Die Shoa in Schule und Öffentlichkeit. Erfahrungen - Erwägungen - Empfehlungen

Die Shoa in Schule und Öffentlichkeit. Erfahrungen - Erwägungen - Empfehlungen

Veranstalter
Zentrum Politische Bildung und Geschichtsdidaktik der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz (PH FHNW) am Zentrum für Demokratie Aarau; Professur für die Didaktik der Gesellschaftswissenschaften und ihre Disziplinen der PH FHNW
Veranstaltungsort
Ort
Aarau
Land
Switzerland
Vom - Bis
21.01.2012 - 21.01.2012
Deadline
30.09.2011
Website
Von
Béatrice Ziegler, Peter Gautschi

Call for Papers

Die Shoa ist ein Pflichtthema für den Unterricht und omnipräsent in der Öffentlichkeit. Im Umfeld des "Tag des Gedenkens an den Holocaust" vom 27. Januar finden an zahlreichen Orten schulische Aktivitäten statt. Am Samstag, 21. Januar 2012, organisiert die PH FHNW eine Veranstaltung zum Umgang mit der Shoa in Schule und Öffentlichkeit. Hier tauschen Fachleute aus verschiedensten Institutionen (Schulen, Hochschulen, geschichtskulturelle Öffentlichkeit) ihre praktischen Erfahrungen und daraus abgeleitet ihre empirischen Erkenntnisse und theoretischen Erwägungen aus und überlegen gemeinsam in verschiedenen Workshops, wie die Shoa im regulären Unterricht und am Gedenktag thematisiert werden kann.

Die Plenarversammlung der EDK beschloss am 12. Juni 2003, den «Nationalen Tag des Gedenkens an den Holocaust und der Verhütung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit» ab 2004 jeweils am 27. Januar durchzuführen. Drei Aspekte des Themas wurden festgelegt: die Erinnerung an den Holocaust, die Erinnerung an die Genozide, die die Geschichte Europas im 20. Jahrhundert prägten, Überlegungen zu den Menschenrechten, zur Toleranz sowie zum interreligiösen und interkulturellen Dialog.

Mit diesem Beschluss brachte sich die Schweiz in ein internationales Netzwerk ein, dessen institutionelle Umsetzung in der «Task Force for International Cooperation on Holocaust Education, Remembrance and Research» (ITF) definiert wird. Die ITF mit heute 26 Mitgliedstaaten wurde im Mai 1998 auf Initiative des schwedischen Ministerpräsidenten Göran Persson gegründet. Die ITF richtet besondere Aufmerksamkeit auf die Lehrerinnen- und Lehrerbildung.

Die EDK ruft seither jedes Jahr Kantone und Institutionen zu Aktivitäten am 27. Januar auf, richtete eine Website ein (http://www.educa.ch/dyn/86944.asp) und führte im Jahr 2005 ein zweitägiges Symposium durch, um Lehrerinnen und Lehrer in ihrem Engagement zu unterstützen. Angesichts des föderalistischen Bildungssystems der Schweiz ist eine «bottom-up»-Umsetzung des Gedenktags erforderlich. Tatsächlich haben verschiedene Kantone und Schulen seit 2004 erfolgreich Aktivitäten durchgeführt, auch wenn trotz klarem EDK-Beschluss das Engagement für den Gedenktag bei den meisten der 26 Kantone eher zurückhaltend ausfällt. Viele Bildungsdirektionen haben den Tag zwar zur Kenntnis genommen und das jährliche Erinnerungsschreiben der EDK weitergeleitet, realisieren aber kaum eigene Projekte.

Es gibt Argumente dafür, Völkermorde in der Schule nicht aufzugreifen: Das Sichtbarmachen von abscheulichen Verbrechen kann schockieren oder abstumpfen. Es wird auch argumentiert, dass Schule nicht der richtige Ort sei, Schreckliches zu thematisieren. Dafür sei ein geschützter Rahmen mit anderen Kommunikationsformen besser geeignet. Auch wird darauf hingewiesen, dass die multikulturelle Zusammensetzung von Lerngruppen ein Konfliktpotential in sich berge.

