Regieren auf lokaler Ebene im Osten Europas
Öffentliche Akteure und transnationale Wirtschaftsakteure
Die Idee, ein Colloquium über die Transformationen der Kunst des Regierens im Osten Europas zu organisieren, speist sich aus dem Zusammentreffen dreier historischer Vorgänge, die Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre zu Tage treten.
- Mit dem Ausstieg aus dem Sozialismus ist eine Rollenkonzeption des Staates grundsätzlich in Frage gestellt, nämlich dass die Partei in die Verwaltung der unterschiedlichen Sphären des gesellschaftlichen Lebens eingreift.
- Darüber hinaus gelangen die postsozialistischen Länder zu einem Zeitpunkt in den Einflussbereich der Europäische Union, als man dort gerade dazu neigt, die bis dahin in Westeuropa gültigen institutionellen Arrangements nach den Modalitäten der „guten Regierungsführung“ (good governance) neu zu definieren: Im Namen der Effizienz und der Transparenz wird in der Verwaltung öffentlicher Angelegenheiten der Managergeist gefördert, während dort zugleich zur Beteiligung privater Akteure (aus der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft) ermuntert wird.
- Parallel dazu nutzen westliche Firmen, die eine Internationalisierungsstrategie fahren, die sich ihnen bietenden Chancen, die sich für sie aus den Problemen der östlichen Staaten in Fragen der Modernisierung ihrer Infrastruktur und ihrer Produktionsapparate, der Sanierung ihrer Staatsfinanzen und der lokalen Wirtschaftsentwicklung ergeben.
Das Zusammentreffen dieser drei Vorgänge - der Zusammenbruch der kommunistischen Regime, die liberale Wende in Europa und die Globalisierung der Wirtschaft -, veranlasst uns, die Transformationen in der Verwaltung von öffentlichen Angelegenheiten im Osten Europas zu hinterfragen. Dabei konzentrieren wir unsere Aufmerksamkeit auf die lokale Ebene. Denn auf dieser Ebene sehen sich die öffentlichen Akteure tatsächlich sehr abrupt mit einer Neudefinition von Verfahrensweisen und dem plötzlichen Auftauchen neuer Verwaltungsmodelle für öffentliche Angelegenheiten konfrontiert. Das Colloquium wird sich auf die lokale Ebene konzentrieren, denn diese erlaubt es besonders gut, die Auswirkungen dieser dreifachen Dynamik auf die Kunst des Regierens konkret zu analysieren. In dieser Hinsicht bieten die Entwicklung und die Umsetzung neuer Formen der Zusammenarbeit zwischen lokalen öffentlichen Akteuren und transnationalen Wirtschaftsakteuren ein vorbildliches Beobachtungsfeld der Liberalisierungszusammenhänge auf der Ebene der postsozialistischen Länder, ebenso wie der möglichen Neugestaltungen, die zwischen der Sphäre des Marktes und der des Staates zugange sind.
Davon ausgehend schlagen wir vor, bei den Überlegungen über die Kunst des Regierens im Osten Europas im Rahmen des Colloquiums zwei Studienfelder zu berücksichtigen. Das erste betrifft die Strategien der Lokalpolitik, die auf eine Privatisierung des öffentlichen Dienstes unter Zuhilfenahme transnationaler Wirtschaftsakteure abzielen. Das zweite Studienfeld betrifft die Beziehungen zwischen privaten Investoren und lokalen Instanzen im Industriesektor.
Für jedes dieser empfohlenen Studienfelder schlagen wir drei Forschungsskizzen vor.
Die erste zielt auf die Frage der Verbreitung von Modellen ab. Die postkommunistischen Länder sind zwar nach dem Mauerfall Experimentier- und Lerngebiete für neue Normen und Methoden geworden, viele Fragen sind aber weiterhin unbeantwortet: Ist die Organisation der verschiedenen Formen der Zusammenarbeit zwischen transnationalen, privatwirtschaftlichen Akteuren und lokalen, öffentlichen Akteuren das Produkt eines Transfers exogener Modelle oder ist sie das Ergebnis kollektiver Dynamiken, in denen sich Anleihen aus dem Ausland und lokale Traditionen verbinden? Oder die Frage, ob diese neuen Formen der Zusammenarbeit Widerstände hervorrufen?
Eine zweite Skizze zielt auf Akteure ab, die diese Formen der Zusammenarbeit bevorzugen oder aber andere, die versuchen, sie zurückzudrängen: Wer sind diese Akteure? Welche Ressourcen mobilisieren sie? Wie organisieren sie ihr Vorgehen? Welche Denkweisen bestimmen ihr Handeln?
Eine dritte Skizze führt dazu, sich die Frage zu stellen, welche Auswirkungen das Entstehen neuer Kooperationsformen hat: Führt die Annäherung zwischen öffentlichen und privatwirtschaftlichen Akteuren zu einer Neudefinition der lokalen Ordnung?
Organisation
Centre Marc Bloch - Deutsch-Französisches Forschungszentrum Für Sozialwissenschaften
Wissenschaftliche Leitung des Projekts
Murielle Coeurdray (Centre Marc Bloch), Denis Bocquet (Centre Marc Bloch)
Datum und Ort
Donnerstag, den 26. November 2009 und Freitag, den 27. November 2009
Centre Marc Bloch, Berlin
Einreichungsmodalitäten für Beitragsvorschläge
- Format der Vorschläge: maximal 3000 Zeichen, + Vorstellung der Einrichtung und Status
- Sprachen für schriftliche Beiträge: Deutsch, Französisch, Englisch
- erforderliche Sprachkompetenzen während des Colloquiums: Französisch und Deutsch (passiv)
- Deadline für die Einsendung der Beitragsvorschläge: 31. Juli 2009
- Emailadresse für die Beitragsvorschläge: annejoly@gmx.de
- Bescheid des wissenschaftlichen Beirats zu den Vorschlägen: Ende Juli 2009
- Einsendeschluss für die Beiträge nach dem Bescheid des wissenschaftlichen Beirats:
9. November 2009
Wissenschaftlicher Beirat
Prof. Dr. Timm Beichelt (Europa-Universität Viadrina)
Dr. Denis Bocquet (Centre Marc Bloch)
Dr. Murielle Coeurdray (Centre Marc Bloch)
Prof. Dr. Roland Czada (Universität Osnabrück)
Dr. Olivier Giraud (WZB/ Centre Marc Bloch)
Prof. Dr. Detlef Sack (Universität Bielefeld)
Dr. Béatrice von Hirschhausen (Centre Marc Bloch)
Organisation der Konferenz
Ariane Jossin JA@cmb.hu-berlin.de
Partner
Europa-Universität Viadrina
Universität Osnabrück
Universität Bielefeld
WZB