Unternehmen im Nationalsozialismus. Zur Historisierung einer Forschungskonjunktur

Unternehmen im Nationalsozialismus. Zur Historisierung einer Forschungskonjunktur

Veranstalter
Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Veranstaltungsort
Rosensäle der Friedrich-Schiller-Universität, Fürstengraben 27
Ort
Jena
Land
Deutschland
Vom - Bis
10.12.2009 - 12.12.2009
Deadline
05.12.2009
Von
Tim Schanetzky

Noch vor wenigen Jahren galt es als ausgemacht, dass die vielen Forschungen zur Unternehmensgeschichte im Nationalsozialismus einer Sonderkonjunktur geschuldet seien, die bald an ihr Ende kommen werde. Tatsächlich haben sich unsere Kenntnisse über Zwangsarbeit und „Arisierung“, Rüstungsprofite und „Raubgold“ während dieses inzwischen fast zwanzigjährigen Forschungsbooms dramatisch erweitert. Wider Erwarten gehen die Arbeiten auf dem hell ausgeleuchteten Untersuchungsfeld aber keineswegs zu Ende. Erst kürzlich haben aufgeregte Debatten über die Unternehmerfamilien Flick, Quandt und Thyssen eindrücklich vorgeführt, dass die verdrängte und beschwiegene NS-Vergangenheit noch immer genügend Kraft für öffentliche Skandale besitzt und wohl auch künftig als Antrieb für wissenschaftliche Großprojekte taugen wird.

Das Symposion nimmt diese Beobachtung zum Ausgangspunkt für ein doppeltes Anliegen. Es will die Ergebnisse der Forschungskonjunktur nicht nur systematisch resümieren, sondern versuchen, den spektakulären Boom der NS-Unternehmensgeschichte besser zu verstehen. Weil sich das Gros der Unternehmen bis in die zweite Hälfte der achtziger Jahre einer Debatte über ihre NS-Vergangenheit erfolgreich entziehen konnte, wird zunächst genauer nach den Ursachen für diese lange Phase des „Beschweigens“ gefragt. Schon die Nürnberger Nachfolgeprozesse und eine gezielte Instrumentalisierung der Vergangenheit durch die DDR-Propaganda haben weitaus mehr Details über unternehmerisches Verhalten im „Dritten Reich“ ans Licht gefördert, als die öffentlichen Debatten der jüngsten Vergangenheit wahrhaben wollten. Wie hängen diese Formen des Wissens und Nichtwissens mit den Mechanismen der Skandalisierung zusammen?

Nachdem einzelne Unternehmen ihre Archive geöffnet und große Forschungsprojekte auf den Weg gebracht hatten, begann in den neunziger Jahren jener „Boom“, als dessen Ergebnis eine inzwischen kaum noch zu überschauende Fülle von Spezial- und Einzeluntersuchungen vorliegt. Aber welche Einsichten bleiben? Was genau hat diese Forschungskonjunktur zum besseren Verständnis des Nationalsozialismus beigetragen, was zur Aufklärung unternehmerischen Verhaltens? Dass danach bisher kaum gefragt wurde, ist ebenso überraschend wie die Tatsache, dass von einem Abebben des öffentlichen Interesses keine Rede sein kann. Offenbar haben sich die Mechanismen des Wissens, des Gedächtnisses und der Skandalisierung gewandelt. Das wirft die Frage nach den wissenschaftlichen Erkenntnismöglichkeiten mit umso größerer Relevanz auf.

Teilnahme nur nach bestätigter Anmeldung per E-Mail.

Programm

Donnerstag, 10. Dezember 2009, 18.00 Uhr

Begrüßung und Abendvortrag

Norbert Frei (Jena)
Die Wirtschaft des „Dritten Reiches“
Überlegungen zu einem Perspektivenwechsel

Freitag, 11. Dezember 2009, 9.00 bis 19.00 Uhr

Erste Sektion: Verläufe der Forschung
Moderation: Dietmar Süß (Jena)

Ralf Ahrens (Potsdam)
Die NS-Wirtschaft als Elitenverschwörung
Franz Neumanns „Behemoth“ und die Nürnberger Prozesse
Carola Sachse (Wien)
Revisited: Primat der Politik – Primat der Ökonomie
Kommentar: Werner Plumpe (Frankfurt am Main)

Jörg Osterloh (Frankfurt am Main)
Monopole und ihre Herren. Die marxistische Interpretation
Tim Schanetzky (Jena)
Jubiläen und Skandale. Die lebhafte Kampfsituation der achtziger Jahre
Kommentar: David Gugerli (Zürich)

Mittagspause 13.00-15.00 Uhr

Zweite Sektion: Erträge der Forschung
Moderation: Tim Schanetzky (Jena)

Cornelia Rauh (Hannover)
Gleichgeschaltete „Bürgerlichkeit“
Oder: Was wurde aus dem Wirtschaftsbürgertum?
Constantin Goschler (Bochum)
Zwangsarbeit und „Vernichtung durch Arbeit“
Kommentar: Harold James (Princeton)

Jonas Scherner (Mannheim)
Wirtschaftsordnung und Rüstungswirtschaft
Dieter Ziegler (Bochum)
„Arisierung“, Raub und Expansion
Kommentar: S. Jonathan Wiesen (Carbondale)

Samstag, 12. Dezember 2009, 9.00-12.00 Uhr

Podiumsdiskussion: Gedächtnisse und Resonanzen
Moderation: Norbert Frei (Jena)

Einführende Bemerkungen
Tim Arnold (Berlin) und Hans-Georg Soeffner (Konstanz)
Es diskutieren
José Brunner (Tel Aviv), Christoph Buchheim (Mannheim),
Helen Müller (Gütersloh) und Lutz Niethammer (Jena)

Teilnahme nur nach bestätigter Anmeldung per E-Mail.

Kontakt

Kristina Meyer

Friedrich-Schiller-Universität Jena, Historisches Institut
Fürstengraben 13, 07743 Jena
+49-(0)3641-944458
+49-(0)3641-944452
kristina.meyer@uni-jena.de

www.nng.uni-jena.de/tagungen_konferenzen_lehrstuhl_nng.html
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