Organisationen und Experten des Notfalls. Technik und Kultur von Feuerwehr und Rettungswesen im Wandel

Organisationen und Experten des Notfalls. Technik und Kultur von Feuerwehr und Rettungswesen im Wandel

Veranstalter
Institut für Soziologie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (Stefan Kaufmann, Markus Jenki, Nils Ellebrecht)
Veranstaltungsort
Institut für Soziologie
Ort
Freiburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
29.07.2011 - 30.07.2011
Deadline
06.05.2011
Website
Von
Nils Ellebrecht

Am 29. und 30. Juli 2011 findet am Institut für Soziologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg eine Tagung zum Thema „Feuerwehr und Rettungswesen“ statt. Ziel der Tagung ist es, einen brei­ten Blick auf die sozialen und kulturellen Dimensionen der Organisationen und Experten des Not­falls zu werfen.

Aus dem städtischen (Klang-)Bild sind Blaulicht und Martinshorn heute nicht mehr wegzudenken. Feuerwehr und Rettungswesens haben sich in der Moderne zu großen, technisch hochgerüsteten Organisationen mit beruflich ausdifferenziertem Expertenstand entwickelt, deren gesellschaftliche Funktion in der Bearbeitung des Notfalls liegt. Organisationen und Experten operieren dabei häufig im Modus der geregelten Ausnahme. Das charakteristische Merkmal des Notfalls besteht darin, dass er den Raum bestehender und sanktionierter Handlungsmöglichkeiten erweitert. Parallel zur historischen Genese von Feuerwehr und Rettungswesen haben sich juridische Ordnungen heraus­gebildet, die die Grenze erlaubter und sanktionierter Handlungen im Notfall verschieben. Exempla­risch hierfür stehen die Sonderrechte für Einsatzfahrzeuge von Feuerwehr und Rettungsdienst. Zu­gleich haben technische Artefakte und medizinisches Wissen die Handlungsoptionen in Notfällen massiv erweitert. Notfallmedizinisches Know-how und Techniken der „Ersten Hilfe“ haben Figuren wie die des Notarztes und des Rettungsassistenten erst ermöglicht.

Auch soziale Prozesse wirken in hohem Maße formgebend auf die Organisationen und Experten des Notfalls: so lassen sich die momentanen Herausforderungen im Bereich der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr aus langfristigen gesellschaftlichen Trends ableiten. Die Ursachen für diese Trends sind vielfältig, sie reichen von einer zunehmend älter werdenden Bevölkerung, über eine allgemein gestiegene Bereitschaft, professionelle Hilfe durch Feuerwehren und Rettungsdienste anzufordern bis hin zum gestiegenen Gefahrenbewusstsein jedes Einzelnen. Erwartungen hin­sichtlich Erfolgsquoten und Effizienzkriterien verschärfen die Herausforderungen noch. Vorgaben zur Abdeckung und Rettungsfristen, zu medizinischen Notfallmaßnahmen vor Ort und zur Trans­portsicherung von Patienten spiegeln dies wider. In Folge dieser Trends nehmen die Anzahl der Notfalllagen, in denen Feuerwehreinheiten, Rettungswagen oder Notärzte zum Einsatz kommen, kontinuierlich zu. Zudem weitet sich das Spektrum der Einsätze deutlich aus, was sich in der zu­nehmenden Bandbreite von Ausrüstungen und Qualifikationen bei Feuerwehr und Rettungsdiensten widerspiegelt. Und schließlich nehmen die Dimension und die Komplexität der Einsätze zu. Großflächige Unwetterlagen und die zunehmende Vergegenwärtigung der Herausforderungen von Großschadenslagen nach Unfällen oder Anschlägen bringen die Organisationen an oder über die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit.

