Wirtschaft und Erinnerung. Industrie, Gewerbe und Handwerk zwischen Traditionalismus und Identitätsbildung (1763-2013). 7. Kolloquium zur Unternehmens- und Wirtschaftsgeschichte

Wirtschaft und Erinnerung. Industrie, Gewerbe und Handwerk zwischen Traditionalismus und Identitätsbildung (1763-2013). 7. Kolloquium zur Unternehmens- und Wirtschaftsgeschichte

Veranstalter
Prof. Dr. Rudolf Boch (Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Technischen Universität Chemnitz); Veronique Töpel (Sächsisches Wirtschaftsarchiv e.V., Leipzig); Andrea Riedel (Sächsisches Industriemuseum Chemnitz)
Veranstaltungsort
Sächsisches Industriemuseum Chemnitz
Ort
Chemnitz
Land
Deutschland
Vom - Bis
11.04.2014 - 12.04.2014
Deadline
15.10.2013
Von
Swen Steinberg

Das Sächsische Wirtschaftsarchiv e.V. veranstaltet am 11./12. April 2014 in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Technischen Universität Chemnitz das mittlerweile 7. Kolloquium zur Unternehmens- und Wirtschaftsgeschichte. Die Tagung steht diesmal unter dem Thema „Wirtschaft und Erinnerung. Industrie, Gewerbe und Handwerk zwischen Traditionalismus und Identitätsbildung (1763-2013)“.

Die geschichtswissenschaftliche Forschung hat sich in den letzten Jahren intensiv mit Konzepten und Prozessen von Erinnerungskultur beschäftigt. Wie wurde und wird die Vergangenheit (re-)konstruiert, in welchen Formen wird sie präsentiert, vermittelt, rezipiert, wie wird das Vergangene in der Öffentlichkeit und vom Einzelnen erinnert? Auch für die Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte sind solche Ansätze von Interesse, haben doch viele Unternehmen die eigene Geschichte in Festschriften, in Gedenkveranstaltungen und in Ausstellungen aktiv aufbereitet und präsentiert. Solche Formen organisierter Erinnerungskultur mochten für das jeweilige Unternehmen ein wichtiges Moment der Selbstdarstellung nach innen und außen sein. Man hoffte damit den Beschäftigten ein Identifikationsangebot zu bieten und sie damit emotional an das Unternehmen zu binden. Die Firmentradition ließ sich aber auch zur Vermarktung von Produkten einsetzen und schuf möglicherweise Vertrauen bei Geschäftspartnern, Geldgebern und Kunden.
Mit solchen Fragen unternehmensgeschichtlicher Erinnerungskultur wollen wir uns auf der Tagung „Wirtschaft und Erinnerung: Industrie, Gewerbe und Handwerk zwischen Traditionalismus und Identitätsbildung (1763-2013)“ eingehend beschäftigen. Wir möchten uns dabei allerdings nicht auf die enge Perspektive unternehmerischer Erinnerungspolitik beschränken, sondern möglichst auch die anderen Akteure auf dem Handlungs- und Diskursfeld „Wirtschaft und Erinnerung“ in den Blick nehmen: Kommunen und Unternehmerverbände, Zünfte und Innungen, Kammern und Verbände des Handwerks, die Arbeiternehmer und ihre Organisationen. Aus diesen Überlegungen ergeben sich für die Tagung die folgenden thematischen Schwerpunkte:

(I) Tradition und Identität
Hier geht es einmal um die Frage nach Funktion und Rezeption von Traditionsbildung und Eigengeschichtspflege. Erzielte solche "Geschichtspolitik" bei den Beschäftigten tatsächlich die gewünschten Effekte einer Identifizierung mit dem Unternehmen? Gab es (gleichzeitig) auch konkurrierende Lesarten der Geschichte eines Unternehmens oder einer lokalen/regionalen Industriebranche; erinnerungspolitische Gegenentwürfe, die etwa von den Gewerkschaften, den sozialdemokratischen und kommunistischen Parteien präsentiert wurden? Inwieweit spiegelten sich in der betrieblichen Traditionsbildung die politischen und wirtschaftlichen Zäsuren? Auf der anderen Seite kann man danach fragen, ob die unternehmensgeschichtliche Erinnerungskultur nicht auch auf die Besitzer, Teilhabern, Aktionäre des Unternehmens selbst zielte, etwa auf die Mitglieder einer mit der Zeit oft immer weitläufiger werdenden Unternehmerfamilie? Auf welche Weise wurde die Geschichte des Unternehmens in der Unternehmerfamilie erzählt und so von Generation zu Generation weitergegeben? Wirkte Traditionsbildung möglicherweise gerade hier kohäsionsstiftend? Diente die Aufarbeitung der Firmengeschichte letztlich nicht auch den auftraggebenden Unternehmern und Managern selbst zur Sinnstiftung des eigenen Handelns?

