Die aktuelle akademische Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses an deutschen Universitäten und Hochschulen unterscheidet sich grundlegend von der Situation vorhergehender Wissenschaftsgenerationen. Das Symposium geht in drei Schritten diesen Folge-Erscheinungen des fortgeschrittenen Bologna-Prozesses für das Fach Musikwissenschaft auf den Grund, möchte eine Charakterisierung der aktuellen Situation insbesondere in Deutschland vornehmen und dabei Chancen und Risiken erörtern.
(1.) An das Erbe hochspezialisierter methodischer Paradigma, die das Fach seit seinen Anfängen entwickelt und verfeinert hat, scheint sich heute an junge Forscherprofile vermehrt der Anspruch breiter internationaler, inter- und transdisziplinärer Fragestellungen zu reihen. Darüber hinaus erfordert die Lehre an den Universitäten und Hochschulen reflektierte methodisch-didaktische Kompetenz (E-Learning, Evaluation, etc.). Wie lässt sich die aktuelle Situation der Musikwissenschaft unter den Eckpunkten von Spezialdisziplin und allgemeiner Kulturwissenschaft zwischen Forschungsinstitut, Universität und Musikhochschule beschreiben?
(2.) Ein Großteil der wissenschaftlichen Stellen im Mittelbau ist befristet oder wird über Drittmittelgelder finanziert. Der Anteil an drittmittelfinanzierten Stellen und Projekten scheint die Attraktivität von Universitäten und Forschungseinrichtungen bei Hochschulrankings zu steigern. Erfahrung beim Einwerben von Fördergeldern sind bei vielen Berufungsverfahren eine wichtige Voraussetzung. Darüber hinaus scheinen befristete Stellen oder Projektstellen ein effektiver Weg zur zielgerichteten, effizienten und leistungsorientierten Bearbeitung von konkreten Forschungsvorhaben zu sein. Diese Einschätzung wird von mehreren – meist gewerkschaftsnahen – Studien kontrastiert, wonach gerade die Befristung von Stellen und die – statistisch gesehen – fehlende dauerhafte Perspektive im wissenschaftlichen Mittelbau Nachwuchskräfte häufig in „unsichere“, bzw. „nicht-normale“ oder „prekäre“ Arbeitsverhältnisse stellt. Wird die zeitliche Begrenzung von Stellen und der erfolgte Abbau von Planstellen im Mittelbau dem Anspruch gerecht, langfristig die beste Möglichkeit exzellenter wissenschaftlicher Forschung zu sein? Wie verhält sich dieser Anspruch zum biographischen Werdegang des einzelnen Wissenschaftlers?
(3.) Worin unterscheidet sich die heutige berufliche Situation vom Musikwissenschaftler, bzw. -gelehrten der Vergangenheit?
Es referieren Dörte Schmidt (Musikwissenschaft, Universität der Künste Berlin), Christoph Stölzl (Präsident, Hochschule für Musik „Franz Liszt“ Weimar), Klaus Dörre (Soziologie, Friedrich-Schiller-Universität Jena) und Ulrich Charpa (Wissenschaftsgeschichte, Leo Baeck Institute London/ Ruhr-Universität Bochum). Im anschließenden Roundtable sind alle Teilnehmer zur Mitdiskussion eingeladen.