Ökologie und Ökonomie in Industriegesellschaften: Zur Geschichte einer Beziehung

Ökologie und Ökonomie in Industriegesellschaften: Zur Geschichte einer Beziehung

Veranstalter
Martin Bemmann / Ella Müller / Simone Müller-Pohl, Historisches Seminar, Albert-Ludwigs Universität Freiburg
Veranstaltungsort
Albert-Ludwigs Universität Freiburg
Ort
Freiburg im Breisgau
Land
Deutschland
Vom - Bis
30.07.2015 -
Website
Von
Simone Müller-Pohl, Universität Freiburg

Im Juni 2013 präsentierte US-Präsident Obama in einer Rede an der Georgetown University in Washington, DC, seine neue Strategie im Kampf gegen den Klimawandel. Angesichts hoher Arbeitslosenzahlen und einer nicht enden wollenden Wirtschaftskrise forderte das spannungsgeladene Verhältnis zwischen Klimaschutz und Wirtschaftswachstum dabei besondere Aufmerksamkeit. In knappen Worten kontextualisierte Obama diese scheinbare Problematik: „The old rules may say we can’t protect our environment and promote economic growth at the same time, but in America, we’ve always used new technologies – we’ve used science; we’ve used research and development and discovery to make the old rules obsolete.“ Dahinter verbarg sich ein klares Deutungsangebot der Beziehung zwischen Ökologie und Ökonomie: „It’s not an either/or; it’s a both/and.“

Barack Obama reihte sich mit dieser Positionierung ein in eine gleichermaßen aktuelle wie historische Debatte: die Frage nach dem Kern der Beziehung zweier wesentlicher Leitplanken moderner Industriegesellschaften – Ökologie und Ökonomie. Ökologische Modernisierung, Nachhaltige Entwicklung, Suffizienz und Wise Use, Green Capitalism und Free-Market Environmentalism sind dabei nur jüngere Beispiele der zahlreichen Schlagworte, mit denen das Verhältnis zwischen Umweltschutz und Wirtschaftswachstum von Wissenschaftlern, Politikern, Lobbyisten, Unternehmern und Aktivisten spätestens seit den 1970er Jahren diskutiert wird. Die Fragen nach dem richtigen Umgang mit endlichen Ressourcen, dem Eigenwert von Natur und der Gestaltung unseres Lebensraums sind jedoch deutlich älter und wurden lange vor der Zeit „nach dem Boom“ diskutiert – häufig mit unterschiedlichen Ergebnissen.

In den vergangenen Jahren widmeten sich Historiker vermehrt dem Verhältnis von Wirtschaft und Umwelt. Besonders interessiert waren sie dabei daran, beide Seiten stärker als bisher als sich gegenseitig beeinflussende Größen zu betrachten, die nicht unabhängig voneinander gedacht werden können. Die „natürliche Umwelt“ hat demnach drei Grundfunktionen für „die Wirtschaft“: Sie liefert Ressourcen, sie nimmt die Emissionen wirtschaftlicher Aktivitäten auf und sie dient der Erhaltung menschlichen Lebens im physischen wie psychischen Sinne. Diese drei Funktionen standen schon immer in einem konfrontativen Verhältnis zueinander. Die Industrialisierung samt der mit ihr verbundenen ökonomischen, politischen, kulturellen und sozialen Veränderungen führten jedoch zu einer Indienstnahme und Veränderung der „natürlichen Umwelt“ in einem bis dahin nicht bekannten qualitativen wie quantitativen Ausmaß. Die scheinbar schlichte Frage, wie viel Schutz von „Natur“ sein muss und wie viel Zerstörung sein darf, ist daher immer wieder gestellt worden und die Debatte über das Verhältnis von Ökologie und Ökonomie nur eine ihrer jüngsten Ausprägungen.

