Katastrophen im östlichen Europa vom 18. Jahrhundert bis heute

Katastrophen im östlichen Europa vom 18. Jahrhundert bis heute

Veranstalter
Prof. Dr. Klaus Gestwa / Dr. Marc Elie, Sonderforschungsbereich 923 „Bedrohte Ordnungen“; in Zusammenarbeit mit dem Institut für Osteuropäische Geschichte und Landeskunde der Universität Tübingen; und dem Centre d’études des mondes russe, caucasien et centre-européen (CNRS/EHESS)
Veranstaltungsort
Universität Tübingen, Institut für Osteuropäische Geschichte und Landeskunde, Wilhelmstraße 36 (Hegelbau), Großer Übungsraum Altphilologie
Ort
Tübingen
Land
Deutschland
Vom - Bis
21.02.2013 - 22.02.2013
Website
Von
Prof. Dr. Klaus Gestwa

Der geplante Workshop hat zum Ziel, die Osteuropa- und die Katastrophenforschung zusammenzuführen. Erörtert wird zum einen, welche neuen Akzente die Osteuropaforschung zu setzen vermag, zum anderen inwieweit die gebräuchlichen Erklärungsmuster zur Geschichte des östlichen Europas durch katastrophenhistorische Perspektiven hinterfragt und bereichert werden können. Themen der Vorträge sind Hungersnöte, Überschwemmungen und Erdbeben sowie nukleare Unfälle und der Super-GAU in Tschernobyl.Dem Forscher vermittelt die sozial- und kulturwissenschaftliche Untersuchung der Katastrophe neue Aufschlüsse darüber, was Ordnungen brüchig und was sie widerstandsfähig macht. Katastrophen bringen nicht nur Unheil und Zerstörung; sie können auch zu Wandel und Umbruch führen. Mit jeder Katastrophe gehen gesellschaftliche Selbstbeobachtungsprozesse einher. Es kommt zu einer anstrengenden Reflexion über die Geltungs- und Gestaltungskraft der sozialen Ordnungen. Auf dem Workshop wird darum intensiv die Frage diskutiert, inwiefern Katastrophen im östlichen Europa als Katalysator des sozialen Wandels gewirkt haben. Im Fokus stehen besonders die Beziehungen zwischen Zentrum und Region.Katastrophen sind meist große Kommunikationsereignisse. Die Vorträge gehen deshalb näher auf die damit verbundene Bedrohungskommunikation ein, um über ihre Analyse wichtige Einblicke in Medien- und Machtstrukturen und in den Gestaltwandel der Öffentlichkeit zu erhalten. Auch in der Erinnerungskultur spielen Katastrophen immer wieder eine große Rolle, die es näher zu untersuchen gilt. Auf dem Workshop werden zudem die sozialen und kulturellen Folgen der Katastrophenbewältigung thematisiert. Die Emotio-nalisierung der Bedrohungskommunikation kann einerseits zu aggressiven Verteilungskämpfen und Ausgrenzungen führen. Anderseits hat die Bewältigung von Katastrophen oftmals große Bedeutung für den sozialen Zusammenhalt. Infolge von Solidarisierungen und Gemeinschaftsbildungen erfahren Gesellschaften und Gruppe ihre Verbundenheit. Die ordnungsbedrohenden und ordnungsstiftenden Auswirkungen der Katastrophen werden sowohl für die Geschichte Russlands und der Sowjetunion als auch für die gesellschaftliche Entwicklung ostmittel- und südosteuropäischer Regionen eingehender analysiert.

Programm

14.00 – 14.15 Uhr
Begrüßung und Einführung
Klaus Gestwa
 
14.15 – 15.45 Uhr
Sektion 1:
Risiko und Nutzen abwägen: Kontroversen um Ressourcen und Umwelt

Christian Lotz:
Katastrophenabwehr oder Rohstoffausbeutung? Debatten um Waldgebiete und ihre Schutzfunktion gegen Überschwem-mungen und Bodenerosion im Nord- und Ostseeraum während des 19. Jahrhunderts

Georgios Tziafetas:
Flutkatastrophe versus Umweltverschmutzung: Die Konkurrenz der Bedrohungen in der öffentlichen Diskussion über den Leningrader Dammbau während der 1980er und 1990er Jahre
Kommentar: Sandro Ratt

16.15 – 18.15 Uhr
Sektion 2:
Katastrophen und die Beziehungen zwischen Zentrum und Region

Dorin-Ioan Rus:
Die Überschwemmungen des Jahres 1771 in Siebenbürgen. Die Rolle des Zentrums bei der Katastrophenbewältigung

Nigel Raab:
Das Taschkent Erdbeben von 1966: Vom Nutzen und Nachteil einer Tragödie

Petar Petrov:
Überschwemmung und Wiederaufbau im bulgarischen Dorf 2012: Historische, politische und soziokulturelle Hintergründe einer Katastrophe
Kommentar: Jan Hinrichsen

Donnerstag, 21. Februar 2013
Abend

18.30 – 19.30 Uhr
Abendvortrag
Alexander Moutchnik:
Die „heilige“ Katastrophe: Der Untergang der Stadt Kitesch in der Erinnerungskultur Russlands seit dem 18. Jahrhundert
Kommentar: Igor Narskij

Freitag, 22. Februar 2013

09.00-10.30
Sektion 3: Die politische Kommunikation in Zeiten von Hungerkatastrophen

Dominik Collet:
Hungern und Herrschen. Friedrich II., die Erste Teilung Polens und die Hungerkatastrophe, 1770-1772

Robert Kindler:
Sprachregelungen. Die Hungerkatastrophe in Kasachstan 1931-1934 in der Kommunikation bolschewistischer Funktionäre
Kommentar: Jürgen Schmidt

11.00-12.30
Sektion 4: Aus Verheißung wird Bedrohung: Die sowjetische Nuklearmoderne auf der Anklagebank

Laura Sembritzki:
Majak 1957: Von der verschwiegenen Katastrophe zum Kommunikationsereignis der Perestrojka-Zeit?

Anna Veronika Wendland:
Tschernobyl vor Gericht. Katastrophe und Kommunikation einer technologischen Leitkultur in der Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten, 1986-2011
Kommentar: Melanie Arndt
 
12.30-13.30
Abschlusskommentar (Marc Elie) und Abschlussdiskussion

Kontakt

Klaus Gestwa

Wilhelmstr. 36, 72074 Tübingen
07071/2972388

klaus.gestwa@uni-tuebingen.de