Die Globalgeschichte lässt sich in zwei Hauptlager unterteilen. Auf der einen Seite gibt es jene, die auf der Suche nach der "Geburt der Moderne" (Bayly) sind und die Verdichtung der Interaktionen innerhalb weltumspannender Systeme untersuchen. Ihnen geht es darum, die (meist technisch-wirtschaftlichen) "realen" Triebkräfte und die (meist soziokulturellen) Effekte von Globalisierungsprozessen zu analysieren. Vertreter der postkolonialen bzw. post-modernen Variante auf der anderen Seite wollen die Einheit der globalisierten Welt de-konstruieren und die soziale bzw. kulturelle Entstehung politischer Einheiten (Zivilisationen, Nationen, Ethnien, usw.) nachzeichnen. Hier stehen symbolische Dimensionen sowie der Konstruktionscharakter von Räumen im Vordergrund.
Doch Globalisierung kann weder in der schieren Diffusion "realer" Phänomene gefunden werden (die niemals jeden Winkel des Globus erreichen) noch in der puren Imagination globaler Räume (die sich niemals konkret verwirklichen).
Bruno Latour eröffnet einen anderen Weg. Die von ihm entworfene "Akteur-Netzwerk-Theorie" (ANT) bietet die Möglichkeit, eine Globalgeschichte jenseits von Moderne und Postmoderne zu begründen. Denn mithilfe der ANT lassen sich technische Produktionsprozesse aus einem akteurszentrierten Blickwinkel heraus betrachten.
Globalisierung kann, so die Hypothese dieser Tagung, am ehesten in den Techniken gefunden werden, die Menschen mit dem Ziel der universellen Gültigkeit erschaffen. Nur dort, in den Bemühungen um Universalität und in den Versuchen, diese Universalität durch Weitergabe und Zirkulation von Techniken durchzusetzen, ist Globalisierung auch "real".
Techniken der Globalisierung sind demnach Sets von Konzepten, Praktiken und Apparaten, mit denen Akteure global zu agieren beanspruchen. Diese Sets können so unterschiedlich sein wie Armillarsphären, Bibliotheken, Frachtbriefe, ISO-Normen, Kernreaktoren, Öltanker, Serversysteme, Handelsbörsen, Wirtschaftsindikatoren, Mikroben oder die Vereinten Nationen: alle haben gemeinsam, dass sie zugleich Vorstellung und Wirklichkeit sind, dass sie gleichzeitig repräsentieren und formieren.
Die Untersuchung dieser Techniken und Praktiken ermöglichte es, Globalisierung als Ergebnis performativen Handelns in den Blick zu nehmen. Globalisierung kann mit anderen Worten in der Analyse nur als ein zu erklärendes Phänomen auftauchen, nicht mehr als ein "Kontext", als mysteriöse Triebkraft menschlichen Handelns oder als erklärenderFaktor für Synchronitäten.
Die Untersuchung von - stets kostenintensiven und anfangs fragilen - Techniken, die in der Vergangenheit zur Herstellung weit reichender Netzwerke geeignet waren, bietet daher die Chance, Prozesse der Globalisierung in einer konkreten, jedoch nicht essentialisierenden Weise zu analysieren.