Geschichte im öffentlichen Raum ist keinesfalls ein ausschließlich gegenwärtiges Phänomen. Bereits in früheren Epochen gab es Versuche der Konstruktion von Selbst- und Fremdbildern basierend auf Vergangenheitserfahrungen. Als interessanter Untersuchungsgegenstand gilt in der heutigen Mediävistik beispielsweise das Spannungsfeld zwischen religiösen und ethnischen Zuschreibungen. Andreas Rüther widmet sich in seinem Vortrag dem Verhältnis zwischen Christlichen und Heidnischen im europäischen Mittelalter. Anhand von zeitgenössischen Zeugnissen werden die Semantiken und Funktionen des Heidnischen erläutert. Dabei geht es ihm weniger darum, die Entwicklung der Beziehungsgeschichte zwischen Fremdem und Eigenem zu schildern, sondern vielmehr um eine Darstellung der Semantisierungsmöglichkeiten und sozialen Zuordnungen. Rüther möchte mit seinem Beitrag neue Impulse zu aktuellen Debatten über Alterität und Modernität geben.
Andreas Rüther ist Akademischer Oberrat im Bereich Mittelalterliche Geschichte an der Fakultät für Geschichtswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum. Er habilitierte 2004 an der Justus-Liebig Universität Gießen mit der Schrift „Region und Identität: Schlesien und das Reich im späten Mittelalter“. Zurzeit forscht er im Projekt „Zukunftsvorstellungen in der Moderne – geschichtswissenschaftliche und germanische Perspektiven auf mittelalterliche und frühneuzeitliche Zeitkonzeption“. Sein wissenschaftliches Interesse gilt der Vormodernen Agrar- und Migrationsgeschichte, Kulturgeschichte von Höfen und Residenzen sowie dem Mönchtum und Ordenswesen seit dem Früh- und Hochmittelalter.