Der Bezug auf „Sicherheit“ ist zu einem konstitutiven Merkmal der öffentlichen, politischen und wissenschaftlichen Debatten über Kriminalität geworden. Die Trennung von innerer Sicherheit, äußerer Sicherheit und der Gewährleistung von sozialer Sicherheit galt dabei lange Zeit als Kerncharakteristikum einer modernen, rechtsstaatlichen Politik. In den letzten Jahren sind nicht nur diese Unterscheidungen diffuser geworden, „Sicherheit“ ist zunehmend zu einer allgemeinen Referenzkategorie geworden, mit der unterschiedliche Bereiche und Phänomene des sozialen und öffentlichen Lebens gedeutet und als Bedrohungen problematisiert werden. Gleichzeitig wurde die „Sicherheitsforschung“ zu einem interdisziplinären und internationalen Schwerpunktthema, in dem die Kriminologie nur eine Disziplin unter anderen darstellt. Der Bezug auf „Sicherheit“ stellt tatsächlich für die Kriminologie keine Selbstverständlichkeit dar. Auch wenn es historische Sicherheitsdiskurse und Vorläufer gegeben hat, so ist „Sicherheit“ innerhalb der Kriminologie bislang allenfalls in Randbereichen ein relevantes Konzept gewesen; in den gängigen Lehr- und Handbüchern zur Kriminologie oder in den kriminologischen Wörterbüchern tauchte der Begriff bis vor wenigen Jahren überhaupt nicht auf.
Was bedeutet es nun für die Kriminologie und für die Kriminalpolitik, wenn das diffuse Konzept von „Sicherheit“ in öffentlichen, politischen und auch in wissenschaftlichen Diskursen zu einem zentralen Bezugspunkt gemacht wird und Kriminalität, Auffälligkeiten und soziale Probleme als Bedrohung von Sicherheit problematisiert werden? Welchen Beitrag leistet die Kriminologie als kritische Begleitung oder auch als wichtiger Motor der Entwicklung einer Sicherheitskultur und einer Sicherheitsgesellschaft?
Um der Vielschichtigkeit der Veränderungen und der Rolle der Kriminologie in diesem Prozess gerecht werden zu können, wählt die GIWK-Tagung „Auf dem Weg zu einer sicheren Gesellschaft?“ bewusst einen breiten Zugang zum Zusammenhang von Sicherheit, Kriminalität, Kriminalpolitik und Kriminologie. Der Fokus der Vorträge und Diskussionen soll vier Dimensionen der Entwicklung von Sicherheitskulturen und Sicherheitsgesellschaft in den Vordergrund stellen:
1. Neue und neuartige Sicherheitsdiskurse und Bedrohungsszenarien
(z.B. historisch-vergleichende Studien, neue Risikogruppen, Internationalisierung von Bedrohungen, Entwicklung von Sicherheitskulturen, subkulturelle Sicherheitsdiskurse und Gegendiskurse)
2. Alte und neue Akteure der Sicherheitsproduktion
(z.B. Rolle der Medien, trans- und supranationale Akteure der Problematisierung und der Produktion von Sicherheit, Sicherheitspolitiken, private Unternehmen, soziale Bewegungen, NGOs)
3. Instrumente, Techniken und Praktiken der Sicherheitsproduktion
(z.B. Prognose und Risikomanagement, Überwachung, Screening, (Informations-)Technologien der Sicherheitsproduktion, Sicherheitsrecht, Prävention, Krisenmanagement)
4. Neue Gruppen, Gegenstände und Ursachen der Gefährdung von Sicherheit
(z.B. organisiertes Verbrechen, Terrorismus, Religion als Sicherheitsbedrohung, Biologie, Verletzlichkeit von Infrastruktur)
Angebote zu Tagungsbeiträgen und Referaten sollten einen der Themenschwerpunkte fokussieren. Erwartet werden Vorschläge sowohl für theoretische-konzeptionelle als auch für empirische und historische Vorträge. Die maximal einseitigen Vortragskizzen werden bis spätestens
zum 28. Februar 2013 per Mail erbeten an axel.groenemeyer@uni-dortmund.de