Wendezeiten: 1968 und 1989
Mittwoch, 4. Juni 2008
17.00 Uhr
Anmeldung
17.30 Uhr
Eröffnungsvortrag
1968 & 1989 - Jahre, die die Welt veränderten
Karol Sauerland - Prof. für Literatur & Ästhetik, Warschau/Thorn, z. Zt. Kassel
18.30 Uhr
Auftaktpodium
1968 als politische Wendezeit
1968 ist zur Chiffre im kollektiven Gedächtnis besonders in den westlichen Staaten geworden. Sie wird, je nach Einstellung als eine demokratische Erneuerungsbewegung oder als eine Gefährdung bestehender Ordnungen interpretiert. Dabei waren die sie begleitenden gesellschaftlichen Umwälzungsprozesse ein weltweites Phänomen und entsprechend lagen ihr unterschiedliche Ursachen zugrunde.
Die Protestwellen, die die Gesellschaften weltweit erfassten, waren die Reaktion auf politische und gesellschaftliche Krisen- und Umbruchserscheinungen. Der Kalte Krieg hatte zwar ein Gleichgewicht des Schreckens garantiert, war aber als Ordnungssystem an ein Ende gekommen. Durch den Vietnamkrieg und die Niederschlagung des Prager Frühlings wurden die militärstrategischen und wirtschaftlichen Sackgassen, in die beide Großmächte geraten waren, offensichtlich. Paradoxerweise eröffnete das den Weg in eine neue Politik der gegenseitigen Annäherung. Damit änderten sich auch innerhalb der einzelnen Gesellschaften die politischen Wahrnehmungen. Im Westen richtete sich der Blick auf Alternativen, besonders mit marxistischer oder neomarxistischer Ausrichtung, während in Osteuropa Freiheitsbewegungen politische Spielräume forderten.
Zugleich formierten sich die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen als Protestbewegung. Sie verdanken ihre Bedeutung nicht nur ihrer unmittelbaren politischen Wirkung in den einzelnen Gesellschaften. In ihrem globalen Ausgreifen und in ihrer globalen Wahrnehmung sind sie das erste Ereignis „globaler Gleichzeitigkeit“.
mit
Tissy Bruns – Journalistin, Berlin
Joscha Schmierer – Publizist, Berlin
Bahman Nirumand – dt.-iran. Schriftsteller, Berlin
Christina Thürmer-Rohr – Prof. em. für Erziehungswissenschaft, Berlin
Moderation: Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin
20.30 Uhr
Empfang und Büffet
21.00 Uhr
Kulturprogramm
Donnerstag, 5. Juni 2008
09.00 Uhr
Anmeldung
09.30 Uhr
Vortrag und Diskussion
1968 als globales Ereignis
Norbert Frei – Prof. für Zeitgeschichte, Jena
Moderation: Marianne Zepp, Referentin, Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin
10.30 Uhr
Kaffeepause
10.45 Uhr
Panel I
Vor den Revolutionen
Modernisierungsblockaden und gesellschaftliche Aufbrüche
Nach der Stabilisierung der Nachkriegszeit erlebten die meisten westlichen Gesellschaften in den 1960er Jahren eine Krise, hervorgerufen durch die Widersprüche zwischen Modernisierungen und traditionellen sozialen Verhaltensweisen. Es entstanden innere Widersprüche zwischen wirtschaftlicher Prosperität und den gesellschaftlichen Zuständen, denen mit Forderungen nach neuen Freiheiten begegnet wurde. Es meldeten sich neue soziale Gruppen öffentlich zu Wort und entwickelten sowohl eine neue politische Agenda und als auch bisher nicht gekannte politische Ausdrucksformen. Systemübergreifend entstand eine neue Jugendkultur.
Die Abgrenzung der Nachkriegsgeneration von der Vätergeneration, der Bruch zwischen den Generationen, wie in Deutschland, verstärkte diese Proteste. Das Geschlechterverhältnis wurde durch die Frauenbewegung radikal in Frage gestellt.
Zugleich waren die Auswirkungen in West und Ost sehr unterschiedlich. Während in den meisten westlichen Staaten, allen voran in der Bundesrepublik und auch in Frankreich und den USA die Folgen als eine kulturellen und politische Umgründung des republikanischen Gedankens interpretiert wurden, bedeutete die Niederschlagung der demokratischen Bemühungen für Bevölkerungen die osteuropäischen Länder eine herbe Niederlage.
Erst der Zusammenbruch des kommunistischen Machtbereiches ab 1989 eröffnete eine neue Perspektive auf Veränderungen.