Unser Workshop knüpft an die bisherigen Forschungen an. Sein Ziel ist es, zur Historisierung dieser Auseinandersetzungen beizutragen und dadurch die Verknüpfung von Umwelt- und Wirtschaftsgeschichte zu stärken. Wir sind an den Akteuren interessiert, die in den vergangenen 200 Jahren in industrialisierten und sich industrialisierenden Ländern „Gegensätze“ zwischen Umwelt und Wirtschaft artikulierten, an den Themen und „Dingen“, an denen sich diesbezügliche Debatten entzündeten, an den Argumenten, mit denen die Beteiligten die beobachteten Gegensätze verteidigten oder kritisierten, an den Formen und Orten, in deren Rahmen entsprechende Diskussionen geführt worden sowie an deren Folgen für Umwelt und Wirtschaft und Umwelt. Zu fragen ist dabei aber immer auch, inwiefern es darüber hinaus auch Stimmen gab, die im Verhältnis zwischen Ökologie und Ökonomie gar keinen Widerspruch erblickten.

Drei Fragenkomplexe sollen helfen, das Thema für den Workshop zu strukturieren und den historischen Ort der Debatte um das tatsächlich oder vermeintlich problematische Verhältnis zwischen Ökonomie und Ökologie in der Geschichte industrialisierter und sich industrialisierender Gesellschaften des 19. und 20. Jahrhunderts sichtbar zu machen und zu erklären:

1. Konjunkturen und Zäsuren.
Seit wann werden Debatten über ein problematisches Verhältnis von Umwelt und Wirtschaft geführt? Welche Kontinuitäten und Brüche lassen sich in der Entwicklung diesbezüglicher Auseinandersetzungen erkennen? Gibt es entscheidende Momente an denen sich der Gang der Debatten grundsätzlich veränderte?

2. Kausalitäten und Motive.
Welche Akteure trieben einschlägige Debatten voran und bestimmten Inhalte und Formen der Auseinandersetzungen? Wie bestimmten zivilgesellschaftliches Engagement, Öffentlichkeit, Experten und Unternehmer die Debatten? Inwiefern beeinflussten sich wandelnde Konzepte von Sinn und Ziel wirtschaftlichen Handelns, ökonomische Konjunkturverläufe, unterschiedliche Wirtschaftssysteme oder politische Mehrheiten die Debatten?

3. Der Faktor „Natur“.
Die Frage nach der Akteursqualität von Natur ist schon oft gestellt worden; uns beschäftigt in diesem Zusammenhang vor allem die Frage, inwiefern „Natur“ oder besser: der Zustand der „natürlichen Umwelt“ ein bestimmender Faktor in diesen Debatten war.

Für unseren Workshop suchen wir Wissenschaftler, die dem Verhältnis zwischen Wirtschaft und Umwelt aus möglichst unterschiedlichen Perspektiven nachspüren. Uns ist es ein wichtiges Anliegen, Nachwuchs- und etablierte Wissenschaftler in produktive Diskussionen miteinander zu bringen und den Austausch zwischen ihnen sowie Herausbildung von Netzwerken zu fördern. Wir fordern deshalb explizit Nachwuchskräfte aus den Bereichen der Geschichtswissenschaft, der Politikwissenschaft, der Wirtschaftswissenschaften und der Umweltwissenschaften zur Bewerbung auf.

Die Konferenz ist international und interdisziplinär ausgerichtet. Konferenzsprachen sind deutsch und englisch.

Anhängig der Förderungszusage werden Unterkunftskosten übernommen, sowie eine Reisekostenpauschale gestellt.

Aussagekräftige Exposés von 500 – 750 Wörtern Länge sowie ein kurzer Lebenslauf sind bis zum 31. Oktober 2014 zu richten an:

oekoek@geschichte.uni-freiburg.de

Programm

Kontakt

Simone Müller-Pohl
Akademische Rätin für Nordamerikanische Geschichte
Albert-Ludwigs Universität Freiburg