Das Selbst zwischen Anpassung und Befreiung. Psychowissen und Politik im 20. Jahrhundert

Das Selbst zwischen Anpassung und Befreiung. Psychowissen und Politik im 20. Jahrhundert

Veranstalter
Zeitgeschichtlicher Arbeitskreis Niedersachsen (ZAKN), Universität Göttingen; Leitung: Prof. Dr. Bernd Weisbrod; Organisation: Dr. Uffa Jensen, Maik Tändler, M.A.
Veranstaltungsort
Vortragsraum der Paulinerkirche, Papendiek 14, 37073 Göttingen
Ort
Göttingen
Land
Deutschland
Vom - Bis
26.11.2010 - 27.11.2010
Deadline
19.11.2010
Von
Maik Tändler

Die Psychologie hat eine wesentliche Rolle im Prozess der „Verwissenschaftlichung des Sozialen“ (Lutz Raphael) im 20. Jahrhundert gespielt. Als ‚Wissenschaft vom Selbst’ bezog sie ihre Legitimation und Anerkennung dabei von Beginn an aus dem Versprechen der praktischen gesellschaftlichen und individuellen Anwendbarkeit. Sie profitierte unter den Bedingungen der modernen Massengesellschaft von der wachsenden Nachfrage nach wissenschaftlichen Techniken der Menschenführung und Anpassung einerseits, von der Hoffnung auf Stabilisierung oder Befreiung des bedrohten Individuums andererseits. Psychologisches Wissen über Wesen, Funktion und Formbarkeit des Selbst definierte den subjektbezogenen Machbarkeitshorizont für Vorstellungen und Praktiken gesellschaftlicher (Neu-)Ordnung und stand insofern – explizit oder implizit – immer auch im Zusammenhang mit dem Politischen.
Die Jahrestagung des Zeitgeschichtlichen Arbeitskreises Niedersachsen (ZAKN) nimmt sich dieser im weiten Sinne politischen Wirkungsgeschichte psychologischen Wissens im 20. Jahrhundert an. Anhand konkreter Beispiele aus der deutschen Geschichte wird der Frage nachgegangen, wie „Psychowissen“ gesellschaftlich konstruiert, für politische Zwecke nutzbar und schließlich zum Maßstab individueller Selbstverständigung gemacht werden konnte. Das Spektrum der Vorträge reicht dabei von der ambivalenten Neubestimmung von Individualität in der industriellen Psychotechnik der Weimarer Zeit über das psychoanalytisch inspirierte Ringen um eine neue emotionale Ordnung in der 68er-Bewegung bis zur Politisierung psychologischer Kategorien unter den Bedingungen der ‚Wende’ von 1989.

Programm

FREITAG, 26. NOVEMBER

11:00 Uhr Begrüßung (BERND WEISBROD) und Einführung (UFFA JENSEN, MAIK TÄNDLER)

11:30-13:30
I. Das modernisierte Selbst. Psychologisches Wissen und soziale Utopie im frühen 20. Jahrhundert
KATJA PATZEL-MATTERN (Heidelberg): Normierung, Optimierung und Gestaltung. Die industrielle Psychotechnik als Medium der Unternehmenskultur
UFFA JENSEN (Berlin): Sozialismus der Psyche? Psychoanalyse, linke Politik und Jugendbewegung im frühen 20. Jahrhundert
Kommentar: ADELHEID VON SALDERN (Göttingen)

13:30-14:30 Mittagsimbiss

14:30-16:30
II. Das gefährdete Selbst. Subjektivität und die Herausforderung des Totalitarismus
SANDRA JANßEN (Berlin): Denkfiguren des Subjekts zwischen psychologischem und politischem Diskurs der 1930er und 1940er Jahre. Zur Problematik des Totalitären in Deutschland und Frankreich
RAINER EGLOFF (Zürich): „Culture and Personality“ – Zur transnationalen Entwicklung kulturalistischer Persönlichkeitspsychologie 1933 bis zum Kalten Krieg
Kommentar: BERND WEISBROD (Göttingen)

16:30-17:00 Kaffeepause

17:00-19:00
III. Das befreite Selbst. Gesellschaftlicher Umbruch und die Neuordnung psychologischen Wissens um ‚1968’
ANTHONY KAUDERS (München/Keele): Drives in Dispute: The West German Student Movement, Psychoanalysis, and the Search for a New Emotional Order, 1967-1971
CORNELIA BRINK (Freiburg): Der Wahnsinn als Gemeinplatz. Zur Thematisierungskonjunktur psychiatrischen Wissens und psychiatrischer Praxis in der Bundesrepublik Deutschland um 1970
Kommentar: AXEL SCHILDT (Hamburg)

19:30 Gemeinsames Abendessen

SAMSTAG, 27. NOVEMBER

9:00-11:00
IV. Das formbare Selbst des Kindes. Erziehung zwischen Psychologisierung und Politisierung
MIRIAM GEBHARDT (Konstanz): "Seelische Hygiene - lebenstüchtige Kinder": Mensch-Umwelt-Beziehung im entwicklungspsychologischen Erziehungsdiskurs, 1930-1971
MEIKE SOPHIA BAADER (Hildesheim): Das Recht auf Glück im Hier und Jetzt. Neue Subjektivität im Kontext von Kinderladen- und Frauenbewegung.
Kommentar: DIRK SCHUMANN (Göttingen)

11:00-11:30 Kaffeepause

11:30-13:30
V. Das intime Selbst. Psychologisches Wissen und der Wandel sozialer Nahbeziehungen
JENS ELBERFELD (Bielefeld): Patriarchat – Partnerschaft – Projekt. Zur Normalisierung von Paarbeziehungen in Therapie und Beratung (1950-2000)
MAIK TÄNDLER (Göttingen): Therapeutische Vergemeinschaftung. Die ‚Gruppe’ als emanzipatorische Mikrogesellschaft in den 1970er Jahren
Kommentar: PASCAL EITLER (Berlin)

13:30-14:30 Mittagsimbiss

14:30-16:30
VI. Das politische Selbst. Psychologische Experten und der Systemkonflikt in den 1980er Jahren
CLAUDIA KEMPER (Hamburg): Psychologische Abrüstung. Psychotherapeutische Experten in der westdeutschen Friedensbewegung der frühen 1980er Jahre
CHRISTINE LEUENBERGER (Ithaca/NY): The Self in Transition. Psychological Categories as Institutional and Political Projects Before and After Germany's "Wende" in 1989
Kommentar: SVENJA GOLTERMANN (Freiburg)

16:30-17:00
Abschlussdiskussion

17:00 Tagungsende

Kontakt

Maik Tändler

Zeitgeschichtlicher Arbeitskreis Niedersachsen (ZAKN), Platz der Göttinger Sieben 5, 37075 Göttingen

0551/39-4665

mtaendler@gmx.de

http://wwwuser.gwdg.de/~bweisbr1/zakn.html
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Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
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