Schon bald nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs setzten Spannungen der vormaligen Alliierten ein, die zunehmend brisanter wurden und in der Ost-West-Blockkonfrontation des Warschauer Paktes und der NATO verbunden mit einem weltweiten Wettrüsten gipfelten. So thematisierte Stalin schon im Februar 1946 die fortdauernden Antagonismen zwischen Kapitalismus und Kommunismus, die erst mit einem kommunistischen Triumph zu überwinden seien. Nicht nur das US-Nachrichtenmagazin Times wertete diese Äußerung als kriegerisch, sondern auch die Außenpolitik Trumans war ihrerseits durch eine antikommunistische Haltung gekennzeichnet. Vor diesem Hintergrund prägte Churchill im März 1946 in einer Rede das berühmte Sprachbild vom „Eisernen Vorhang“, der die Welt bzw. Europa teile.
Diese System- und weltanschaulichen Gegensätze der westlichen, kapitalistisch orientierten und der östlichen, kommunistisch orientierten Welt, erhöhten nicht nur die Kriegsgefahr und wirkten sich auf die Außenpolitiken und bilateralen Beziehungen der Staaten aus. Vielmehr hatten sie auch Konsequenzen für die jeweiligen Lebensbedingungen der Bürgerinnen und Bürger, insbesondere für deren Möglichkeiten und Grenzen politischen Handelns. Insbesondere beeinflusste die Konstruktion von Staatsfeinden, die auf den distinkten, wechselseitig aufeinander bezogenen Feindbildern des Kalten Krieges basierte, die politische Kultur jener Zeit.
Die politischen Verfolgungen von Kommunisten in den fünfziger Jahren in der Ära McCarthy in den USA sind hier ebenso beispielhaft anzuführen, wie die Auswirkungen der Blockkonfrontation und der Feindbilder des Kalten Krieges auf die beiden deutschen Nachkriegsstaaten, die spätestens mit den Staatsgründungen 1949 deutlich zutage traten. Die zu verzeichnenden antikommunistischen Tendenzen der Ära Adenauer sind dabei einerseits auf fortwirkende Feindbilder aus dem Nationalsozialismus zurückzuführen, lassen sich jedoch andererseits mit der Ost-West-Spaltung Deutschlands begründen. Ebenso wie in der Bundesrepublik waren auch in der DDR die als staatsfeindlich eingestuften Personen diejenigen, die von den herrschenden Politikvorstellungen abweichende Orientierungen hatten bzw. die den Entscheidungen der SED gegenüber kritisch eingestellt waren. Jüngste Forschungen kommen zu dem Schluss, dass sowohl die Verhaftungs- als auch die Entlassungswellen des Ostens mit den Agitationen und Aktionen des Westens im Zusammenhang gesehen und interpretiert werden müssen und vice versa.
Die interdisziplinär angelegte Tagung will diesem Phänomen der Konstruktion von Staats- bzw. Verfassungsfeinden in der Zeit des Kalten Krieges nachgehen. Willkommen sind Beiträge mit soziologischer, kulturwissenschaftlicher, historischer, medienwissenschaftlicher, politikwissenschaftlicher oder erziehungswissenschaftlicher Ausrichtung, die sich mit Deutschland, Europa oder auch Übersee beschäftigen.
Mögliche Fragen und Themenfelder könnten hier etwa sein:
- Auswirkungen auf die Bedingungen politischen Handelns;
- Konsequenzen für die Lebensführung;
- Umgangsformen mit politischer Verfolgung (Flucht, Abwanderung, öffentlicher Protest, Anpassung);
- Leben in der Illegalität oder Handeln unter konspirativen Rahmenbedingungen;
- Auswirkungen auf soziale und familiale Beziehungen;
- künstlerische Ausdrucksformen, wie etwa politisches Kabarett, Witze;
- Auswirkungen auf mediale Diskurse (elektronische und Printmedien);
- Feindbilder im Schulunterricht und anderen Bereichen politischer Erziehung.
Insgesamt gesehen sollen weniger die Staatsperspektiven im Fokus stehen, als vor allem die Lebens- und Handlungsbedingungen in den jeweiligen Gesellschaften.
Ergebnisse aus aktuellen Forschungsprojekten bzw. die Vorstellung laufender Arbeiten sind besonders willkommen. Neben Vorträgen, die eine Länge von 20-25 Minuten nicht überschreiten sollten, besteht die Möglichkeit, noch nicht abgeschlossene Arbeiten in Form kleiner Arbeitsgruppen/Workshops zu diskutieren. Bei Interesse an dieser materialorientierten Arbeitsform bitten wir, dies extra zu vermerken.
Die Konferenzsprachen sind deutsch und englisch. Die Vorschläge mit kurzen Abstracts (1-2 Seiten) bitten wir bis zum 15.06.2009 einzureichen bei:
Dr. Martina Schiebel schiebel@uni-bremen.de
oder
Yvonne Robel yrobel@uni-bremen.de
Fachbereich 09/ Universität Bremen
Postfach 330440
28334 Bremen
Tel.: (Vorwahl Deutschland) 0421 – 21867651