Geschichte im öffentlichen Raum ist nicht nur in Denkmälern, historischen Debatten, Gedenktagen, Straßenbenennungen, Museen oder etwa in der Architektur gegenwärtig. Ein ebenso wirksames Medium für die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist die Literatur. In literarischen Werken können sich sowohl Prämissen nationaler Geschichtspolitik, Merkmale regionaler Identitäten als auch individuelle Auffassungen des Vergangenen widerspiegeln. Mit ihren durch das Kriegsgeschehen, die Grenzziehung und den durch den Kommunismus entstandenen spezifischen Entwicklungen stellt die polnische Nachkriegsgeschichte einen komplexen und gleichsam schwierigen Untersuchungsgegenstand der zeitgenössischen Prosa dar. In ihrem Vortrag widmet sich Satoko Inoue ausgewählten, in Deutschland schaffenden polnischen Literaten, analysiert ihre Werke und fragt nach den darin konstruierten Vergangenheitsbildern. Wie setzten sich die aus einer gleichen palimpsestartigen Grenzregion stammenden und derselben Generation angehörenden Autoren mit den unterschiedlichen Erinnerungen auseinander? Im Mittelpunkt steht die Migrationsliteratur im Spannungsfeld zwischen nationalen, regionalen und individuellen erinnerungskulturellen Diskursen.
Dr. Satoko Inoue ist Assistenz-Professorin für Komparatistik an der Kumamoto Universität in Japan. Sie promovierte 2013 an der Universität Tokio mit der Arbeit „Dislocated Narratives. Contemporary Polish Literature in the Federal Republic of Germany“. Als Stipendiatin der polnischen Regierung und des DAAD absolvierte sie Forschungsaufenthalte an den Universitäten Warschau, Hokkaido und an der Humboldt-Universität in Berlin.