Gemeinschaft als Erfahrung. Kulturelle Inszenierungen und soziale Praxis 1930-1960

Gemeinschaft als Erfahrung. Kulturelle Inszenierungen und soziale Praxis 1930-1960

Veranstalter
Niedersächsisches Forschungskolleg „Nationalsozialistische ‚Volksgemeinschaft’? Konstruktion, gesellschaftliche Wirkungsmacht und Erinnerung vor Ort.“
Veranstaltungsort
Historisches Gebäude der Nds. Staats– und Universitätsbibliothek Göttingen, Papendiek 14, 37073 Göttingen
Ort
Göttingen
Land
Deutschland
Vom - Bis
25.02.2010 - 27.02.2010
Deadline
15.02.2010
Von
Kerstin Thieler

Die Tagung des Niedersächsischen Forschungskollegs „Nationalsozialistische ‚Volksgemeinschaft’? Konstruktion, gesellschaftliche Wirkungsmacht und Erinnerung vor Ort.“ richtet sich vorrangig an Graduierte und Promovierende. Es sollen Forschungsarbeiten vorgestellt und diskutiert werden, die Diskurse, Funktionen und Erfahrungen von Gemeinschaftsformen und Vergemeinschaftungspraktiken thematisieren.
Gemeinschaft zu erfahren, zu stiften und zu inszenieren wurde zum Leitbild vieler Bewegungen im krisenhaften Übergang ins 20. Jahrhundert. Daran knüpften Jugendbewegungen, Verbände und Parteien an, nicht zuletzt der Nationalsozialismus. Aber auch nach 1945 dauerte die Attraktivität von „Gemeinschaft“ als Konzept weiter an.
Bereits bei Max Weber war deutlich geworden, dass die Zuweisung von Zugehörigkeit zu definierten Gemeinschaften integral mit dem Ausschluss von Anderen verbunden ist. Die Geschichte des „Dritten Reiches“ bietet hierfür besonders extreme Beispiele, stimulierte und legitimierte doch das Narrativ vom Fremden und Eigenen die Verbrechen von Verfolgung und Holocaust.
Durch die inflationäre Postulierung und Propagierung der „Volksgemeinschaft“ und durch das Erlebnisangebot aufwändiger Inszenierungen versuchten die Nationalsozialisten gezielt eine emotionale Gemeinschaftsbindung an das Regime zu schaffen und einen längerfristigen Konsens in der Bevölkerung herzustellen. Zwangs- und Konstruktionscharakter waren dem Topos „Volksgemeinschaft“ dabei jedoch immer inhärent. In der derzeitigen Forschungsdebatte zur nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft“ soll diese durch andere Gemeinschaftsphänomene, deren Konstruktion und Erfahrung kontextualisiert werden, zum Beispiel

- im Feld sozialer Formationen wie Parteien, Vereinen oder Kirchen;
- bei Praktiken öffentlicher Inszenierung oder Massenkultur wie zum Beispiel Festen, Sport oder Demonstrationen;
- als Bestandteil politischer Ordnungssysteme, deren sozialer Praktiken und Normierungen sowie politischen Gemeinschaftsinszenierungen;
- für das Verhältnis von Inklusion und Exklusion durch Gemeinschaftsbildungen;
- hinsichtlich der Auswirkungen von Epochenumbrüchen auf die Verfasstheit von Gesellschaften und ihre Praktiken der Selbst- und Fremdorganisation.

