Tagungsorganisation: Karin Priem (Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd), Rita Casale (Universität Zürich), Gudrun M. König (Technische Universität Dortmund)
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Die bildungshistorische Erforschung der „Materialität der Erziehung“ führt zu einer Wiederentdeckung der Werkstatt der Erziehung und zu jenen Gegenständen, denen eine erzieherische Absicht oder Wirkung innewohnt bzw. zugeschrieben wird.
Dinge haben in der Geschichte der Pädagogik und in der pädagogischen Anthropologie immer wieder eine wichtige Rolle gespielt: Rousseau spricht in seinem „Emile“ (1762) davon, dass die Dinge „durch die Erfahrung, die wir damit machen“ und durch die „Anschauung“ erziehen. Walter Benjamin (1950) zufolge, wohnen Orten und Gegenständen Kräfte inne, die Erfahrung prägen. Eindrucksvoll beschrieben hat er dies in seiner „Berliner Kindheit um Neunzehnhundert“. In eine ähnliche Richtung weist Langevelds Überlegung über den „Appell der Dinge“. In seinen „Studien zur Anthropologie des Kindes“ (1956) greift er den Begriff „Dingeigenschaften“ auf und betont, dass Dinge mit einem „Aufforderungscharakter“ dem Menschen verbunden sind. Klaus Mollenhauer (1987) hat die bildungstheoretische Bedeutung von Dingen hervorgehoben. Neben Form, Funktion und Bedeutung, die auch in der kulturwissenschaftlichen Dingforschung eine zentrale Rolle spielen, nennt Mollenhauer einen weiteren Aspekt der Dinganalyse: Dinge sind für ihn „Wahrnehmungsinhalte“, die eine „Spur im Organismus“ hinterlassen. Auch Käte Meyer-Drawe (1999) räumt den Dingen eine „unser Wahrnehmen, Sprechen, Handeln und Denken“ evozierende Wirkung ein. Pierre Bourdieu (1979) weist aus kultursoziologischer Sicht in eine ähnliche Richtung: Dinge sind ihm zufolge Mittel der Herstellung von sozialer Differenz, sie kennzeichnen unsere Position im sozialen Raum und prägen unseren Habitus. In Bruno Latours „Versuch einer symmetrischen Anthropologie“ (1991) finden wir einen Weg aufgezeigt, wie die Welt des Objekthaften mit der Welt des Sozialen erkenntnistheoretisch wieder zu verbinden wäre. Die Reihe ließe sich fortsetzen, so zum Beispiel mit Michel Foucault (1975) und der Frage nach dem Zusammenhang von Objekten, Techniken und Körperdisziplinierung, literaturwissenschaftlich durch einen Hinweis auf den von Hans Ulrich Gumbrecht und K. Ludwig Pfeiffer herausgegebenen Sammelband „Materialität der Kommunikation“ (1988) oder psychologisch im Hinblick auf Friedrich Wolfram Heubachs „Das bedingte Leben“ (1987).
In der Bildungsgeschichte wurde das Thema „Materialität der Erziehung“ in jüngster Zeit vielfältig aufgegriffen: Dazu gehören u. a. Arbeiten zu Form und Funktion von Schulbauten und deren Möblierung, zur Produktion und Konsumgeschichte von Spielwaren oder zum Design von speziellen Objekten und Nahrungsmitteln für Kinder.
Dinge, Objekte und Geräte als Grundstoff der Kulturanalyse offerieren Zugangsweisen zu einer Kulturgeschichte des Sozialen. Insgesamt ist damit eine Hinwendung zur historischen Anthropologie sowie zu einer kulturgeschichtlich erweiterten Erforschung erzieherischer sowie sozial-distinktiver Prozesse verbunden wie sie in der Alltags- und Mentalitätsgeschichte bereits angestoßen wurden. Aus bildungs- und erziehungshistorischer Sicht eröffnet sich damit ein weites Spektrum an Themen, das über die oben bereits erwähnten Forschungsgegenstände weit hinaus geht. Dazu gehört zum Beispiel die Frage nach der Bedeutung von Erinnerungsgegenständen in der autobiographischen Reflexion, die kulturgeschichtliche Analyse diätetischer Regeln, der Werkzeuge und Instrumente der Kultivierung des Körpers, die Erforschung von Möbeln und Kleidungsstücken als Bedeutungsträger (so zum Beispiel als Zeichen generationaler und sozialer Zugehörigkeit) sowie Mittel der Disziplinierung, die Analyse didaktischer Materialien und der versammelten Dinge einer musealen Repräsentation von Erziehungs- und Bildungsprozessen.
Erwartet werden Beiträge zu folgenden Schwerpunkten:
Dinge als verlängerter Arm der Erziehung: Kultivierung des Körpers und soziale Distinktion durch die gegenständliche Welt
- Esskultur: Nahrungsmittel und Mahlzeiten
- Geräte: Schreib- und Malwerkzeuge, Lineale etc.
