Versteckt - Verirrt - Verschollen. Reisen und Nicht-Wissen

Versteckt - Verirrt - Verschollen. Reisen und Nicht-Wissen

Veranstalter
Historisch-Kulturwissenschaftliches Forschungszentrum Trier (HKFZ)
Veranstaltungsort
Universität Trier; Raum C9/C10
Ort
Trier
Land
Deutschland
Vom - Bis
19.09.2013 - 21.09.2013
Von
Historisch-Kulturwissenschaftliches Forschungszentrum Trier

Die Tagung nimmt die Kulturtechnik des Reisens als ein spezifisches Verfahren der Wissensproduktion in den Blick, das auf konkreten epistemischen Praktiken wie etwa dem Landnehmen, Sammeln, Messen oder Kartographieren beruht und so die Erfassung von Raum und die Erweiterung von Wissen miteinander verbindet. Im Fokus stehen solche Reisen, die eine Begegnung mit dem Neuen und Unbekannten ermöglichen und somit von Beginn an auf eine Erweiterung etablierter Wissensbestände zielen. Forschungs-, Abenteuer- und Entdeckungsreisen etwa werden nicht allein über geographische Grenzen, sondern auch über Wissensgrenzen hinweg unternommen und etablieren auf diese Weise eine epistemische Praxis, die zwischen Bekanntem und Unbekanntem vermittelt.

Nicht-Wissen manifestiert sich dabei auf unterschiedlichen Ebenen. So bezieht es sich etwa auf jenen Raum, der sich jenseits der Grenzen des Bekannten befindet und über den nur Vermutungen bestehen. Hier artikuliert es sich als hypothetisches Wissen, das Thesen und Annahmen darüber aufstellt, was noch nicht gewusst wird, und das somit selbst eine Grenze zwischen Wissen und Nicht-Wissen zieht. Es kann jedoch auch auf einen Bereich jenseits des generell Wissbaren verweisen, etwa auf die Grenzen des Universums, der Sinne, der Sprache oder des Bewusstseins. Außerdem kann Nicht-Wissen in Form eines anderen Wissens zutage treten, als Artikulation ausgegrenzter, inoffizieller, illegitimer, fremder oder als defizitär definierter Wissensordnungen. Gerade im Zuge von Reisen können solche anderen Wissensformen jedoch unvermutet neue Bedeutung erlangen, können durch die Konfrontation mit ihnen die ‚blinden Flecken‘ des etablierten Wissens, etwa die Machteffekte und Unterdrückungsmechanismen der eigenen Diskursordnung, sichtbar werden.

Der Zusammenhang von Reisen und Nicht-Wissen soll anhand der drei konkreten Figuren „versteckt“, „verirrt“ und „verschollen“ untersucht werden, die jeweils unterschiedliche der angedeuteten Aspekte hervortreten lassen. Mit ihnen verbinden sich zugleich drei verschiedene Zeit-Modi des Nicht-Wissens, das sich als zukünftiges (versteckt) oder vergangenes Wissen (verschollen) oder als gegenwärtige Abwesenheit des Wissens (verirrt) zu erkennen geben kann. Übergreifend wird nach der theoretischen Fassbarkeit und der konstitutiven Bedeutung des Nicht-Wissens für das Reisen, nach seinen ästhetischen Markierungen und konkreten Erscheinungsformen in unterschiedlichen Medien, nach seiner Integration in die Diskurse des Wissens sowie nach seinem historischen Wandel gefragt. Das Reisen wird auf diese Weise als eine Wissenspraxis kenntlich, die nicht nur bestehendes Wissen erweitern, differenzieren oder hinterfragen, sondern auch neue epistemologische Verfahren ausbilden und legitimieren kann.

Programm

Donnerstag, 19. September 2013

16.00-16.15
Grußworte von Michael Jäckel (Präsident der Universität Trier) sowie Martin Przybilski (Geschäftsführender Leiter des Historisch-Kulturwissenschaftlichen Forschungszentrums Trier)

16.15-16.45
Johannes Pause (Trier): Reisen und Nicht-Wissen. Zur Einführung

Panel 1: Wege ins (Nicht-)Wissen

16.45-17.30
Susan Gujer (Zürich): „Reisebericht“ im juristischen Gewand. Der Mord an Philipp von Hutten und Bartholomäus Welser und die Akten des Prozesses gegen Juan de Carvajal, Venezuela, 1546

