Sammelband "Formationen des Politischen"

Sammelband "Formationen des Politischen"

Veranstalter
Jens Adam, Institut für Europäische Ethnologie, HU Berlin; Asta Vonderau, Juniorprofessorin Kulturanthropologie/Volkskunde, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Veranstaltungsort
Ort
Berlin / Mainz
Land
Deutschland
Vom - Bis
15.06.2011 -
Deadline
15.06.2011
Website
Von
Jens Adam

Sammelband zu einer „Anthropologie politischer Felder“: „Formationen des Politischen“ (Arbeitstitel)

„Politiken“ – im Sinne des englischen Begriffs „policy“ – sind auf unterschiedliche Weise produktiv: Sie bringen soziale Akteure, Diskurse und Objekte in neue Beziehungen und verknüpfen sie zu neuen Konfigurationen; sie transportieren Bedeutungen und implementieren administrative Verfahren; sie verteilen Ressourcen und ordnen den physischen Raum; sie bringen soziale Differenzierungen hervor und entwerfen Modelle von Gesellschaftsordnungen.

Politiken führen also gewissermaßen „soziale Leben“, indem sie mit Menschen und Institutionen interagieren, sich mit anderen Wissensfeldern verbinden und auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen Wirkungen erzielen. Politiken konstituieren sich in solchen Prozessen und produzieren gleichzeitig soziale Formationen sowie - intendierte und unintendierte, berechenbare und unberechenbare - Effekte. Diese Effekte und Formationen schreiben sich sowohl diskursiv als auch materiell in den Alltag und in die Organisation einer Gesellschaft ein und tragen somit dazu bei, die in einer Politik enthaltenen Visionen von sozialer Wirklichkeit und Ordnung zu etablieren und zu normalisieren. In diesen Prozessen können die bestehenden Macht- und Gesellschaftsstrukturen reproduziert, gleichzeitig aber auch Räume und Möglichkeiten für soziale und kulturelle Veränderungen und Innovationen geschaffen werden.

In unserem Sammelband möchten wir „Politiken“ als „produktive Felder“ mit anthropologischen Herangehensweisen und Methoden untersuchen. Hierzu knüpfen wir an das Forschungsprogramm einer Anthropology of Policy an. In diesem Rahmen wurde bereits vor 15 Jahren konstatiert, dass „Politiken“ zu grundlegenden und strukturierenden Kategorien der Organisation spätmoderner Gesellschaften geworden sind – vergleichbar mit solch elementaren Konzepten wie „Familie“, „Klasse“ oder „Nation“ (Shore/Wright 1997). Angesichts dieser Feststellung mag die vergleichsweise geringe Beachtung verwundern, die „Politiken“ als expliziter Fokus und konzeptionelles Zentrum anthropologischer Forschung bisher innerhalb der deutschsprachigen Europäischen Ethnologie/Kulturanthropologie gefunden haben. Mit unserem Sammelband möchten wir daher einerseits aktuelle Forschungen, die „Politiken“ als produktive Formationen untersuchen, sammeln und andererseits Theorie und Methodik einer „Anthropologie politischer Felder“ weiter entwickeln.

Ausgehend von der Überlegung, dass eine anthropologische Untersuchung von „Politiken“ sich nicht auf politische Entscheidungszentren oder offizielle Zielsetzungen begrenzen kann, schlagen wir vor, Effekte und Formationen von „Politiken“ als Ausgangspunkt für deren anthropologische Erforschung zu nehmen. Wir sind vor allem an Beiträgen interessiert, die sich einem der folgenden drei Bereiche zuordnen lassen:

- Politische Subjekte. Hier stehen Subjektivierungsprozesse im Zentrum, die durch Politiken in Gang gesetzt werden: Wie werden also Subjekte durch Politiken geschaffen? Wie werden Politiken durch einzelne Akteure und Gruppen inkorporiert? Welche sozialen und kulturellen Dynamiken entwickeln sich im Zusammenspiel von verschiedenen politischen Subjekten?