- Bücher, Bilder, Musikinstrumente u. andere Gegenstände der Bildung
- Kleidung (z. B. Schüler u. Lehrer)
- Möbel und Architektur pädagogischer Institutionen
- Dinge als Erziehungsgehilfen: strafende u. belohnende Objekte, Spielzeug
Dinge als biografische Objekte: Erinnerungsgegenstände und Bedeutungsträger
- Dinge in Autobiographien
- Die Dingwelt in Familien-, Kinder- und Jugendportraits
- Dinge in (Amateur-) Filmen über das Aufwachsen von Kindern
Die Musealisierung der Pädagogik: Repräsentationen der materiellen Kultur der Erziehung
- Lehrsammlungen
- Schulmuseen
- Dioramen und Modelle
- Museumsdinge als pädagogische Objekte
Vorschläge werden bis 28. November 2008 einschließlich eines etwa halbseitigen Exposés an eine der folgenden Adressen erbeten:
Dr. Rita Casale, Pädagogisches Institut, Universität Zürich, Freie Strasse 36, CH-8032 Zürich, rcasale@paed.uzh.ch
Prof. Dr. Gudrun M. König, Institut für Kunst u. Materielle Kultur, TU Dortmund, Emil-Figge-Str. 50, D-44227 Dortmund, gudrun.koenig@tu-dortmund.de
Prof. Dr. Karin Priem, Institut für Erziehungswissenschaft, PH Schwäbisch Gmünd, Oberbettringer Str. 200, D-73525 Schwäbisch Gmünd, karin.priem@ph-gmuend.de
Eine Benachrichtigung über Annahme oder Ablehnung eines Beitrages erfolgt ca. Ende Mai 2009.
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Call for Papers for the 2009 Annual Conference of the History of Education Section of the German Association of Educational Science
Dates: September 21-23, 2009
Venue: Archives of German Literature, Marbach
Conference Organizers: Karin Priem (University of Education, Schwäbisch Gmünd), Rita Casale (University of Zurich), Gudrun M. König (TU Dortmund University)
The Materiality of Education: On the Cultural and Social History of Paedagogical Objects
The historical research on the “materiality of education” has led to a rediscovery of the “laboratory” of education and to those objects that possess or are said to possess educational purpose or effect.
In the history of education and in pedagogical anthropology, things have consistently played an important role. In Emile (1762), Rousseau wrote that things educate us by “what we gain by our experience of our surroundings” and by means of perception. According to Walter Benjamin (1950), the forces inherent in places and objects shape and define our experience, which he described impressively in his Berlin Childhood around 1900. Langeveld (1956) points in a similar direction with his comments on the “stimulative nature of things.” In his Studien zur Anthropologie des Kindes (Studies on the Anthropology of the Child), he uses the term “thing characteristics” and emphasizes that people feel a strong connection to objects with a “stimulative nature.” Klaus Mollenhauer (1987) has emphasized the significance of things for pedagogical theory. Apart from form, function and meaning, which also play a key role in the cultural studies research on things, Mollenhauer mentions another aspect of thing analysis: for him, things are “perceptual contents” that leave a “trace in one’s organism.” Käte Meyer-Drawe (1999), too, argues that things evoke “our ways of perceiving, talking, acting and thinking.” From a cultural sociologist’s perspective, Pierre Bourdieu (1979) points in a similar direction: in his view, things are means of producing social difference; they mark our position in social space and determine our habitus. In his “essay in symmetrical anthropology,” Bruno Latour (1991) delineates a way to reconnect the object world with the social world epistemologically. There are many other examples, such as Michel Foucault (1975) on the question of the connection between objects, technologies and bodily discipline, and, in literary studies, an anthology on the Materiality of Communications, edited by Hans Ulrich Gumbrecht and K. Ludwig Pfeiffer (1988). Friedrich Wolfram Heubach’s Das bedingte Leben (The Conditional Life) (1987) takes a psychological approach to this subject.
In the history of education, the subject of the “materiality of education” has recently been considered from a variety of perspectives, including studies on the form and function of school buildings and their furnishings on the production of and consumption history of toys and on the design of special objects and foods for children. Things, objects and instruments as basic materials of cultural analysis offer approaches to a cultural history of the social sphere. All in all, these approaches mark a turn to historical anthropology and to a cultural history of pedagogical processes and processes of social distinction, as has already been initiated in the history of everyday life and the history of mentalities. From the perspective of educational and pedagogical history, these approaches open up a wide range of themes that go far beyond the above-mentioned examples. These include, for example, the meaning of mementoes in autobiographical reflection, the importance of dietary rules and the tools and instruments for cultivating the body, the role of furniture and clothes as conveyors of meaning (e.g. as signs of generational and social belonging) and means of disciplining, and the centrality of didactic materials and museum exhibits for educational processes.
We would like to receive papers on the following topics:
Things as an extension of education: cultivation of the body and social distinction through objects
- Food culture: foods and meals
- Tools: writing and painting utensils, rulers, etc.
- Books, pictures, musical instruments and other educational materials
- Clothes (e.g. student and teacher)
- Furniture and architecture of educational institutions
- Things as educational helpers: punishing and rewarding objects, toys
Things as biographical objects: mementoes and conveyors of meaning
- Things in autobiographies
- Things in the family, such as children and teen portraits
- Things in (amateur) films on children growing up
The musealization of pedagogy: representations of the material culture of education
- Teaching collections
- School museums
- Dioramas and models
- Museum exhibits as pedagogical objects
Please submit a half-page abstract to one of the following addresses no later than November 28, 2008:
Dr. Rita Casale, Pädagogisches Institut, Universität Zürich, Freie Strasse 36, CH-8032 Zürich, rcasale@paed.uzh.ch
Prof. Dr. Gudrun M. König, Institut für Kunst u. Materielle Kultur, TU Dortmund University, Emil-Figge-Str. 50, D-44227 Dortmund, gudrun.koenig@tu-dortmund.de
Prof. Dr. Karin Priem, Institut für Erziehungswissenschaft, PH Schwäbisch Gmünd Oberbettringer Str. 200, D-73525 Schwäbisch Gmünd, karin.priem@ph-gmuend.de
Notification of acceptance or rejection will be sent out in late May 2009.