17.30-18.15
Peter Bexte (Köln): Die Bilderreisen der Nova Reperta. Über die allmähliche Verfertigung des Wissens beim Nachbilden

18.30-19.15
Stefan Hermes (Freiburg): „[W]as gibt ein Schiff, das zwischen Himmel und Meer schwebt, nicht für weite Sphäre zu denken!“ Seefahrt und (Nicht-)Wissen in Herders Journal meiner Reise im Jahr 1769

19.15-20.00
Uta Schaffers (Koblenz): Nicht-Wissen als Voraussetzung und produktive Kraft des modernen Reise-Schreibens. Die Orienttexte Annemarie Schwarzenbachs

Freitag, 20. September 2013

Panel 2: Reise als Experiment

9.00-9.45
Hannah Borisch (Weimar): À ballon perdu

9.45-10.30
Reto Rössler (Berlin): „Imagination als Perspectiv“. Kosmologische Gedankenexperimente der Aufklärung

Panel 3: Begegnungsszenen und Übertragungswege

10.45-11.30
Sebastian Kaufmann (Freiburg): Südseereisen „aus der edlen Absicht Entdeckungen zu machen“. Ästhetisches (Nicht-)Wissen vom Fremden bei Bougainville, Cook und Georg Forster

11.30-12.15
Florian Krobb (Maynooth): Auffinden, Zusammentreffen. Begegnungsszenen in der deutschen Afrikaliteratur des neunzehnten Jahrhunderts

12.15-13.00
Roland Meyer (Berlin): Fremdheit und Latenz. Die ‚Entdeckung‘ des Fingerabdrucks und die Übertragungswege der Daktyloskopie

Panel 4: Forschungsreisen: Strategien gegen das Scheitern

14.15-15.00
Carsten Gräbel (Tübingen): Verirrungen und alltägliches Scheitern auf Expeditionen. Der Geograph Fritz Jaeger unterwegs in Deutsch-Ostafrika

15.00-15.45
Wolfgang Struck (Erfurt): Aus der Welt gefallen. Berichte über „Märtyrer deutscher Wissenschaft“ in Petermanns Geographischen Mitteilungen (1855-1878)

15.45-16.30
Dorit Müller (Berlin): Begegnungen mit der Leere am Pol. Nicht-Wissen als mediales Ereignis

Panel 5: Expeditionen der Gegenwartsliteratur

17.00-17.45
Andrea Geier (Trier): Vom Vergnügen und Problem der Übersetzung. Trojanow auf den Spuren von Sir Richard Francis Burton

17.45-18.30
Michael Ostheimer (Chemnitz): Im Land des Als-Ob. Reiseprosa über Nordkorea

18.45-19.30
Hilary Dannenberg (Trier): Fictional Science and Simulated Experience. Narrative Strategies in the Representation of Time Travel in Fiction and Film

Sonnabend, 21. September 2013

Panel 6: Schreiben und Nicht-Wissen

9.00-9.45
Burghart Schmidt (Offenbach): Inwiefern Reisen zwar ankommt, immer ankommt und doch nicht ankommt. Proust /Joyce und Hegel/Bloch als Reiseführer. Oder: Antwort auf Clifford Geertz´ Reise-Agnostizismus

9.45-10.30
Xenia Wotschal (Tübingen): Ilse Aichingers Schattenspiele und Unglaubwürdige Reisen zum versteckten Nichtwissen

Panel 7: Krieg als Reise

10.45-11.30
Clemens Schwender (Berlin): Krieg als Reise

11.30-12.15
Irina Gradinari (Trier): Reisen durch Nacht und Wind. Der Krieg als Sackgasse im russischen Kino der Gegenwart

Panel 8: Filmische Erkundungen

13.15-14.00
Winfried Pauleit (Bremen): Karte und Fotografie versus Klangraum. Zum Spiel mit Wissensordnungen in Three Burials (Tommy Lee Jones USA / F 2005)

14.00-14.45
Sarah Happersberger (Karlsruhe): Unwissende Reisende oder Wissende Betrachter. Überlegungen zum Verhältnis von Reisen, Nicht-Wissen und Absurdität in Vexation Island von Rodney Graham und Road to Tate Modern von Sener Özmen und Erkan Özgen

15.00-15.30
Abschlussdiskussion

Kontakt

Maike Schmidt

HKFZ Universität Trier FB II DM-Gebäude - Postfach 15 D-54286 Trier
+49 651 201 - 3356

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