"Ghettorenten" und historische Forschung

"Ghettorenten" und historische Forschung

Veranstalter
Institut für Zeitgeschichte München-Berlin
Veranstaltungsort
Institut für Zeitgeschichte, Leonrodstr. 46b, 80636 München
Ort
München
Land
Deutschland
Vom - Bis
09.04.2008 - 10.04.2008
Deadline
03.04.2008
Website
Von
Stephan Lehnstaedt, Institut für Zeitgeschichte

„Ghettorenten“ und historische Forschung
Tagung vom 9. bis 10. April 2008
im Institut für Zeitgeschichte, Leonrodstr. 46b, 80636 München

Im Jahr 2002 waren sich die Politiker im Bundestag fraktionsübergreifend einig, eine Gerechtigkeitslücke bei der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts zu schließen.
Sie verabschiedeten das „Gesetz zur Zahlbarmachung von Beschäftigungszeiten in einem Ghetto (ZRBG)“, mit dem die Arbeit in einem Ghetto als Rentenanspruchszeit anerkannt werden sollte, wenn sie aus „eigenem Willensentschluss aufgenommen“ und „gegen Entgelt ausgeübt“ worden war. Doch von insgesamt rund 70.000 Anträgen wurden von den Rentenversicherern nur etwa fünf Prozent positiv beschieden. Deshalb sind gegenwärtig tausende von Gerichtsverfahren anhängig. Strittig sind dabei oft die konkreten Umstände, unter denen die Antragsteller im Ghetto gearbeitet haben.

So beschäftigen die „Ghettorenten“ inzwischen nicht nur die Gerichte, sondern auch die zeithistorische Forschung, die mit ihrer Expertise entscheidend zur Rechtsfindung beiträgt. In Anbetracht der Probleme bei der Umsetzung des ZRBG hat die Bundesregierung zum 1. Oktober 2007 eine Anerkennungsleistung für Ghetto-Arbeit beschlossen. Sie ermöglicht eine Einmalzahlung von 2.000 Euro an all diejenigen ehemaligen Ghettoinsassen, die bisher keine Rente erhalten haben. Damit hat Deutschland den vorerst letzten Schritt bei der Wiedergutmachung getan.

Das Institut für Zeitgeschichte will in seiner interdisziplinären Tagung die mit dem ZRBG verbundenen Probleme ausloten und die historische Forschung mit der administrativen und juristischen Praxis ins Gespräch bringen. Dabei rückt die neueste Forschung zur nationalsozialistischen Judenverfolgung in Osteuropa ebenso in den Fokus wie die aktuelle Entwicklung der Wiedergutmachungspolitik und die Rechtsprechung der Sozialgerichte. Aus der Perspektive der Überlebenden spricht mit Noach Flug der Präsident des Internationalen Auschwitz Komitees und Vorsitzende der Organisation der Holocaust-Überlebenden in Israel.

Programm

Mittwoch, 9. April 2008, 14-18 Uhr
Begrüßung
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Horst Möller, Direktor des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin

Das „Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto“: Entstehung,
Anwendung, Probleme der Rechtsprechung.
Dr. Jan-Robert von Renesse, Richter am Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Vorstandsmitglied des Deutschen Sozialgerichtstags

Ghettos im Holocaust: Der Stand der historischen Forschung
PD Dr. Dieter Pohl, Institut für Zeitgeschichte München-Berlin

Arbeit und Zwang unter der NS-Herrschaft: Eine Typologie
Dr. Jürgen Zarusky, Institut für Zeitgeschichte München-Berlin

Arbeit, Lohn, Essen: Überlebensbedingungen im Ghetto
Dr. Andrea Löw, Institut für Zeitgeschichte München-Berlin

Abendvortrag (19 Uhr)
Die Erfahrung der Shoah und die bundesdeutsche Entschädigungspolitik
Noach Flug, Präsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Vorsitzender der Organisation der Holocaust-Überlebenden in Israel.

Donnerstag, 10. April 2008, 9:30-12:30 Uhr
Ghetto-„Bilder“: Historische Aussagen in Urteilen der Sozialgerichtsbarkeit
Dr. des. Stephan Lehnstaedt, Institut für Zeitgeschichte München-Berlin

Ghettorenten und Zwangsarbeiterentschädigung: Verfolgungsnarrative und juristische Logik
Prof. Dr. Constantin Goschler, Ruhr-Universität Bochum

Die Anerkennungsleistung für Ghettoarbeit im Kontext der Wiedergutmachtung
Ministerialrat Dr. Dirk Langner, Bundesministerium der Finanzen

Abschlussdiskussion
„Wiedergutmachung“, fünf vor zwölf: Gerechtigkeitslücken, Perzeptionsprobleme,
Forschungsdesiderate

Kontakt

Stephan Lehnstaedt

Institut für Zeitgeschichte

089 12688 155
089 12688 191
lehnstaedt@ifz-muenchen.de


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