(II) Eigengeschichte und Marketing
Die Konstruktion und Präsentation der eigenen Geschichte durch ein Unternehmen, ihr Einsatz für betriebs- und unternehmenspolitische Zwecke, ihre Verwertung für die öffentliche Selbstdarstellung und die Produktwerbung – all dies wirft die Frage auf, in welchem Verhältnis solche Eigengeschichtsschreibung zu den damit verfolgten Zwecksetzungen stand? Wie viel ‚Wahrheit‘ hielt dabei die Erzählung von der ‚Erfolgsgeschichte‘ der Firma, ihrer traditionsgefestigten Solidität und der bewährten Qualität ihrer Produkte aus? In welchem Maße und in welcher Form wurde die Firmengeschichte für die Produktwerbung von Unternehmen eingesetzt? Lassen sich Prozesse der Adaption bzw. Übernahme von Erzählstrategien oder Medien beobachten; tauschten sich die Unternehmen etwa untereinander aus? Ab wann und in welchem Ausmaß professionalisierte sich dieser Bereich im deutschsprachigen Raum – in den Unternehmen selbst, aber auch seitens der Verbände und Kammern?

(III) Erinnerungskonstruktion, Musealisierung und Archivierung
Wirtschaftsbezogene Erinnerungskultur beschränkt sich nicht auf die Geschichte einzelner Unternehmen. Die Verbände und Organisationen der Wirtschaftsakteure nehmen in ihren Festschriften und anderen Selbstdarstellungen meist die Geschichte einer Branche oder einer Region in den Blick. Dabei wird und wurde Erinnerung solcher Art nicht allein im Auftrag von Unternehmens- und Branchenverbänden oder Arbeiternehmerorganisationen konstruiert: Man denke etwa an die ausgeprägte Traditionsbildung im Handwerk, wo wahrscheinlich ganz andere Lesarten von der Wirtschaftsgeschichte im Zeitalter der Industrialisierung vertreten wurden als in der Selbstdarstellung von Unternehmen und Industrieverbänden. Auch Staat und Kommunen waren und sind beteiligt, wenn es darum geht, die Wirtschaftsgeschichte des eigenen Landes, der eigenen Region, der eigenen Stadt aufzuarbeiten und zu präsentieren. Ähnliches gilt für freie Initiativen wie Geschichts- und Heimatvereine oder – vor allem in Ostdeutschland – für ehemalige Mitarbeiter heute nicht mehr existierender Betriebe, die sich zu historischen Arbeitskreisen zusammengeschlossen haben. Welche Bedeutung hatte, so kann man fragen, an wirtschaftliches Handeln rückgebundene Identitäten in der Vergangenheit? Welcher Umgang lässt sich hiermit in der Gegenwart beobachten? Wie regional oder gar lokal sind entsprechende, am Wirtschaftshandeln orientierte Erinnerungskonstruktionen, wie offen sind sie gegenüber Veränderungen oder konkurrierenden Angeboten der Identifikation? Welche Rolle spielen hierbei Orte der Vergegenwärtigung wie Museen oder Archive – sind diese lediglich Träger und ‚Bewahrer‘ oder auch Gestalter der Erinnerungsprozesse? Setzen Musealisierung und Archivierung erst nach dem ‚Niedergang‘ ein, ab wann Professionalisieren und Institutionalisieren sich diese Bereiche in Unternehmen bzw. generell im Bereich Wirtschaft?

Die Tagung findet am 11. und 12. April 2014 im Industriemuseum Chemnitz statt und steht unter der Leitung von Veronique Töpel, PD Dr. Michael Schäfer und Dr. Swen Steinberg.

Wir bitten bis zum 15. Oktober 2013 um Themenvorschläge (Abstract von maximal 300 Wörtern und eine Kurzbiografie) für Referate von etwa 30 Minuten Länge an folgende Adresse:

Sächsisches Wirtschaftsarchiv e.V., Geschäftsführerin Veronique Töpel, Industriestraße 85-95, 04229 Leipzig, Tel.: 0341/919920, E-Mail: toepel@swa-leipzig.de

Eine Veröffentlichung der Tagungsbeiträge im Anschluss an die Veranstaltung ist geplant.

Programm

Kontakt

Sächsisches Wirtschaftsarchiv e.V. Geschäftsführerin Veronique Töpel Industriestraße 85-95
04229 Leipzig
Tel.: 0341/919920
E-Mail: toepel@swa-leipzig.de

http://www.swa-leipzig.de/
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