Trotzdem haben viele Lehrpersonen unterschiedlicher Stufen, Dozierende vieler Hochschulen und Akteure verschiedenster geschichtskultureller Institutionen in den letzten Jahren Erfahrungen in der Thematisierung der Shoa gemacht, diese Erfahrungen zum Teil systematisch ausgewertet und ihre Konzepte und Theorien dazu geschärft. Am Samstag, 21. Januar 2012, organisiert die PH FHNW dazu eine Veranstaltung, damit Fachleute gemeinsam in verschiedenen Workshops darüber nachdenken und diskutieren können, wie die Shoa hier und heute vermittelt werden kann. Dazu wird ein Reflexionsfeld aufgespannt, das einerseits die Zielgruppen möglicher Vermittlungsaktivitäten unterscheidet (Schüler/innen der Primar- und Sekundarstufen I und II; Studierende in Hochschulen; Öffentlichkeit in geschichtskulturellen Institutionen und mittels Medien) und das andererseits die drei didaktischen Grundfragen nach Zielen, Themen und Inszenierungen beleuchtet.

Ziele
Mit der Vermittlung der Shoa in Schule, Hochschule und Öffentlichkeit werden verschiedenste Zielsetzungen verfolgt. Zum einen soll Wissen zu dieser in der Menschheitsgeschichte beispiellosen Vernichtung angeboten werden. In der Auseinandersetzung mit diesem Thema können fachspezifische und allgemeine Kompetenzen und Haltungen wie Wahrnehmungsfähigkeit, Empathie, Toleranz oder Respekt aufgebaut werden. Lernende und Lehrende können ermuntert werden, moralische Fragen zu stellen und ihre Einstellungen hinsichtlich Diskriminierung und Schutz der Menschenrechte zu reflektieren. Zum andern soll die Erinnerung an die Opfer bewahrt werden. Eine gründliche Auseinandersetzung mit der Shoa hilft, über Macht und Herrschaft nachzudenken, Verantwortlichkeiten zu hinterfragen, Handlungsspielräume und Handlungsgrenzen in den Blick zu bekommen. Das Studium der Shoa macht auch deutlich, wie moderne Gesellschaften ihre technologischen Fähigkeiten und Infrastruktur einsetzen, um die Vernichtung von Menschen durchzuführen.

Angesichts der Vielzahl möglicher Ziele stellen sich mit Blick auf unterschiedliche Zielgruppen zentrale Fragen:
- Holocaust-Vermittlung oder Holocaust-Erziehung?
- Dient die Vermittlung des Schrecklichen der Prävention des Schrecklichen?
- Erleichtert oder hemmt Betroffenheit beim Verständnis der Shoa?

Themen
Mit „Shoa“ werden die Morde an den rund sechs Millionen Jüdinnen und Juden durch die Nationalsozialisten und ihre Kollaborateure während des Zweiten Weltkriegs bezeichnet. Weil die Diskriminierung der Juden durch die Nationalsozialisten mit Hitlers Machtübernahme im Januar 1933 begann, sehen viele Historikerinnen und Historiker darin den Beginn der Epoche der Shoa. Lange Zeit standen die Opfer und die Täterinnen und Täter im Zentrum der Auseinandersetzung mit der Shoa. Später rückten dann auch die Zuschauenden, die Kollaborateure, die Retterinnen und Retter und weitere Personengruppen in den Fokus.

- Welche historischen Ereignisse und Phänomene, welche Quellen und Darstellungen, welche Bilder müssen zur Behandlung der Shoa herangezogen und beleuchtet werden?
- Kann und soll die Shoa ohne die Thematisierung anderer Genozide, ohne die Thematisierung des Staates Israel behandelt werden?
- Worin unterscheidet sich die Vermittlung der Shoa in der Schweiz von derjenigen in Deutschland oder Israel?
- Welche Aspekte der Shoa bewirken bei Lernenden, Studierenden, Besucherinnen und Besuchern von Museen grosses Interesse?
- Welche Aspekte sollten/könnten in den Medien stärker thematisiert werden?
- Gibt es einen Wettbewerb der Genozide, und was bedeutet dies für die Vermittlung der Shoa?

