Driburger Kreis: Reproduktion

Driburger Kreis: Reproduktion

Veranstalter
Driburger Kreis (DGGMNT)
Veranstaltungsort
Ort
München
Land
Deutschland
Vom - Bis
10.09.2014 - 12.09.2014
Deadline
03.08.2014
Website
Von
Lukas Engelmann, Eike Harden, Verena Lehmbrock

Der Driburger Kreis findet dieses Jahr vom 10. bis 12. September 2014 im Vorfeld der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaften und Technik e.V. (DGGMNT) in München statt. Er richtet sich an Studierende, Promovierende und Nachwuchswissenschaftler/innen der Medizin-, Wissenschafts- und Technikgeschichte und angrenzenden Disziplinen. Der Driburger Kreis versteht sich als informelles Forum, in dem neben inhaltlichen Fragen auch methodische Probleme und vorläufige Arbeitsergebnisse vorgestellt und in einer konstruktiven Atmosphäre diskutiert werden können. Das diesjährige Rahmenthema lautet:

Reproduktion

In der Medizin- und Wissenschaftsgeschichte ist Reproduktion ein vielseitiger Begriff. Reproduktion im technischen Sinn bezeichnet die Vervielfältigung von Materialien und Quellen, z. B. den Nachdruck von Fachtexten oder die Digitalisierung von Forschungsaufzeichnungen. Die biologische Reproduktion von Menschen, Tieren und Pflanzen gerät selbst als historischer Fokus von Forschung in den Blick, wenn Reproduktion als Gegenstand von Wissen betrachtet wird. Schließlich enthält die Produktion von Wissen auch eine ganz praktische Komponente, wenn es etwa um jene Reproduktionsbedingungen im Alltag wissenschaftlicher Praxis geht, die stets nur sekundär mit Wissensproduktion verbunden bleiben: Essen, Schlafen, Wohnen und Familien ebenso wie Urlaub, Freizeit und Vergnügungen.

Mit der Fokussierung auf den Begriff Reproduktion gerät für den diesjährigen Driburger Kreis eine wissenspolitische Dimension in den Vordergrund, die in den letzten Jahrzehnten als feministische Wissenschaftskritik auf mehrere blinde Stellen der Wissenschaftsgeschichte verwiesen hat. Diese Impulse möchten wir einerseits aufgreifen und zum anderen mit einer offenen Annäherung an den Begriff der Reproduktion ergänzen.

Denn wissensgeschichtlich kommt dem Begriff eine umfassende und oft ausufernde Relevanz zu. So ist Reproduktion stets als Sinnbild der Genealogie, der Fortführung und Fortsetzung immer mit dem Problem von Original und Kopie behaftet. Wer und was wird fortgesetzt, wo entsteht Differenz und wie wird Differenz in den „epistemologischen Produktionen der Gegenwart“ (Bock von Wülfingen/Frietsch 2010) denk- und sichtbar? Diese sehr allgemeine Frage lässt sich in der Geschichte des Begriffs selbst aufsuchen, etwa in seiner Eigenschaft vormals sehr getrennte Wissensfelder wie politische Theorie, Naturphilosophie und Medizin im 18. Jahrhundert miteinander verbunden zu haben (Jordanova 1995). Rheinberger und Müller-Wille positionieren Reproduktion gar als eine der wesentlichen Eckpfeiler in der Gründung der Biologie selbst (Rheinberger/Müller-Wille 2009).

Reproduktion im Sinne der Zeugung von Leben zu folgen ist, wie Londa Schiebinger gezeigt hat, aufschlussreich um etwa der expliziten Verwendung und der normativen Präferenz von Metaphern menschlicher Sexualität in der Klassifizierung von Pflanzenreproduktion bei Linnaeus zu folgen (Schiebinger 1993). Hier gilt es ebenfalls die Doppeldeutigkeit von Reproduktion als strukturierender Metapher in der Beschreibung und Analyse von Wissensobjekten sowie dem Phänomen Reproduktion auf die Spur zu kommen.

Auf einer sehr grundlegenden Ebene nutzen die Kulturwissenschaften Formen der technischen Reproduktion von Wissen, sobald auch nur ein Text eines anderen abgeschrieben wird. Die gesamte Tradition der Edition wird dann wie selbstverständlich aufgenommen, aber noch viel zu selten reflektiert (Hunter 2007). Dabei begann eine Kette von Reproduktionsprozessen oft schon sehr früh, manchmal im Augenblick der Textentstehung, wenn es sich um eine Vorlesungsmitschrift handelt und sie erstreckte sich über den ganzen Zeitraum der Textüberlieferung, und zwar sowohl biologisch, insofern die Forscher selbst ein Ergebnis dieser Reproduktion und ihrer Bedingungen sind als auch sozial, insofern die Scientific Community sich selbst erhalten hat als auch schließlich oft technisch, insofern der Text (häufig auf verschiedenen Wegen) bis heute überlebt hat.

Darüber hinaus stellen sich allgemeinere Fragen, die zu gleichen Teilen auf Reproduktion als integralem Aspekt jeder Wissensformation wie auch auf die wissenschaftliche Annäherung an Reproduktion rekurrieren können:

-Welche gemeinsame Idee von Reproduktion liegt den verschiedenen Anwendungen als biologische, technische oder soziale Reproduktion zugrunde?
-Welche ethischen Implikationen gehen mit Reproduktion einher?
-Inwiefern sind bewusste Änderungen mit dem Begriff der Reproduktion vereinbar?
-Welchen historischen Bezug nimmt der Begriff Reproduktion zu sexueller Fortpflanzung ein?
-Inwiefern ist eine wissenshistorische Auseinandersetzung mit Reproduktion an eine feministische oder geschlechtertheoretische Perspektive gebunden?
-Lassen sich mit dem Begriff der Reproduktion jene unsichtbaren und oft vernachlässigten Bedingungen wissenschaftlicher Produktion in den Blick bekommen oder braucht es hier andere begriffliche Instrumente?

Zu diesen und anderen Fragen freuen wir uns auf Beiträge aus der Medizin- und Wissenschaftsgeschichte ebenso wie aus angrenzenden Feldern, wie etwa den Kulturwissenschaften oder Gender-Studies.

Abstracts (1 Seite) für max. 25-minütige Vorträge nebst Kurzlebenslauf werden erbeten bis zum 15. Juli 2014. Schickt diese bitte an: lukas.engelmann@gmail.com, ei-keharden@t-online.de und verena.lehmbrock@uni-jena.de.

Referent/innen können einen Reiskostenzuschuss beantragen, sofern keine Heimatinstitution dafür aufkommt.

Programm

Kontakt

Verena Lehmbrock

Institut für Geschichte der Medizin, Naturwissenshcaften und Technik, Universität Jena

verena.lehmbrock@uni-jena.de


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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
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