität. Thesen zur Signifikanz der Korruptionskommunikation in der westlichen Moderne

Donnerstag, 21.02.08

9.30-13.00 Sektion II
Sozialkapital und Systemfunktionalität: 'korrupte' Netzwerkressourcen?
Diskussionsleitung: Christian Windler (Bern)
Stefan Gorißen (Bielefeld): Korruption und merkantilistische Staatswirtschaft
Christiane Eifert (Bielefeld): Korruption und Geschlecht. Netzwerke, Vertrauen und Reputation bei deutschen Unternehmerinnen im 20. Jahrhundert
Uwe Walter (Bielefeld): Patronale Wohltaten oder kriminelle Mobilisierung? Sanktionen gegen unerlaubte Wahlwerbung im spätrepublikanischen Rom
Nicole Reinhardt (Lyon): Patronage als Element politischer Kultur: Definition – Probleme – Krisen
Heiko Droste (Stockholm): Korruption unter Freunden. Zur politischen Kultur der Frühen Neuzeit

14.30-18.30 Sektion III
Korruption als politisch-moralisches Argument: Vokabulare, Kritiken und Konflikte
Diskussionsleitung: Lars Behrisch (Bielefeld)
Karl Rennstich (Reutlingen): Theologische und religionshistorische Aspekte von Korruption
Simona Slanicka (Bielefeld): Korruption in der politischen Theorie des 16. Jahrhunderts
Sandra Maß (Bielefeld): Moderne Zahlungsmittel für Afrikaner? Geld und Korruption im deutschen Entwicklungshilfediskurs
Andreas Suter (Bielefeld): Korruption bei Bodin: die Pensionszahlungen Frankreichs
Niels Grüne (Bielefeld): Anfechtung und Legitimation. Überlegungen und Fallbeispiele zu einer vergleichenden Analyse politischer Korruptionsdebatten in der Frühen Neuzeit
Michel Hoenderboom (Amsterdam): 'Integrity or infamy?' Integrity in early-modern Dutch administration: the corruption scandal of Lodewijk Huygens, sheriff of Gorinchem

Freitag, 22.02.08

9.00-12.30 Sektion IV
Im Visier der dritten Gewalt: Aufklärung – Kriminalisierung – Prävention
Diskussionsleitung: Britta Bannenberg (Bielefeld)
Mathias Nell (Passau): Strategische Aspekte der Korruptionsbekämpfung: die strafmildernde Selbstanzeige
Matthias Braasch (Bielefeld): Überlegungen zur Angestelltenkorruption
Harald Schlüter (Bielefeld): Korruption und Recht in Deutschland
Joachim Stollberg (Bielefeld): Die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Organisierten Kriminalität und Korruption unter besonderer Berücksichtigung der Ausgangslage in der Russischen Föderation

12.45 Schlussdiskussion
Perspektiven der historischen und sozialwissenschaftlichen Korruptionsforschung

Kontakt

Trixi Valentin

Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF)/Tagungsbüro

+49 521 106 2769
+49 521 106 6024
trixi.valentin@uni-bielefeld.de

http://www.uni-bielefeld.de/ZIF/