Inszenierungen
Die Task Force for International Cooperation on Holocaust Education, Remembrance and Research (www.holocausttaskforce.org) hat nicht nur zu Zielen und Themen Empfehlungen zur Vermittlung der Shoa formuliert, sondern auch eine Reihe von Merksätzen zu Inszenierungen festgehalten, u.a. : Schaffen Sie ein positives Lernumfeld im Kontext einer schülerorientierten und auf aktive Aneignung ausgerichteten Didaktik. Achten Sie darauf, geeignete schriftliche und visuelle Materialien zu verwenden, und setzen Sie Bilder, auf denen die Opfer des Holocaust auf besonders schreckenerregende Weise abgebildet sind, nicht als Mittel ein, um Ihre Schüler für das Studium des Holocaust zu interessieren. Individualisieren Sie das Geschehene, indem Sie Statistiken in persönliche Geschichten übersetzen. Zeitzeugenberichte machen die Geschichte für Schüler fassbar und anschaulich.

Die Merksätze selber regen zu weiteren Fragen an:
- Wie soll und kann die Shoa vermittelt werden, wenn keine Zeitzeugen mehr berichten?
- Welche Rolle spielen Spielfilme und (Jugend-)Literatur bei der Thematisierung der Shoa in der Schule und der Öffentlichkeit
- Wann sind „Holocaust-Gedenktage“ wirksam?
- Worin liegt die Chance von Exkursionen und Studienreisen zum Thema der Shoa?
- Welche Unterrichtsideen haben sich in welchen Stufen bewährt?
- Wie lässt sich die Shoa in der Schweiz heute ausstellen?

Zu diesen drei didaktischen Grundfragen aber auch zu den unterschiedlichen Zielgruppen Lernende, Studierende und geschichtskulturelle Öffentlichkeit werden mit der vorliegenden Ausschreibung Vorschläge für Beiträge zur Tagung erbeten. Sie können sowohl einzelne als auch mehrere Aspekte aus dem Reflexionsfeld aufgreifen und sich eher an Zielgruppen oder an den Fragen orientieren. Besonders geeignet sind konkrete Praxisbeispiele, empirische Erkenntnisse oder theoretische Überlegungen.
Für die Beiträge werden jeweils 20 Minuten Präsentationszeit und danach 25 Minuten Diskussionszeit vorgesehen. Die Tagung wird mit einem Inputreferat eröffnet und einer Tagungsberichterstattung abgeschlossen.

Diese auf die Vermittlungspraxis ausgerichtete Veranstaltung ist bereits die dritte im Rahmen des Zyklus der PH FHNW "Erinnerung - Verantwortung - Zukunft": Gedenktag an die Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Während im Jahr 2010 politische und strategische Überlegungen im Zentrum der Tagung standen, so rückten im Jahr 2011 wissenschaftliche Untersuchungen und Erkenntnisse ins Zentrum. Unter dem Titel "Die Schweiz und die Shoa. Von Kontroversen zu neuen Fragen" diskutierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Thema unter verschiedensten Gesichtspunkten (vgl. dazu Tagungsbericht unter http://www.fhnw.ch/ph/pbgd/veranstaltungen/die-schweiz-und-die-shoa/veranstaltungen-im-zentrum-politische-bildung-und-geschichtsdidaktik).

Eingaben für Beiträge sind bis zum 30. September 2011 erwünscht. Sie erhalten Bericht bis zum 15. Oktober. Eingaben im Umfang von max. 1 A4-Seite sind zu richten an:
claudia.schneider@fhnw.ch. Die Eingabe soll a) einen Titel, b) eine kurze Beschreibung des Projekts, c) eine Situierung im Reflexionsfeld, d) kurze biografische Angaben über die eingebende Person sowie e) eine Kontaktadresse inkl. E-Mail-Adresse umfassen.

Programm

Kontakt

Claudia Schneider

Zentrum Politische Bildung und Geschichtsdidaktik PH FHNW

claudia.schneider@fhnw.ch


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Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
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