Zwischen Panik und Herzenskälte? Das Stoische von der Antike bis zur Gegenwart

Zwischen Panik und Herzenskälte? Das Stoische von der Antike bis zur Gegenwart

Veranstalter
IFK Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften
Veranstaltungsort
Reichsratsstraße 17, 1010 Wien
Ort
Wien
Land
Austria
Vom - Bis
14.04.2011 - 15.04.2011
Von
Ingrid Söllner-Pötz

Die Erfahrung sagt uns, dass Wut, Empörung und fassungslose Trauer wehrlos machen. Wir suchen also nach Formen der Distanz, der Balance und des Maßhaltens. In Momenten der Krise erinnert man sich an coole Sprüche wie „Wer mit dem Teufel speist, muss einen langen Löffel haben“. Aber Coolness verschafft in Krisen nur einen fragilen Halt. „Kälte“ führt zur Verlassenheit. Vielleicht hilft ein Rückgriff auf Techniken der Lebenskunst der antiken Stoa? Die Ideengeschichte des antiken Stoizismus ist gründlich aufgearbeitet, die Geschichte stoischer Haltungen seit den Anfängen der Moderne um 1800 aber noch ungeschrieben. Um ihre Wandlungen zu verstehen, werden auf der Tagung die Denkschulen des Stoischen in Antike und Früher Neuzeit rekonstruiert, um dann stoische Haltungen in der westlichen Kultur vom 18. bis ins 21. Jahrhundert zu untersuchen. Denn gerade die Moderne bildet ein grelles Panorama stoischer Haltungen aus. Das 19. Jahrhundert als historischer Zeitraum der Arbeit, der wissenschaftlichen und technischen Naturbeherrschung erzeugt mit mechanischem Fleiß und der scheinbar selbstlosen, ja selbstzerstörerischen „Objektivität“ des distanzierten Naturwissenschafters, Geologen, Ökonomen, Psychiaters und Chirurgen stoisch gleichmütig agierende Berufstypen. Im Gegensatz zum traditionellen Stoizismus, der zum kontemplativen Leben anleiten wollte, wird die stoische Haltung jetzt zu einem Teil des beruflichen Habitus. Auch die Künstler und Künstlerinnen legen nun Sprödigkeit gegen das Publikum an den Tag, versagen sich Empathie und versprechen „Wahrnehmungsschärfe“, indem sie die Moral auf Eis legen. Nicht wenige Genres heutiger Medienkultur (von Italowestern bis zu Terminator- und Horrorfilmen) aktualisieren diese Haltung, indem sie extreme Affekte zwischen Panik und Herzenskälte ausreizen – fern den Idealen der Stoa.

Die Tagung verfolgt Wandlungen und Übertragungen der modernen Phänomene stoischer Haltung und fragt, welche Funktionen sie in Handlungsräumen der Gegenwart erfüllen könnten.

Konzeption: Justus Fetscher (Seminar für Deutsche Philologie, Universität Mannheim), Helmut Lethen (IFK, Wien)

TeilnehmerInnen: Gesa Frömming (Department of Germanic & Slavic Languages, Vanderbilt University), Markus Hahn (Fachbereich 3 – Medienwissenschaften, Universität Siegen), Klaus Mönig (Deutsches Seminar–Neuere Deutsche Literatur, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg), Barbara Neymeyr (Deutsches Seminar–Neuere Deutsche Literatur, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg), Dr. Katrin Solhdju (Sprach-, Literatur- und Medienwissenschaften, Universität Siegen), Martin Treml (Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin), Christopher Wild (Department of Germanic Studies, University of Chicago), Yvonne Wübben (Germanistisches Institut, Ruhr-Universität Bochum), Cornelia Zumbusch (dzt. derzeit Fachbereich Literaturwissenschaft, Universität Konstanz)

Programm

Donnerstag, 14. April 2011
14.00
Begrüßung Helmut Lethen Einleitung Justus Fetscher
STOISCHES DENKEN SEIT DER FRÜHEN NEUZEIT
Moderation: Justus Fetscher

14.30
Barbara Neymeyr
Anästhesie bis zur „Bildsäulenkälte". Nietzsches Kritik am Stoizismus

15.30

Kaffeepause

16.00
Christopher Wild
Conversio und constantia: Barocke Trauerspiele als geistiges Exerzitium

17.00
Klaus Mönig
Vom Recht auf Affekte und Sinnesfreuden:
Peter Paul Rubens und die stoische Philosophie des Justus Lipsius

18.00
Ende

Freitag, 15. April 2011, Ort: IFK
STOISCHES IDEAL UND BÜRGERLICHE EMPFINDUNGSKULTUR.
DIE RÜCKKEHR DES STOISCHEN IM BERUFSHABITUS DES 19. JAHRHUNDERTS
Moderation: Yvonne Wübben

9.30
Gesa Frömming
Der „neue Herkules": Wielands Kritik des Stoizismus im Kontext des spätaufklärerischen Melancholiediskurses

10.30

Kaffeepause

11.00
Katrin Solhdju
Kalt – warm – heiß. Einige Grenzen der stoischen Pose

12.00
Cornelia Zumbusch
Mucius‘ Hand. Zum Paradox des aufgeklärten Stoizismus

13.00
Mittagspause
DAS IDEAL DER IMPASSIBILITÉ IM 20. JAHRHUNDERT
Moderation: Helmut Lethen

14.30
Yvonne Wübben
Die Kälte des Wissens. Stoische Reemergenzen und psychiatrische Affektkultur (1900–1930)

15.30
Kaffeepause

16.00
Marcus Hahn
„Das Kommen und Sterben der Typen“. Paläontologie bei Gottfried Benn

17.00
Martin Treml
Stoiker im Kino. Django, die Antike und der europäische Bürgerkrieg

18.00
Ende

Kontakt

Ingrid Söllner-Pötz

Reichsratstraße 17, 1010 Wien

soellner-poetz@ifk.ac.at

http://www.ifk.ac.at
Redaktion
Veröffentlicht am
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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
Sprache der Ankündigung