Krisen, Kriege und Konflikte in Südasien

Krisen, Kriege und Konflikte in Südasien

Veranstalter
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (Südasien-Institut) Bergische Universität Wuppertal (Historisches Seminar)
Ort
Wuppertal / Heidelberg
Land
Deutschland
Vom - Bis
15.08.2008 -
Von
Rüdiger von Dehn/ Sebastian Buciak

„Indien ist nur ein geographischer Ausdruck […] es ist so wenig ein Land, wie der Äquator“ – so seinerzeit die abfällige Bemerkung des Kriegspremiers und britischen Nationalhelden Winston Churchill über den Kontinent, der als eine, wenn nicht sogar als die kulturelle Wiege Südasiens gilt. Der Blick auf die Karte zeigt, dass der indische Subkontinent tatsächlich als geographischer Terminus gelten kann, da mit ihm das Zentrum Südasiens beschrieben wird – also die Region, die vom Arabischen Meer im Westen, dem Golf von Bengalen im Osten und schließlich den Höhenzügen des Himalajas im Norden begrenzt wird. Über Jahrhunderte hinweg entstand in diesen Breitengraden ein facettenreicher Kulturraum, der durch Einwanderungswellen aus dem Nordwesten, durch den Buddhismus und Islam und schließlich durch die über Dekaden währende europäische Vorherrschaft unter portugiesischen und englischen Bannern geprägt wurde. Englands Krone sollte ab 1813 zum Symbol eines wenig friedlichen Zeitalters in Südasien werden, das mit der Gründung Indiens und Pakistans in den Jahren 1948/49 in eine neue Ära überführt wurde. Südasien war dabei, zu sich selbst zu finden und eine ganz eigene Identität auf politischem wie auch wirtschaftlichem Sektor zu schaffen. Einfach würde es für die jungen Nationen nicht werden, die nunmehr die Schwelle zur Eigenständigkeit überschritten hatten und mit Stolz in die Zukunft blickten.
Die künstlichen Konstrukte europäischer Machtausübung waren in sich zusammengefallen und hinterließen an den verschiedensten Stellen das eine oder andere politische Vakuum. Platz boten diese für Akteure in einer neuen Weltkrise, die sich ab 1945 entwickelte – gemeint ist der Ost-West-Konflikt und die Konfrontation der ideologischen Blöcke, geführt durch die Mächtigen in Washington D.C. und die Verantwortlichen des Kremls in Moskau. Es konnte nur genehm sein, wenn es schnell gelang, die jungen Staaten in Südasien in die eigenen politisch-geographischen Herrschaftsräume mit einzubinden, was nicht immer gelingen sollte. Ein neues Gefühl der Souveränität und Selbstbestimmung sorgte dafür, dass sich ein Teil eben dieser neuen Staaten zu distanzieren versuchte – man gab sich blockfrei. Faktisch half die betonte Neutralität aber nicht darüber hinweg, dass man sich einer neuen Zeit der Krisen und Konflikte gegenüber sah. Auszufechten waren diese in den eigenen Grenzen oder aber auf dem Schlachtfeld gegen die unmittelbaren Nachbarn. Es galt, Kurs zu halten im heranziehenden Gewitter des „Kalten Krieges“, das sich in den nächsten Jahrzehnten immer wieder über Indien entladen sollte.
Die vergangenen zweihundert Jahre hatten bereits gezeigt, dass das Land mehr war als nur ein geographischer Ausdruck. Nach den anfänglichen politischen Gehversuchen der ersten zwanzig Jahre standen 1962 die dritten allgemeinen Wahlen im Land an, die von einem Krieg gegen China überschattet wurden. Keine drei Jahre waren vergangen, als ein neuerlicher Waffengang gegen Pakistan zu führen war. Bereits 1971 drohte der immer wieder aufflammende Konflikt zu einer Weltkrise zu werden, nachdem die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten von Amerika den Gang der Dinge im sich konstituierenden Bangladesh, einst Ostpakistan, zu beeinflussen hofften.
In den Grenzen des babylonischen Sprachgewirrs des Subkontinents schien das Auskommen der unterschiedlichen Bevölkerungsschichten und gesellschaftlichen Gruppen nicht minder problematisch zu sein. Notstandsgesetzgebungen, Korruptionsvorwürfe bei der Beschaffung von Geschützen aus Schweden und Unzulässigkeiten im Wahlkampf der in sich zerrissenen Parteienlandschaft waren an der Tagesordnung. Eingerahmt wurde dies zudem vom ewig schwelenden Religionskrieg zwischen Muslimen und Hindus, der 1993 einmal mehr wieder mit Bomben in den Herzen der Großstädte – wie Bombay – ausgetragen wurde. Längst hatte sich die der Milliardengrenze nähernde Bevölkerung Indiens im Alltag an die Gewalt gewöhnt, die in den Tälern und auf den Höhen Kaschmirs immer wieder offen ausgebrochen war.
Vor diesem Schleier der politischen Instabilität und der Unsicherheit hatte Indien die Schwelle hin zum Dasein als Nuklearmacht überschritten. Vergessen schienen damit die Zeiten, in denen die auf dem Subkontinent lebenden Menschen ein Spielball auswärtiger Mächte gewesen waren. Aus den größten Schwierigkeiten, mit denen eine junge Nation zu kämpfen hatte, war bis zum Anbeginn des 21. Jahrhunderts eine Regionalmacht geworden, die für die eigenen Interessen national wie auch international einzustehen bereit war. Effektiv war aber in Südasien endgültig ein Staat entstanden, von dem es alsbald immer wieder heißen sollte, dass er eine der kommenden Supermächte werden muss: es war Indien – entstanden aus einer Vielzahl von Krisen, Kriegen und Konflikten.

