Migration gehört zu den historischen Grunderfahrungen des Menschen. Mit der Geschichte der Migration hat sich bisher aber vor allem die Historische Migrationsforschung befasst, in deren Kontext eine mittlerweile unüberschaubare Fülle an Studien, v.a. sozial- bzw. strukturgeschichtlicher Provenienz, erschienen ist. Analysiert wird darin das Wanderungs- und Siedlungsverhalten bestimmter Bevölkerungsgruppen, seien dies religiöse, ethnische, politische, berufliche oder regionale Gruppierungen. Diesen Studien verdankt sich die zentrale Erkenntnis, dass Auswanderung, Einwanderung, Niederlassung, Siedlungsbildung und Akkulturation regional- und lokalräumlich sehr unterschiedlich verlaufen. Von immenser Bedeutung für Migrationsprozesse waren und sind soziale Netzwerke.
Trotz dieses Befundes gibt es bislang nur sehr wenige Migrationsstudien, die sich umfassend mit der Rolle und Bedeutung von Familie in diesem Kontext auseinandersetzen und somit der Tatsache Rechnung tragen, dass Migration und Akkulturation Prozesse darstellen, die Menschen nicht nur in größeren Kollektiven, sondern zuvorderst als Individuen und Familienmitglieder durchleben. Lange Zeit wurde übersehen, dass Migration zumeist ein Familienprojekt ist. Insofern müssen in die Erforschung von Auswanderungs- und Einwanderungsprozessen Familienstrategien, Generationenverhältnisse und familiale Netzwerke als zentrale, die Migration bzw. Integration steuernde, Variablen einbezogen werden. Insbesondere müssen dabei Familienaufträge zwischen den Generationen, Familientraditionen und -kulturen, familiale Erziehung sowie familienbezogene Bildungs- und Sozialisationsprozesse im Zusammenhang von Migration und in ihrer Bedeutung für Migrationsprozesse analysiert werden. So ergeben sich eine Vielzahl familienbezogener sozialisations- und erziehungshistorischer Fragestellungen und Forschungsperspektiven. Dennoch haben Fragen der Migration bis heute aus Sicht der familienhistorischen Forschung keine nennenswerte Beachtung gefunden. Sowohl die migrations- als auch die familienhistorische Forschung nehmen bislang das jeweils andere Forschungsfeld kaum wahr.
Vor diesem Hintergrund stellt der Arbeitkreis Historische Familienforschung das Thema „Migration und Familie“ in den Mittelpunkt seiner kommenden Tagung. Gefragt wird nach der Rolle und Funktion von Familie und verwandtschaftlichen Netzwerken in allen Stadien des Migrationsprozesses – vom Leben in den Herkunftsgebieten und dem Vorfeld der Abwanderung sowie deren Ursachen und Begleitumstände bis hin zum Leben in der Ankunftsregion und ggf. der Rückwanderung. Wie Familien mit den Herausforderungen der Migration umgehen, auf welche Ressourcen sie dabei zurückgreifen und auf welche Hindernisse sie stoßen, soll anhand von empirischen Studien diskutiert werden. Die Tagung will ein Forum bieten, das Thema „Migration und Familie“ in seiner ganzen inhaltlichen Breite zu erörtern. Zugleich möchte der Arbeitskreis die Tagung auch öffnen für Vorträge, die die Thematik in einem aktuellen Kontext darstellen und dabei historische Anknüpfungspunkte suchen. Wünschenswert sind nicht zuletzt Beiträge, die konzeptuelle oder theoretische Aspekte des Themas „Migration und Familie“ in den Mittelpunkt rücken. Die Beiträge sollen einen Umgang von 30 Minuten nicht überschreiten.
Bitte reichen Sie bis spätestens 31. Oktober 2014 ein kurzes Exposé ein. Schicken Sie Ihren Vorschlag per e-Mail an Dr. Petra Götte, Akademische Rätin, Lehrstuhl für Pädagogik, Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät, Universität Augsburg (petra.goette@phil.uni-augsburg.de; Tel. 0821-598-5688).