- Politische Materialitäten. Hier denken wir etwa an Antragsformulare, bürokratische Apparate oder Computerprogramme, die zur Planung und Umsetzung von Politiken geschaffen werden: Welche weiteren materiellen Formen oder Effekte werden durch Politiken produziert? Wie tragen diese zur Legitimation und Normalisierung von Politiken bei?

- Politische Modelle. Im Fokus stehen hier Verknüpfungen verschiedener Diskurse und Wissensbestände als Effekte einer Politik: Welche Visionen und Modelle von gesellschaftlicher Ordnung werden durch eine Politik produziert? Wie wird wissenschaftliches Wissen in die Entwicklung und Realisierung von Politiken eingebunden? Und welche Modelle entwerfen KulturanthropologInnen/Europäische EthnologInnen, um Politiken zu erforschen?

Wir gehen davon aus, dass durch die Untersuchung von Formationen und Effekten einzelner Politiken breitere Konstellationen und Logiken spätmoderner Macht und Regierungsführung greifbar werden. Gleichzeitig sollten durch diesen Fokus auch Potentiale für Skepsis, Kritik und Widerstand sichtbar werden, welche sich für Individuen und soziale Gruppierungen innerhalb von/im Verhältnis zu produktiven politischen Feldern ergeben.

Für diesen Sammelband bitten wir um die Zusendung von Abstracts für mögliche Beiträge. Diese Skizzen sollten etwa aus 300 Worten bestehen und bis zum 15.6.2011 an untenstehende Email-Adressen gesandt werden.

Willkommen sind sowohl Vorschläge, die als Ergebnis einer empirischen Forschung zu einer „Politik“ in den Disziplinen Europäische Ethnologie/Kulturanthropologie/Volkskunde entstehen als auch methodologische oder konzeptionelle Weiterentwicklungen einer „Anthropologie politischer Felder“. Die ausgewählten Beiträge werden in einem Sammelband im Transcript Verlag veröffentlicht. Die fertig gestellten Artikel sollten bis zu dem 15.12.2011 vorliegen und etwa 20 Seiten umfassen.

Kontakt:
Jens Adam: JensCadam@gmx.de
Asta Vonderau: vonderau@uni-mainz.de

Asta Vonderau ist Juniorprofessorin für Kulturanthropologie am Deutschen Institut, Abteilung Kulturanthropologie/Volkskunde der Johannes Gutenberg Universität Mainz. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind: Migration und Mobilität, postsozialistische Transformationen in (Ost-)Europa, Anthropologie der Politik und Ökonomie.
Publikationen:
2010 Asta Vonderau: Leben im ‚neuen Europa’. Konsum, Lebensstile und Körpertechniken im Postsozialismus. Bielefeld: Transcript.
2008 Ingo W. Schröder, Asta Vonderau (Hg.) Changing Economies, Changing Identities in Postsocialist Eastern Europe. Münster: LIT-Verlag (=Max-Planck Institute for Social Anthropology, Halle Studies in the Anthropology of Eurasia).
2006 Kerstin Pöhls, Asta Vonderau (Hg.) Turn to Europe. Kulturanthropologische Europaforschungen. Münster/Hamburg/Berlin: LIT-Verlag (=Berliner Blätter. Ethnographische und ethnologische Beiträge. Heft 41/2006).

Jens Adam ist Doktorand am Institut für Europäische Ethnologie der HU Berlin. Seine Arbeitsschwerpunkte sind: Kultur- und Identitätspolitiken, urbane Anthropologie, Anthropologie trans-/internationaler Felder.
Publikationen:
2005 Jens Adam: „Kaum noch normale Berliner“. Stadtanthropologische Erkundungen in einem „sozialen Problemquartier“. Münster: Lit-Verlag.
2007 Jens Adam et al.: Transitraum Deutsch. Literatur und Kultur im transnationalen Zeitalter. Wrocław/Dresden: Neisse Verlag.

Programm

Kontakt

Jens Adam

Institut für Europäische Ethnologie, HU Berlin
0171-6277645

JensCAdam@gmx.de


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