Während sich die Theorien und Methoden der Sozialen Netzwerkanalyse in den Sozialwissenschaften mehr und mehr etablieren, ist deren Anwendung in den historischen Wissenschaften nach wie vor selten. Seit den 1980er Jahren haben sich zwar immer wieder einzelne Historiker mit dem Netzwerkbegriff auseinandergesetzt, diesen aber oft ausschließlich metaphorisch verwendet.
In jüngster Zeit beginnen Historiker sich indes neben der Netzwerk-Metapher stärker mit den theoretischen Konzepten zur Beschreibung sozialer Netzwerke, aber auch vermehrt mit der Berechnung und Visualisierung sozialer Netzwerke auseinanderzusetzen und deren Potenziale für explizit historische Fragestellungen auszuloten. Dabei wird deutlich, dass diese an die spezifischen historischen Erkenntnisinteressen und Forschungspraktiken angepasst werden müssen. Konkret müssen Historiker Lösungen für Probleme finden, die sich Sozialwissenschaftlern in dieser Form nicht stellen. Dazu gehören etwa widersprüchliche Daten, die aus der Arbeit mit hochgradig interpretationsbedürftigem und häufig fragmentarischem Datenmaterial entstehen.
Das Ziel der Veranstaltung ist deshalb zum einen der Austausch über die Anwendbarkeit der Sozialen Netzwerkanalyse auf geschichtswissenschaftliche Fragestellungen. Dazu gehört die Diskussion, inwieweit bestehende theoretische, methodische und technische Paradigmen sinnvoll nutzbar gemacht werden können, an welchen Stellen eigene Konzepte entwickelt werden müssen und welchen grundsätzlichen Erkenntnismehrwert der Netzwerkansatz für die Geschichtswissenschaften bietet.
Zum anderen möchte sie Wissenschaftlern eine Plattform für die Präsentation und Diskussion ihrer Forschungsarbeiten bieten.
Die Veranstaltung folgt auf einen ersten Workshop im vergangenen Jahr, in dem u.a. die Visualisierung von historischen Netzwerkdaten im Vordergrund stand.
Dieses Mal wird der Schwerpunkt auf zwei Themen liegen:
1.) Die Gewinnung von relationalen Daten aus heterogenen
Quellenarten
2.) Die konkreten Vorteile der Netzwerk-Ansätze im Vergleich zur klassischen Quellenanalyse
Zum jetzigen Zeitpunkt sind bereits folgende Beiträge eingegangen:
Heterogene Quellen und die Gewinnung von Netzwerkdaten: Risiken und Potenziale
Linda Keyserlingk, Ulrich Eumann und Jascha März
*
Kirchenbücher als Quelle zur Erstellung von demographischen Netzwerken
Wilko Schröter
*
Die Netzwerkanalyse-Software Vennmaker und ihr Potenzial für Historiker
Michael Kronenwett, Martin Stark
*
Netzwerke der Kreditvergabe im 19. Jahrhundert
Daniel Reupke
*
Ergebnisse einer Netzwerkanalyse im Vergleich zu einer rein historischen Untersuchung am Beispiel eines Hilfsnetzwerks für verfolgte Juden im Nationalsozialismus
Marten Düring
Interessierte sind herzlich eingeladen teilzunehmen und/oder eigene Beiträge zu den genannten und folgenden Themen zu leisten bzw. ihre Forschungsprojekte zur Diskussion zu stellen.
Abstracts sollten bitte bis zum 16. April an marten.duering@kwi-nrw.de geschickt werden.