Mit diesem Projekt stellen wir uns einer besonderen Herausforderung: wir haben uns dem Ziel verpflichtet, Interdisziplinarität, Völkerverständigung und den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern. Das Projekt "Kriege, Krisen und Konflikte in Südasien" eröffnet auf zweierlei Weise eine neue Sicht auf die historisch-politische Entwicklung in diesen Breitengraden:
Zum einen soll der reiche Sachverstand von erfahrenen Wissenschaftlern und Fachleuten zum Zuge kommen und zum anderen soll dieser Erfahrungsschatz ein Leitmotiv für die zahlreichen Nachwuchswissenschaftler darstellen, die sich am Projekt beteiligen.
Ihre Gedanken und Ideen zu lancieren und der breiten Öffentlichkeit zur Diskussion zu stellen ist unsere Aufgabe, der wir uns verpflichtet fühlen.
Ausgeschlossen ist, dass nur eine Fachwissenschaft es zu schaffen vermag, eine Antwort auf all die wichtigen Fragen zu geben, die in diesem Werk zu finden sein werden. In enger Kooperation zahlreicher Wissenschaftler, Experten und Jungakademiker werden Schlaglichter auf die politische Landschaft Südasiens geworfen:
Im Alltag der Sicherheitspolitik – sei es im zivilen oder militärischen Bereich –, auf der Ebene der Wirtschaft und schließlich in den Reihen derer, die sich verantwortlich für die politische Bildung nachwachsender Generationen zeichnen, muss ein neues Bewusstsein für die Bedeutung Indiens als südasiatische Großmacht geschaffen werden.
Nur wer die Stärken und die Schwächen seines Partners kennt und zu
deuten weiß ist letztlich in der Lage, neue Krisen, Kriege und Konflikte in einer sich fortwährend vernetzenden Welt zu vermeiden. Es ist nicht mehr die Zeit, sich seine Informationen aus langen Geschichtsreihenwerken zu beziehen, wenn es am Anbeginn des 21. Jahrhunderts erforderlich ist, einen Überblick über Politik und Mentalität einer Region zu bekommen, die nur wenige wirklich
kennen.
Wir laden deshalb alle Fachkollegen, Interessierte und Experten recht
herzlich dazu ein, sich am Projekt zu beteiligen. Ein erster einzureichender Abstract sollte den Umfang von zwei Seiten nicht überschreiten. Der eigentliche Beitrag wäre dann schließlich in einer Größenordnung von bis zu 20 Seiten angesiedelt.

Programm

Kontakt

Rüdiger von Dehn

Bergische Universität Wuppertal Gauss Str. 20 42097 Wupperta

von.dehn@t-online.de

http://www.suedasien.sicherheitspolitik.org/
Redaktion
Veröffentlicht am
03.07.2008
Klassifikation
Region(en)
Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Englisch, Deutsch
Sprache der Ankündigung