Die Mainzer Stresemann-Gesellschaft e. V. lädt im Juli 2010 zu einer wissenschaftlichen Tagung von Doktoranden ein, die sie zusammen mit der Abteilung IV: Neueste Geschichte des Historischen Seminars der Johannes Gutenberg-Universität Mainz veranstalten wird.
Vor dem aktuellen Hintergrund andauernder Auslandseinsätze der Bundeswehr und der jüngsten Debatten um die Verwendung des Terminus „Krieg“ zur Beschreibung der Lage in Afghanistan gewinnt mancher Beobachter den Eindruck, dass sich die Bundesrepublik Deutschland schwer tut mit ihrer Außen- und Sicherheitspolitik.
Fast zwanzig Jahre nach dem Ende des Ost-West-Konflikts hat die Bundesrepublik zwar an außenpolitischem Gewicht und Manövrierfähigkeit im internationalen Staatensystem hinzugewonnen. Aber andererseits scheint sie nach wie vor auf der Suche nach ihrer eigentlichen Rolle in der heutigen, weniger übersichtlichen Weltordnung zu sein, was mit einer zunehmenden Perspektivlosigkeit im Bereich der deutschen Außenpolitik zu korrespondieren scheint. Eine Debatte um die „deutsche Staatsräson“, um „nationale Interessen“ und eine außenpolitische grand strategy scheint daher bis dato nicht stattzufinden. Auch ein nennenswertes Interesse der deutschen Gesellschaft an der Befassung mit jenen Fragen scheint gegenwärtig nicht zu bestehen.
Wo aber liegen die Gründe für diese Unklarheiten und für die heutigen, zuweilen nebulösen Debatten im Bereich der deutschen Außenpolitik? Kann man aus historischer Perspektive sogar von einem gesellschaftlichen Verlust oder von einem Teilverlust des außen- und sicherheitspolitischen Ernstfalldenkens im realpolitischen Sinne sprechen, welcher die gegenwärtige Debatte im Bereich der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik zu charakterisieren scheint? Und wenn man davon sprechen kann: an welchen historischen Wegmarken der bundesdeutschen Zeitgeschichte manifestierte sich dieser Verlust?
Oder ist die Frage nach dem Ernstfall genau wie die Frage nach der „deutschen Staatsräson“ und ihren Zielen, Mitteln und Kosten in der Postmoderne anachronistisch oder gar obsolet geworden?
Jene Fragen zu erörtern und zu beantworten soll die Aufgabe der „Stresemann-Werkstatt“ 2010 sein. Geladen sind alle Doktorandinnen und Doktoranden der Geschichtswissenschaft, der Sozialwissenschaften sowie der Rechtswissenschaft, die einen Tagungsbeitrag leisten wollen. Bitte senden Sie uns hierzu ein kurzes, thematisches Exposé ihres Beitrages sowie einige Angaben zu Ihrer Person in einem (ebenso kurzen) Lebenslauf an andreas.lutsch@googlemail.com. Die Vorschläge werden gerne bis zum 23. Oktober 2009 empfangen.
Folgende Themenschwerpunkte könnten auf der Tagung behandelt werden:
- 2. Weltkrieg
- Westbindung/ Wiederbewaffnung
- Kampf dem Atomtod
- Neue Ostpolitik
- NATO-Doppelbeschluss und Friedensbewegung
- Ernstfalldenken in der deutschen Parteienlandschaft
- Kosovokrieg
- Afghanistaneinsatz der Bundeswehr
- deutsche Nichtbeteiligung am Irakkrieg
- was heißt Realpolitik?
- was sind nationale Interessen?
- was heißt Ernstfalldenken?
- „deutsche Staatsräson“?
- (De-)Konstruktivismus, Postmoderne und Außenpolitik