Sport und Gesellschaft in den böhmischen Ländern/ in der Tschechoslowakei

Sport und Gesellschaft in den böhmischen Ländern/ in der Tschechoslowakei

Veranstalter
Historische Kommission für die böhmischen Länder e.V.
Veranstaltungsort
Brücke-Most-Stiftung
Ort
Dresden
Land
Deutschland
Vom - Bis
24.04.2009 - 26.04.2009
Deadline
15.12.2008
Von
Dr. Robert Luft, Collegium Carolinum, München

Sport als individualisierter Wettkampf vor einem Massenpublikum und unter zunehmender medialer Beobachtung wurde zu einem Element der modernen Leistungsgesellschaft des 20. Jahrhunderts. Nach dem Ersten Weltkrieg ließen die eingeführten sozialen Errungenschaften wie der Acht-Stunden-Tag die Zahl der aktiven Sportler rasant zunehmen. Dieser ‚moderne’ Sport konkurrierte damit seit der Jahrhundertwende von 1900 zunehmend mit dem ‚Turnen’, das im 19. Jahrhundert als kollektive Form der Körperbildung die Nationsbildungsprozesse unterstützt hatte. Das Verhältnis zwischen beiden Bewegungen und ihre jeweilige Bedeutung im Kontext einer multiethnischen Vergesellschaftung des Staates bzw. im Rahmen von auf gesellschaftliche Totalität ausgerichteten ideologischen Systemen sind bislang noch nicht hinreichend untersucht.

Die Historische Kommission für die böhmischen Länder e.V. bereitet daher für die Jahre 2009/10 eine Doppeltagung zum Thema „Sport und Gesellschaft“ vor. Dabei sollen in einem ersten Themenkreis im Jahr 2009 der Aspekt „Sport in einer multiethnischen Gesellschaft (bis 1938/39)“ behandelt werden, im Folgejahr „Sport unter Diktaturen (1938-1989)“. Der Begriff des ‚Sports’ soll dabei möglichst breit gefasst werden, so dass neben dem Turnen „englische“ Mannschafts- und Einzelsportarten ebenso wie „Leibesübungen“, Breiten- oder Leistungssport, aktiv betriebener ebenso wie Zuschauersport einbezogen werden kann. Der regionale Bezug auf die böhmischen Länder und die Slowakei bzw. auf die Tschechoslowakei soll fallweise durch komparative Betrachtungen zu Nachbarregionen erweitert werden.

In der ersten Tagung 2009 soll die Bedeutung des Sports in der multiethnischen Gesellschaft der böhmischen Länder untersucht werden. Die sich seit dem 19. Jahrhundert entwickelnde Aufteilung der öffentlichen Sphäre in national definierte Teil- und Parallelgesellschaften spiegelte sich nicht nur bei den Turnern, sondern auch im Bereich des Sports wider: Die Turnbewegung des tschechischen „Sokol“ war ein wichtiger Bestandteil der tschechischen Nationalbewegung und auch der tschechoslowakischen Staatlichkeit bis 1938, in den 1930er Jahren wurde aus dem Turnwart des „Deutschen Turnverbands“ (DTV), Konrad Henlein, der selbsternannte ‚Führer’ der Sudetendeutschen (beides Themen, die bereits relativ gut erforscht sind). Auch Sportvereine und -verbände waren im Allgemeinen nicht nationalitätenübergreifend, sondern meist nach ‚nationaler’, ethnischer Zugehörigkeit organisiert. Dennoch musste, unter anderem auf der Ebene der an die jeweiligen Staaten gebundenen Sportorganisationen, die diese wiederum auf internationaler und olympischer Ebene vertraten, ein Modus vivendi gefunden werden. Sport war, besonders wenn er wettkampfmäßig betrieben wurde, immer auch Anlass zur Begegnung bzw. zum Wettstreit mit den „Anderen“. Dies konnte gelegentlich in der medialen Öffentlichkeit zu sich aufladenden Konflikten führen, die weit über die sportliche Sphäre hinauswirkten. Andererseits waren die sportlichen Beziehungen, etwa zwischen Deutschen und Tschechen während der Ersten Tschechoslowakischen Republik auf dem Gebiet einiger Sportarten lange unproblematisch und sogar sehr eng.

Themenkreise der Tagung sind: die Ausübung und Rezeption verschiedener Sportarten im Kontext der politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, die Instrumentalisierung des Sports zu kommerziellen, politischen bzw. Propagandazwecken, das Entstehen und die Pflege von „kleinen“ Vereinsidentitäten und -loyalitäten (parallel und zum Teil auch gegenläufig zu den „großen“ Identitäten und Selbstdefinitionen als Tscheche, Deutscher, Jude, Anhänger einer politischen Partei etc.), der Stellenwert des Sports in Modernitäts- und Erziehungsdiskursen oder der Sportler in den Medien. Eingeplant sind bereits unter anderem Referate zum Fußball im Kontext der deutsch-tschechischen ‚Konfliktgemeinschaft’, dem deutschen Arbeitersport, den jüdischen Sportvereinen, dem Wintersport und den Tourismusvereinen.

Potentielle Referierende und Interessierte (auch für die zweite Tagung im Frühjahr 2010 in Bad Wiessee, für die Ende 2009 noch ein gesonderter Call for Papers ergehen wird) wenden sich bitte bis 15.Dezember 2008 an den Organisator der Tagungen,
Dr. Stefan Zwicker (SFzwicker@gmx.de),
oder an den Obmann der Historischen Kommission für die böhmischen Länder, Dr. Robert Luft (robert.luft@gmx.de).

Eine Veröffentlichung der Beiträge beider Konferenzen und evtl. weiterer Aufsätze zur Thematik durch die Historische Kommission ist geplant.

München und Mainz, im November 2008

Programm

Kontakt

Dr. Robert Luft

Collegium Carolinum, Hochstraße 8, 81669 München

089/552606-0
089/552606-44
robert.luft@gmx.de

http://www.collegium-carolinum.de/hkbl/
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Deutsch
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