Darüber hinaus markierten die Jugendrevolten den Beginn einer globalen Veränderungsprozesses von Öffentlichkeit. Es bedeutete die Erweiterung des öffentlichen Raums für gesellschaftliche Gruppen jenseits der etablierten Institutionen.
mit
Wolfgang Templin – Publizist, Berlin
Norbert Frei – Prof. für Zeitgeschichte, Jena
Klaus Meschkat – Prof. em. für Soziologe, Hannover
Gary Smith (angefr.) – Direktor der American Academy, Berlin
Moderation: Marianne Zepp, Referentin, Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin
13.00 Uhr
Mittagessen
14.30 Uhr
Panel II
Nach den Revolutionen
Rückkehr zur Ordnung – Systemstabilisierungen 1968 und 1989
Die verstärkte Repression nach 1968 in den Ländern des Ostblocks steht im Gegensatz zu den gelungenen Systemveränderungen nach 1989. Was unterscheidet die Situation 1968 von der 1989 und in welcher Weise wirkte der Aufbruch 1968 als Vorbereitung auf den Systemwechsel zu Beginn der 1990er Jahre? Welche langfristig wirkenden Folgen hatten die Forderungen nach Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit, individueller Entfaltung? Welche Auswirkungen hatte die Detentepolitik?
Es bildeten sich Parallelgesellschaften, die die Unterscheidung von Öffentlichem und Privatem in kulturellen und politischen Undergrounds verwischen: welche längerfristigen Veränderungen bewirkten sie in den Gesellschaften Ost- und Ostmitteleuropas? Welche Bindekraft entwickelten soziale Ordnungen, von welchen Bedingungen waren sie abhängig? Wie wurden utopische und reformpolitische Forderungen institutionell beantwortet?
mit
Karol Sauerland – Prof. für Literatur & Ästhetik, Warschau/Thorn, z. Zt. Kassel
Alena Wagnerova – Schriftstellerin, Saarbrücken/Prag
Dorothee Wierling – Prof. für Zeitgeschichte, Hamburg
Katharina Rutschky (angefr.) – Publizistin, Berlin
Moderation: Bastian Hermisson, Referent, Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin
17.00 Uhr
Kaffeepause
17.30 Uhr
Abschlusspodium
Mythos 1968?!
Deutungsmuster heute
Der revolutionäre Umsturz, den sich die linken Gruppierungen erhofften, fand nicht statt. Es war vielmehr eine „glücklich gescheiterte Revolution“ (C. Leggewie), deren Wirkung in längerfristigen gesellschaftlichen Paradigmen-wechseln hin zu größeren privaten und gesellschaftlichen Freiräumen lag. Doch seit wann bahnten sich diese Wechsel an und wo lagen ihre historischen und inhaltlichen Anknüpfungspunkte?
Wenngleich kein Umsturz so markiert 1968 doch einen Bruch, den nicht nur die Beteiligten inszenierten und als biographische Erzählung weitergeben, sondern auch in die Erzählung der Nachkriegsepoche integriert ist. Allerdings ist die Deutung der damaligen Ereignisse und Aufbruchsprozesse nach wie vor höchst umstritten: War 1968 das Projekt einer Generation und bleibt seine Wirkungsgeschichte nur auf diese beschränkt, wie einige jüngere Autoren behaupten? Oder lässt sich das Erbe der propagierten alternativen Gesellschaftsentwürfe auch heute noch finden?
1968 brachte einen neuen moralischen Anspruch in die Politik und weltweite Standards zum Umgang mit Menschenrechten und mit politischen Rechten wurden gesetzt. Wie sind die längerfristigen Wirkungen dieses Anspruches zu bewerten? Wie sehen die Deutungen heute aus und was sagen sie über das Selbstverständnis der einzelnen Länder aus?
Welche einschneidenden Veränderungen hat 1968 in den internationalen Beziehungen bewirkt: innerhalb des in Blöcken geteilten Europas, im transatlantischen Verhältnis, und auf der globalen Ebene? Wäre die Wende 1989 mit ihren einschneidenden Systemveränderungen ohne das Modell 1968 überhaupt denkbar gewesen? Welcher Begriff von (politischer) Freiheit lag beiden gesellschaftlichen Bewegungen zugrunde?
mit
Dany Cohn-Bendit – MdEP, Brüssel
Ralf Fücks – Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin
Tanja Dückers – Schriftstellerin und Literaturwissenschaftlerin, Berlin
Antonia Grunenberg – Leiterin des Hannah-Arendt-Zentrum, Oldenburg
Moderation: Franziska Augstein, Journalistin, München
20.00 Uhr
Ende der Veranstaltung