Die 14. Tagung des Forums "Jüdische Geschichte und Kultur in der Frühen Neuzeit" widmet sich dem Thema:
Solidarität und ihre Grenzen: Dynamiken von Beziehungs- und Ausgrenzungsprozessen in der frühneuzeitlichen Judenschaft
Solidarität hält eine Gemeinschaft zusammen und konstituiert sie, definiert aber auch ihre (situativ verschiebbaren) Grenzziehungen nach Außen. Im Kontext der jüdischen Geschichte hat daher die Solidarität einen besonderen Stellenwert, sowohl in der Innenperspektive der jüdischen Gemeinschaft als auch als Geschichte der Beziehungen und Grenzziehungen zwischen Juden und ihrer nichtjüdischen Umwelt.
Das Gebot der Zedaka (Wohltätigkeit) und die Memoria, das Totengedenken, sind ebenso ein Grundstock der Solidarität wie das Prinzip des „Klal Jisrael“ (Gesamtheit Israels, jüdische Gemeinschaft) – alle drei identitätsstiftend wie ein- und ausschließend zugleich. Obwohl sich ein komplexes Netzwerk an gemeindlichen und übergemeindlichen Institutionen entwickelte, gelangte die jüdische Gesellschaft – anders als es der antijüdische Vorwurf eines „Staat im Staates“ suggerieren mag – niemals zu einer monolithischen Geschlossenheit. Genannt seien hier beispielsweise die Grenzziehungen zwischen Aschkenasim und Sefardim oder zwischen Orthodoxen und Reformern. Solidarität stellt sich daher als ein Prüfstein für sozio-kulturelle Binnenkohäsion, ihre historische Entwicklung und ihre Grenzen dar.
Die Grenzen der Solidarität zeigen sich auf verschiedenen Ebenen. So konnte Solidarität entzogen werden, etwa durch unfreiwilligen Ausschluss aus der Gemeinschaft durch den Bann (Cherem), oder auch aufgekündigt werden infolge des freiwilligen, gänzlichen Austritts durch Konversion. Beziehungsstrukturen zwischen jüdischer und nichtjüdischer Gesellschaft zeigen sich dort, wo sich verschiedene Solidargemeinschaften überlappen, so etwa die Stadtgemeinschaft und die jüdische Gemeinde.
Solidarität stellt sich daher nicht als singuläres, sondern pluralistisches, bewegliches Prinzip dar, dessen Ausgestaltung und Grenzziehungen im frühneuzeitlichen Judentum Gegenstand der Tagung sein werden.
Beiträge von ca. 20 Minuten Länge aus den unterschiedlichsten Arbeitsbereichen und Perspektiven, die sich mit jüdischer Solidarität und Ausgrenzung zwischen dem Spätmittelalter und dem 19. Jahrhundert beschäftigen, sind in Form von Berichten, Projektvorstellungen oder ausgearbeiteten Vorträgen herzlich willkommen. Vorschläge erbitten wir bis zum 16.11.12 mit einem kurzen Abstract an folgende Adressen: barbara.staudinger@injoest.ac.at; ries@forum-juedische-geschichte.de.
Die Tagung wird von Rotraud Ries, Barbara Staudinger (Institut für jüdische Geschichte Österreichs, St. Pölten) und Birgit Klein (Hochschule für jüdische Studien, Heidelberg) zusammen mit dem Referat für Geschichte der Akademie veranstaltet.