Ausgangspunkt der interdisziplinären Veranstaltung ist ein Ordnungskonzept, das herrschende Ordnungen nicht als die eine Ordnung, sondern als ein interdependentes Ensemble von Ordnungen verschiedener Art begreift. Idealerweise bilden solche Ensembles in dem Sinne Systeme von Ordnungen, dass Veränderungen in einem Bereich intendierte oder auch nicht intendierte, aber durch das Ganze des Ordnungsensembles bedingte Veränderungen in anderen Bereichen nach sich ziehen. In Reinform wird eine solchermaßen geordnete Gesellschaft allerdings nur in Idealstaatskonzepten zu finden sein. In der historisch-politischen Realität sind dagegen immer „Störfaktoren“ verschiedener Art wirksam, was in Zeiten eines Umbruchs besonders sichtbar wird: Mit der Veränderung der sozialen Ordnung und ihrer normativen Basis verschiebt sich oft auch der Wahrnehmungsradius der Menschen, verändern sich Vorstellungen von Raum und Zeit und wandelt sich der Geltungsanspruch obrigkeitlicher Regelungen (etwa im Übergang vom lokalen Rahmen hin zu flächenhafter Territorialität). Zugleich treten Spannungen auf, horizontal etwa im Verhältnis von Zentrum und Peripherie und vertikal etwa im Verhältnis von mikropolitischen Interaktionen und übergreifend-abstraktem Staatshandeln.
Diese allgemeinen Aussagen gilt es zu konkretisieren und empirisch zu überprüfen. Dies soll im Rahmen des Workshops in Auseinandersetzung mit dem „Nationalstaat“ als einer zentralen Ordnungskonfiguration versucht werden, die den unterschiedlichen Beiträgen als heuristische Klammer dient.
Fragestellungen, denen sich die Referate widmen, sind zum Beispiel:
- Welche übergeordneten Ordnungskonzepte liegen in der Moderne bereit und wie lassen Sie sich beschreiben?
- Welche Ordnungsvorstellungen sind innerhalb des Konzepts „Nationalstaat“ zentral?
- Welche gesellschaftlichen Ordnungen sind durch die Ordnungskonfiguration „Nationalstaat“ mitbetroffen?
- Wie haben sich Nationalstaaten historisch-faktisch etabliert und durch welche Ordnungen stiftende, Ordnungen erhaltende und Ordnungen propagierende Mechanismen haben sie sich stabilisiert?
- „Vor dem Nationalstaat“: Welche charakteristischen Ordnungskonzepte und herrschenden Ordnungskonfigurationen bestimmen die frühe Neuzeit vor dem Nationalstaat?
- „Nach dem Nationalstaat“: Welche Rückwirkungen auf Konzept und Realität des Nationalstaats hat die Entstehung supranationaler Ordnungen und Institutionen?