Storylines and Blackboxes. Konstellationen auto/biographischer Erzählungen über Gewalterfahrungen im Kontext des Zweiten Weltkrieges

Storylines and Blackboxes. Konstellationen auto/biographischer Erzählungen über Gewalterfahrungen im Kontext des Zweiten Weltkrieges

Veranstalter
Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (VWI); Institut für Europäische Ethnologie / Institut für Zeitgeschichte, Universität Wien
Veranstaltungsort
Ort
Wien
Land
Austria
Vom - Bis
22.05.2014 - 24.05.2014
Deadline
30.11.2013
Website
Von
Béla Rásky, Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (VWI)

-- English version see below --

Gewalterfahrungen aus unterschiedlichen Perspektiven spielen in biographischen Erzählungen über die Zeit des Zweiten Weltkriegs eine wichtige Rolle und haben in der Auseinandersetzung mit der Nachgeschichte des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen besondere Aufmerksamkeit und Reflexion erfahren. Die Bedeutung dieser Gewalterzählungen im Kontext gesellschaftlicher, insbesondere national ausgerichteter Identitätskonstruktionen ist seit längerem Gegenstand differenzierter Reflexion und Theoriebildung. Dagegen blieb der auto/biographische Charakter vieler dieser Erzählungen bislang wenig beleuchtet – auch wenn gerade in jüngster Zeit angesichts des Umbruches zwischen kommunikativem und kulturellem Gedächtnis die Bedeutung und Geschichte der Figur des „Zeitzeugen“, und das Verhältnis zwischen ZeithistorikerInnen und ZeitzeugInnen neu befragt wurde.

Das Erzählen über Erfahrungen des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs ist, so die Ausgangshypothese des geplanten Workshops, immer auch Teil eines individuellen Projekts der Autobiographie, das sich im Prozess des Lebenslaufs immer wieder verändert, verdichtet und verschiebt. Anknüpfend an Konzepte der Erzählforschung ebenso wie der Oral History nähert sich der Workshop daher dem Erzählen über Gewalterfahrungen anhand von Fragen nach der Bedeutung dieses biographischen Erzählens für die Einzelnen. Dabei sollen nicht nur spezifische autobiographische Praktiken und unterschiedliche Performanzen biographischer Narrative thematisiert werden, sondern es soll vor allem auch nach den Konstellationen gefragt werden, in denen historisch vermittelte kulturelle Muster des Autobiographischen in sozial variierenden Praktiken des Erzählens angewandt werden. Auf die (wenig reflektierte) kulturelle Ressource des auto/biographischen Erzählens in der ersten Person Singular wird in spezifischen Situationen zurückgegriffen, wenn individuelle Impulse und Motive des Erzählens über Gewalterfahrungen mit gesellschaftlichen Instanzen und Interessenslagen zusammentreffen, die diese biographischen Erzählungen nachfragen, veröffentlichen, instrumentalisieren, oder auch ablehnen oder verschweigen. Dies gilt für die Berichte von Überlebenden von Deportation und Vertreibung, von Lagern, Zwangsarbeit, sexualisierter Gewalt und Kriegsgefangenschaft, gilt aber auch für die Erinnerungen von vielen Angehörigen jener Gruppen, die selbst Gewalt ausübten.

Die Historizität dieser Konstellationen und der Erzählungen, die in ihrem Kontext seit 1945 entstanden sind und entstehen, bilden den Fokus des Workshops. Anliegen des Workshops ist es, diese Fragen in einer erweiterten und vergleichenden Perspektive auf die europäische und globale Nachgeschichte des Zweiten Weltkrieges zu reformulieren und nochmals theoretisch durchzudenken. Die historische Dynamik dieser Konstellationen und der Entstehungszusammenhang der Erzählungen stehen dabei im Fokus. Hier gilt es nachzufragen, wer in welchen historischen und kommunikativen Konstellationen und in welcher biographischen Situation über Gewalterfahrung erzählt. Diese Nachfrage richtet sich auch an diejenigen, die solches Erzählen anstoßen, provozieren, unterstützen. Was ist wann in welcher Form in einer Gesellschaft erzählbar, wann nicht, wann nicht mehr? Wie verhalten sich autobiographische Erzählungen zu erinnerungspolitischen Konstruktionen von Identität, Authentizität, (Zeit)ZeugInnenschaft?