Programm

Donnerstag, 25. Februar 2010
16:00 Öffnung des Tagungsbüros, Papendiek 14

17:00-17:30 Begrüßung

17:30-19:00 "Gemeinschaft": Interdisziplinäre Annäherungen
Impulsreferate von Habbo Knoch (Göttingen / Celle), Tobias Krohn (Dresden), Jörg Marschall (Berlin), Samuel Salzborn (Gießen)

19:30 Gemeinsames Abendessen im "Fellini", Groner-Tor-Str. 32

Freitag, 26. Februar 2010
9:00-10:45 Panel I: „Gemeinschaft“ in der NS-"Volksgemeinschaft“
Moderation: Kathrin Stern (Oldenburg)
Daniel Mühlenfeld (Düsseldorf): Die nationalsozialistische „Volksgemeinschaft“. Handlungs- und rollentheoretische Überlegungen zu ihrer Analyse
Janosch Steuwer (Bochum): "Volksgemeinschaft" als Handlungsgemeinschaft. Eine Gesellschaftsgeschichte der Etablierung des Nationalsozialismus 1933-1939

10:45-11:15 Kaffeepause

11:15-13:00 Panel II: Massenereignisse und Gemeinschaftsgefühle Nationalsozialismus
Moderation: Samuel Salzborn (Gießen)
Rudolf Oswald (Reichertshofen ): "Gegen die Ich-Sucht der Zeit": Der Gemeinschaftsdiskurs im deutschen Fußball, 1920-1960
Sascha Howind (Hannover): Unterwegs mit “Kraft durch Freude”. Inszenierung der „Volksgemeinschaft“ zwischen propagandistischem Anspruch und sozialer Realität 1933-1939

13:00-14:30 Mittagspause

14:30-16:15 Panel III: Gemeinschaftsbildung und urbane Rituale im Nationalsozialismus
Moderation: Kerstin Thieler (Hannover / Göttingen)
Petra Spona (Frankfurt a. M.): Volksgemeinschaft durch Partizipation. Ehrungen als soziale Praxis in Hannover 1933-1945
Gunnar Zamzow (Oldenburg) : Die „Stadt der 500.000“ als Aufbauversprechen. Überlegungen zur Etablierung der nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft“ in Wilhelmshaven

16:15-16:45 Kaffeepause

16:45-18:30 Panel IV: Tatgemeinschaften
Moderation: N.N.
Bastian Hein (München) : Elite in der „Volksgemeinschaft“? Vergemeinschaftung im Rahmen der Auslese und Praxis der Allgemeinen SS
David Reinicke (Göttingen): Aufstieg durch Gemeinschaft. Kameradschaftspraxis und soziale Utopie in den SA-Wachmannschaften der Emslandlager 1934-42

Abend zur freien Gestaltung
(Angebot: Treffen um 19:30 im "Sambesi", Wendenstr. 8)

Samstag, 27. Februar 2010
9:00-10:45 Panel V: Erinnerungsgemeinschaften
Moderation: Maik Tändler (Göttingen)
Janine Doerry (Hannover): Kriegsgefangene Juden aus Frankreich und deren Familien in und nach der Shoah. Kriegsgefangenschaft, Deportation nach Bergen-Belsen und Erinnerung in Frankreich
Bianca Roitsch (Oldenburg): "Lokale Gemeinschaftsformen in der niedersächsischen Provinz 1933-1960. Die Fallbeispiele Bergen, Esterwegen und Moringen als Orte der Unmittelbarkeit zum NS-Terror."

10:45-11:15 Kaffeepause

11:15-13:00 Panel VI: Generationsgemeinschaften
Moderation: N.N.
Benjamin Möckel (Göttingen) : Jugend im Zweiten Weltkrieg. Das Ende der Gemeinschaftserfahrung und seine Rezeption als (negative) Generationserfahrung
Steffen Werther (Stockholm): "Volksgemeinschaft" vs. "Germanische Gemeinschaft". Der Konflikt zwischen völkisch-nationalistischen und "rassischen" Gemeinschaftskonstrukten in der Deutsch-Dänischen Grenzregion 1933-45

13:00-14:00 Mittagspause

14:00-15:00 Abschlussdiskussion
Moderation: Habbo Knoch (Göttingen / Celle)

Kontakt

Kathrin Stern

Humboldtallee 3, 37073 Göttingen

anmeldung.foko.ns@googlemail.com

http://www.foko-ns.de/3297.html