Auch in der gesellschaftlichen Wertschätzung scheinen sich Wandlungen abzuzeichnen. Einerseits gelten der Feuerwehrmann und der Notarzt nicht nur Kindern als Sinnbild des Retters in der Not und ihren Eltern als unproblematisches Vorbild, da sich mit den Berufsbildern Vorstellungen von Tapferkeit, Selbstlosigkeit und Souveränität verbinden. Andererseits werden den Experten und Organisationen exklusive Männlichkeit, strenge Hierarchien, hermetische Abgeschlossenheit und Korpsgeist vorgehalten: die Organisationskulturen, sofern ihre Beschreibung stimmt, scheinen in Widerspruch zu gesellschaftlichen Werten zu geraten.
Der großflächigen gesellschaftlichen Präsenz und tiefliegenden sozialen Einbettung von Feuer­wehr und Rettungsdienst steht ihre überraschend dürftige sozial- und kulturwissenschaftliche Erforschung gegenüber. Auch die Anzahl historischer Studien zu den Organisationen und Experten des Notfalls ist in Deutschland überschaubar. Obschon gerade angesichts der unaufhörlich wachsenden Ansprüche an Feuerwehr und Rettungswesen eine Reflexion der sozialen und kulturellen Dimensionen der Organisationen dringend notwendig ist, ist systematische Forschung nach wie vor Desiderat. Die Tagung nimmt diese Feststellung zum Anlass, Forscherinnen und Forscher zu­sammenzubringen, um erstmals einen umfassenden Blick auf das Themenfeld zu werfen.

Der möglichen Themenbreite der Präsentationen sind daher keine engen Grenzen gesetzt. Denk­bar sind vorrangig

…Beiträge, die sich mit sozialen Dynamiken in und zwischen den verschiedenen Organi­sationen und Expertenrollen beschäftigen. Beleuchtet werden können die divergierenden Organisationskulturen von Feuerwehr und Rettungswesen, das Wechselspiel von Hierar­chie und Netzwerkförmigkeit in Strukturen und Prozessen, die Genese, Institutionalisierung und Veränderung von Aufgaben und Rollen.

…medizin- und techniksoziologische Beiträge, die die feste Integration materieller und medizinischer Techniken im beruflichen Alltag von Rettungsdienst und Feuerwehr themati­sieren. Anders als der berufliche Alltag in der Klink ist der der Präklinik bisher nicht Gegen­stand medizinsoziologischer Analysen gewesen.

…makrohistorische und gegenwartsdiagnostische Arbeiten, die signifikante Verschie­bungen, Umbrüche und aktuelle Herausforderungen der Organisationen aufzeigen und er­klären. Entstehung und Entwicklung von Feuerwehr und Rettungswesen beruhen auf ge­sellschaftlichen Prozessen wie Urbanisierung, Technisierung, (Auto-)Mobilisierung und Al­terung der Gesellschaft. Die virulenten Diskussionen um terroristische Gefahren oder zu den Risiken von Massenveranstaltungen gehen auch an den Notfallorganisationen nicht spurlos vorüber.

…Forschungen, die die Beziehung von Bevölkerung und Notfallexperten analysieren. Auf welche Erwartungen stoßen Rettungswesen und Feuerwehr heute beim Bürger? Wie reagieren die Organisationen auf gestiegene Ansprüche, auf interkulturelle Hürden, auf den gut-informierten Laien? Verstehen sich die Notfallorganisationen als Dienstleister und den Bürger als Kunden?

Papers für ein Vortragsthema können bis zum 06.05.2011 eingereicht werden und sollten den Um­fang von zwei Seiten nicht überschreiten. Die Vorträge sollen in eine intensive Diskussion münden. Vortragende stellen ihren Beitrag daher eine Woche vor Tagungsbeginn elektronisch zur Verfü­gung, damit ein Koreferent prägnante Punkte für einen Diskussionseinstieg vorbereiten kann. JedeR Vortragende übernimmt auch ein Koreferat. Angesichts des aktuellen Forschungsstandes können sich Vorträge auch auf laufende Forschungsarbeiten und vorläufige Ergebnisse beziehen.
Eine Publikation der Beiträge in einem Sammelband zur Tagung ist angestrebt.

Einsendung der Papers und Fragen bitte mailen an: nils.ellebrecht@soziologie.uni-freiburg.de

Programm

Kontakt

PD Dr. Stefan Kaufmann, Markus Jenki, M.A., Nils Ellebrecht, M.A.
Institut für Soziologie
Albert-Ludwigs-Universität
Rempartstraße 15
79085 Freiburg im Breisgau
Tel: +49 761 203 8526
Fax: +49 761 203 3493
nils.ellebrecht@soziologie.uni-freiburg.de
http://www.soziologie.uni-freiburg.de


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