Es sind also die Nachgeschichten der Geschichte des Zweiten Weltkrieges im Modus des Auto/Biographischen und deren Konstellationen, auf die sich der Workshop konzentriert:

- die globale Dimension von Nachgeschichten: Eine differenzierte Diskussion über Erzählungen von Gewalterfahrungen des Zweiten Weltkrieges bedarf des Vergleichs zwischen Erzählungen unterschiedlicher lokaler, nationaler, europäischer und außereuropäischer Provenienz, die heute deutlich durch die Logik transnationaler Großprojekte geprägt sind.
- die Vielfalt der Formen und Formate von Nachgeschichten: Das autobiographische Erzählen über Gewalterfahrung manifestiert sich in Formen des Sprechens, Schreibens, Bebilderns und deren Kombinationen, die durch spezifische Medienlandschaften und Muster der Reduktion von Komplexität beeinflusst sind.
- die unterschiedlichen individuellen wie gesellschaftlichen, durchaus nicht immer in Einklang miteinander stehenden Rahmungen dieser Nachgeschichten: Politisch initiierte Archivprojekte, pädagogische oder künstlerische Konzepte, aber auch medial sehr erfolgreiche TV-Formate von ZeitzeugInnen-Interviews können sich etwa mit biographischen und familiengeschichtlichen Ambitionen der Einzelnen treffen, diesen aber auch widersprechen. Von besonderer Relevanz ist hier die Frage nach der Genderspezifik im Zusammenhang auto/biographischer Erzählungen über Gewalt, der Inhalte des Erzählens ebenso wie der Erzählbarkeit/Nichterzählbarkeit und der Performanzen dieses Erzählens.

Eine derartige, historisch differenzierende Bestandsaufnahme des auto/biographischen Erzählens über Gewalterfahrungen im Hinblick auf den Zweiten Weltkrieg ist als Intervention zu verstehen, die kritische Reflexion nicht zuletzt auch der wissenschaftlichen Arbeit mit diesen Erzählungen, aber auch der Kommunikation mit ZeitzeugInnen voranzutreiben.

Die VeranstalterInnen erbitten Vorschläge für Diskussionsbeiträge zu den skizzierten Fragen, für Beiträge, die in bestehende Denkweisen und Praktiken eingreifen und auf Logiken und Routinen aufmerksam machen, um diese für neue Perspektiven und Reformulierungen zu öffnen.

Die Arbeitssprachen der Konferenz sind Deutsch und Englisch. Die Aufenthaltskosten werden von den VeranstalterInnen getragen, die bemüht sein werden, auch für die Reisekosten eine gesonderte Förderung zu erhalten.

Bewerbungen in Deutsch oder Englisch mit einem Exposé des Themas im Umfang von maximal 3.500 Zeichen und einer Kurzbiographie sind mit dem Betreff "Workshop 2014" bis zum 30. November 2013 zu richten an

cfp@vwi.ac.at

Der Vortrag selbst soll nicht länger als 20 Minuten dauern.
Über die Annahme des Proposals entscheidet eine von den VeranstalterInnen zusammengesetzte Jury. Der Erhalt des Proposals wird umgehend bestätigt. Sollten Sie keine Bestätigung erhalten bitten wir Sie, diese zu urgieren.

Idee: Johanna Gehmacher Klara Löffler
Konzept: Johanna Gehmacher, Éva Kovács, Klara Löffler und Béla Rásky
Organisation: Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (VWI)

Call for Papers

Experiences of violence from a range of perspectives constitute an important part of the body of biographical narrative about the period of the Second World War; they have been granted particular attention and reflection in the consideration of the aftermath of National Socialism and its crimes. The significance of these narratives about violence in the context of identity constructions within society, and in particular of those with a national outlook, has long been reflected upon with great differentiation and been a topic in theory construction. The auto/biographical character of many of these narratives, however, has long been largely disregarded – even in the context of the recent novel approaches to the figure of the "surviving witness", its significance and history, and the relationship between contemporary historians and surviving witnesses, which have developed in the face of the shift between communicative and cultural memory.

