Lebensphilosophie und Philosophische Anthropologie

Lebensphilosophie und Philosophische Anthropologie

Veranstalter
Helmuth Plessner Gesellschaft in Kooperation mit dem Institut für Philosophie der TU Dresden und dem Arbeitskreis Philosophische Anthropologie und Soziologie in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie
Veranstaltungsort
Technische Universität, Zellescher Weg 17, A 253
Ort
Dresden
Land
Deutschland
Vom - Bis
20.11.2008 - 22.11.2008
Von
Heike Delitz / Matthias Schlossberger

Lebensphilosophie und Philosophische Anthropologie
2. Plessner Workshop

Idee

Die Philosophische Anthropologie versteht sich bei Max Scheler und insbesondere Helmuth Plessner als Denkansatz der „Entzauberung“ der Lebensphilosophie. Max Scheler will den Geist zwar im Lebenszusammenhang, aber nicht selbst als „Leben“ begreifen; und Helmuth Plessner wird sich sowohl in der Anlage seiner Philosophischen Anthropologie als auch in seiner Wissenssoziologie explizit gegen die ‚Herabsenkung‘ des Geistes auf das Niveau des Lebens wenden.
Nicht zu verkennen ist dabei, dass die Philosophische Anthropologie – der spezifische Ansatz im Denken des Menschen, der am menschlichen Körper und seiner relativen sensomotorischen Unspezialisiertheit im kontrastiven Vergleich zum Tier ansetzt, und damit von einer „Sonderstellung“ des Menschen im Lebendigen ausgeht – der Lebensphilosophie viel verdankt: dem Denken der Vitalität im Menschen und zugleich einer eigendynamischen, nicht im „Kampf ums Dasein“ aufgehenden schöpferischen Vielfalt des Lebens insgesamt. Gemeinsames Kennzeichen der divergenten lebensphilosophischen Ansätze ist die Kritik an mechanistischen Vorstellungen des Lebens sowie an der Reduktion des (menschlichen) Lebens auf „Nützlichkeit“ und Rationalität. Insbesondere Plessners raffinierte Philosophische Anthropologie („ezxentrische Positionalität“), die auch eine historische Anthropologie enthält („homo absconditus“) formuliert die Denkmotive Diltheys, Nietzsches und Bergsons noch einmal neu. Und Arnold Gehlen wird im Denken des Menschen als eines „antriebsüberschüssigen“ Lebewesens vielleicht am unvoreingenommensten gegenüber der als „spekulativ“ und „irrationalistisch“ verstandenen Lebensphilosophie (Plessner) sein, indem er explizit das nietzscheanische und bergsonianische Denkmotiv des „Mehr-Lebens“ des „nicht festgestellten Tieres“ in seine Theorie des Menschen aufnimmt. Im Rückgriff der Philosophischen Anthropologie auf Denkfiguren des Lebens spielen andererseits auch die Biophilosophien eine wichtige Rolle, insbesondere der „Neovitalismus“ Hans Drieschs und die vitalistische Biologie Jakob von Uexkülls.
Der Workshop unternimmt zunächst, die vielfältigen theoriegeschichtlichen Bezüge der Philosophischen Anthropologie (Scheler, Plessner, Gehlen, Rothacker, Portmann u.a.) zum lebensphilosophischen Denken erstmals oder neu zu rekonstruieren: und zwar der gesamten Spannweite dieses Denkens, einerseits der Philosophie des organischen Lebens (v.a. Bergson), andererseits der Philosophie des geschichtlichen Lebens (v.a. Dilthey), und dazwischen des Vitalismus des „nicht festgestellten Tieres“ (v.a. Nietzsche). Andererseits bietet es sich an, systematische Fragen zu stellen, etwa nach der Gemeinsamkeit und Differenz lebensphilosophischen und philosophisch-anthropologischen Denkens überhaupt. Nicht zuletzt könnte es sich – angesichts der weltweit Resonanz erzeugenden Revitalisierung des Bergsonismus durch Gilles Deleuze – lohnen, die lebensphilosophischen Ansätze in ihrem eigenen Denken des Menschen ernst zu nehmen: in der Suche nach Argumentationen, die es ermöglichen könnten, ‚die‘ Lebensphilosophie gegenüber dem Pauschalverdacht des Irrationalismus, der Geistfeindschaft und Vernunftzerstörung – der auf manche Vertreter der Lebensphilosophie ohne Frage zutrifft – stärker in sich zu differenzieren und damit erneut anschlussfähig zu machen.

