In seinen Essays hat sich der ukrainische Schriftsteller, Suhrkamp-Autor und Träger des "Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung" (2006) Juri Andruchowytsch (geb. 1960 im westukrainischen Iwano-Frankiwsk, dem früheren galizischen Stanislau) wiederholt mit der Frage nach dem historisch-kulturellen und politischen Ort der Ukraine auseinandergesetzt: einem Land, das weiterhin mit der schwierigen Lage zwischen einer EU, die ihr die volle Mitgliedschaft nicht gewähren will oder kann, und einem Russland, das immer noch die Hegemonie im orthodox-ostslawischen Orbit beansprucht, konfrontiert ist. Seine Lesung "Kiew-Berlin-Odessa: eine geopoetische Spurensuche" umfasst Texte für eine 'geopoetische Enzyklopädie der Städte', die der Schriftsteller derzeit bearbeitet. Dieses Projekt wäre, so Juri Andruchowytsch, "die neue Verkörperung meiner langjährigen Geopoetik, meiner persönlichen Version dessen, was Literaturwissenschaftler cognitive mapping nennen." Die "alphabetische Reihenfolge, in der sich die Städte in die Struktur des Buches einfügen werden, erlaubt es, überkommene Hierarchien und Koordinatensysteme aufzubrechen - vor allem die des Raums, denn Detroit wird sich neben Dnipropetrowsk wiederfinden, ..., Marburg neben Minsk und Czernowitz neben Chicago". Nicht weniger interessant, so Andruchowytsch, sei die "Möglichkeit, die Zeiten zu vermischen, dank derer also Odessa des Jahres 1969 neben Osnabrück 2005 stehen wird ..." (zitiert nach Homepage des Wissenschaftskollegs zu Berlin, URL: http://www.wiko-berlin.de).
Die Lesung bildet gemeinsam mit einem weiteren Vortrag des ukrainischen Schriftstellers Serhij Zhadan (Charkiv/Ostukraine) zu den kulturellen Tendenzen in der Ostukraine (15.12.2010) den Prolog für die im Jahre 2011 beginnende Vortragsreihe "Die Ukraine in Europa" (Initiatoren: Prof. Dr. Stefan Troebst/GWZO Leipzig, Wilfried Jilge/GWZO Leipzig). Sie steht im Zeichen des 50-jährigen Jubiläums der Begründung der Städtepartnerschaft Leipzig-Kiew (1961-2011) und wird vom KOMOEL in enger Zusammenarbeit mit der Stadt Leipzig, der Universität Leipzig und dem GWZO Leipzig organisiert.
Die Lesung von Juri Andruchowytsch und der Vortrag von Serhij Zhadan werden mit freundlicher Unterstützung des Leibniz-Instituts für Länderkunde Leipzig, der Bertelsmann Stiftung und des Instituts für Slavistik an der Universität Leipzig durchgeführt.