This workshop sets out from the assumption that recounting experiences from the era of National Socialism and the Second World War is always also part of an individual autobiographical project that keeps changing, intensifying and shifting in the course of a lifetime. Following on from concepts of narratology as well as oral history, this workshop will thus approach narratives of experiences of violence from angles that deal with the significance of this biographical narrative for the individual. Specific autobiographical practices and different performances of biographical narrative shall be the subject of the discussion as well as in particular a questioning of the constellations that make use of historically taught cultural patterns of autobiography in socially differing practices of narrative. There has been little reflection of the cultural resource of auto/biographical narrative told in the first person; this is used in specific situations where individual impulses and motives for narrating an experience of violence conflate with societal instances and interests that question, publish, instrumentalise or even reject or silence that biographical narrative. This is true for survivors' reports of deportation and displacement, of camps, of forced labour, of sexual violence and of wartime internment, but it also applies to the memories of many members of those groups who engaged in violent acts themselves.

The workshop will focus on the historical nature of these constellations and the narratives that have emerged in its context since 1945. It is the aim of the workshop to reformulate and theoretically re-evaluate these questions in an extended and comparative perspective of the European and global aftermath of the Second World War. We will focus on the historical dynamics of this constellation and the context of the emergence of the narratives. It shall have to be addressed who is telling of an experience of violence in which historical and communicative constellation and which biographical situation. This challenge will also be directed at those who initiate, provoke, support such narratives. What is appropriate to tell in which form and at what time in a given society; when is it not or no longer appropriate? What is the relationship between autobiographical narratives on the one hand and constructions resulting out of the politics of memory with regard to identity, authenticity and (surviving) witnesses on the other?

The workshop will thus concentrate on the narratives told in the aftermath of the history of the Second World War in the mode of auto/biographical narrative and their constellations:
- the global dimension of narratives: A differentiated discussion of narrating the experience of violence during the Second World War demands a comparison of narratives from different local, national, European and non-European provenances, which are nowadays clearly marked by the logic of large, transnational projects.
- the multitude of forms and formats of narratives: The autobiographical narrative of experiences of violence can take various forms of oral, written, pictorial narrative or a combination thereof; these are influenced by specific media landscapes and patterns of complexity reduction.
- the different individual as well as social frames of these narratives, which may be in conflict with each other: politically initiated archival projects, educational or artistic concepts, as well as in the media highly successful TV-formats of interviews with witnesses to history can either concur or clash with individuals' biographical or family-historical ambitions. It is particularly relevant in this context to address gender in the framework of auto/biographical narratives on violence, the contents of the narratives as well as the ability or lack thereof to narrate something and the performances of narratives.

This historically differentiated appraisal of auto/biographical narratives of the experience of violence in the context of the Second World War is to be understood as an intervention: an attempt to drive forward a critical reflection not least of the academic work using these narratives, and also of the communication that takes place with surviving witnesses.

The workshop organizers are inviting suggestions for discussion contributions on the subject of the questions cited above; for contributions that intervene in the existing mindsets and practices and create an awareness for existing logics and routines in order to open these up for new perspectives and reformulations.

The workshop languages will be German and English. The costs for accommodation will be covered by the organizers. The organizers' ability to cover travel costs also is subject to current efforts to raise separate funding.

Please submit your applications in German or in English (including an abstract of the topic of your contribution of at most 3,500 characters as well as a short biography) under the subject line "Workshop 2014" by November 30, 2013 to:

cfp@vwi.ac.at

The contributions at the workshop should last no longer than 20 minutes.
A jury appointed by the organizers will make the decision on the acceptance of proposals. You will receive an immediate confirmation of the receipt of your proposal. If you do not receive a confirmation, please send a reminder.

Idea: Johanna Gehmacher, Klara Löffler
Concept: Johanna Gehmacher, Éva Kovács, Klara Löffler and Béla Rásky
Organization: Vienna Wiesenthal Institute for Holocaust Studies (VWI)

Programm

Kontakt

Béla Rásky

Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studein (VWI), Desider-Friedmann-Platz 1/18, 1010 Wien
0043/1/8901514

bela.rasky@vwi.ac.at


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Sprach(en) der Veranstaltung
Englisch, Deutsch
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