Programm

Programm

Donnerstag

19.00 Thomas Rentsch, Heike Delitz und Matthias Schloßberger:
Einführung

19.30 Prof. Dr. Michael Großheim (Rostock): Was heißt „Leben“ in der Lebensphilosophie? Exemplarische Erkundungen

Freitag

I Grundfiguren und Kritik der Lebensphilosophie

9.00-9.50 Henrike Lerch (Wuppertal): Der Begriff des Lebens in Diltheys Grundlegung der Geisteswissenschaften
(Kommentar: Prof. Dr. Hans-Ulrich Lessing, Bochum)

9.50-10.40 Heike Delitz (Dresden): Bergsons Philosophische Anthropologie
(Kommentar: Dr. Gregor Fitzi, Florenz)

11.00-11.50 Christoph Binkelmann (Berlin): Fichtes Begriff des Lebens und die Philosophische Anthropologie
(Kommentar: Christoph Schickhardt, Düsseldorf)

11.50-12.40 Dr. Eike Bohlken (Tübingen): Rickert und die Lebensphilosophie
(Kommentar: Dr. Matthias Schlossberger, Potsdam)

II Kritik und Aktualität der Lebensphilosophie

14.00-14.50 Alexis Dirakis (Potsdam/Berlin): Nietzsche und die Philosophische Anthropologie (Kommentar: Dr. Marco Russo, Neapel/Salerno, Italien)

14.50-15.40 Dr. Martina Roesner (Paris): Husserls und Natorps transzendentaler Lebensbegriff
(Kommentar: Prof. Dr. Thomas Rentsch, Dresden)

16.00-16.50 Dr. Kerstin Andermann (Weimar): Kräftedifferenzen. Nietzsches Wille zur Macht und die Differenzphilosophie bei Deleuze
(Kommentar: Dr. Christoph Henning, St. Gallen)

16.50-17.40 PD Dr. Marc Rölli (Darmstadt): Die Konstruktion der Lebensphilosophie bei Scheler und Plessner
(Kommentar: HD Dr. Volker Schürmann, Bremen)

20.00 Mitgliederversammlung der Helmuth Plessner Gesellschaft

Sonnabend

III Lebensphilosophische Motive in der Philosophischen Anthropologie

9.00-9.50 Robert Seyfert (Konstanz): Driesch und die vitalistische Differenzphilosophie
(Kommentar: Dr. Joachim Fischer, Dresden)

9.50-10.40 Dr. Matthias Wunsch (Wuppertal): Lebensphilosophische Grundlagen der Philosophischen Anthropologie Plessners
(Kommentar: Dr. Olivia Mitscherlich, St. Gallen)

11.00-11.50 Prof. Dr. Andreas G. Stascheit: Lebensphilosophische und philosophisch-anthropologische Ausdruckstheorie (Bergson/Plessner)
(Kommentar: Apl. Prof. Dr. Christian Bermes, Trier)

11.50-12.40 Dr. Francesco Gregorio (Lausanne): Gehlen und die Lebensphilosophie
(Kommentar: Prof. Dr. Karl-Siegbert Rehberg, Dresden)

IV Erschließungskraft und Grenzen der lebensphilosophischen Motive in der Ph.A.

14.00-14.50 Dr. Olivier Agard (Paris): Lebensphilosophie. Politisches bei Bergson und Scheler
(Kommentar: Dr. Norbert Axel Richter, Berlin)

14.50-15.40 Line R. Ingerslev (Kopenhagen): Plessners Sicht auf die politische Wirkung der Lebensphilosophie
(Kommentar: Prof. Dr. Christian Illies, Bamberg)

16.00-16.50 Thomas Ebke (Berlin/Potsdam): Plessner und Canguilhem
(Kommentar: Prof. Dr. Wolfgang Eßbach, Freiburg)

16.50-17.40 Dr. Daniel Suber (Konstanz): Lebensphilosophische Grundlagen der Wissenssoziologie Schelers und Mannheims
(Kommentar: Dr. Amalia Barboza, Frankfurt/M.)

Kontakt

Heike Delitz
TU Dresden, Institut für Soziologie
01062 Dresden
Heike.Delitz@tu-dresden.de

Matthias Schlossberger
Universität Potsdam
Institut für Philosophie
schloss@rz.uni-potsdam.de

http://www.tu-dresden.de/phfis/Phil%20A/Lebensphilosophie.html
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Deutsch
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