Das Institut für Zeitgeschichte veranstaltet am 25. und 26. Juni 2015 einen Workshop zur Gesellschafts- und Kulturgeschichte von Männern und Männlichkeiten in Deutschland und Europa nach 1945. Im Zentrum steht die wechselseitige Beeinflussung von Geschlechter- und Gesellschaftsordnung am Beispiel von Männern, die „anders“ waren und deshalb unter Konformitätsdruck gerieten. Als Leitschnur für die gesellschaftlich akzeptierte „hegemoniale Männlichkeit“ (Raewyn Connell) galten bestimmte soziale, körperliche und performative Merkmale, insbesondere Heterosexualität, Leistungskraft und Gemeinschaftsorientierung. Doch nicht wenige Männer konnten oder wollten sich diesen Normen nicht anpassen, beispielsweise Alkoholiker, Straftäter, Kriegsversehrte, Homosexuelle, sogenannte „Landstrei-cher“ oder „Arbeitsscheue“. Ihre Erfahrungsgeschichte soll dazu genutzt werden, die oftmals apostrophierte „Krise der Männlichkeit“ in der Nachkriegszeit zu differenzieren, die These einer „Remaskulinisierung“ nach 1945 zu hinterfragen und nach verborgenen Antriebskräften und Hemmnissen der Individualisierung und Pluralisierung von Lebensentwürfen zu suchen.
Drei analytische Leitachsen werden den Workshop strukturieren:
1. Normen und Aushandlungsprozesse: Alle Ausformungen von Männlichkeit wurden an normativen Vorgaben gemessen, die männliche wie weibliche Rollenmodelle auf Staat und Gesellschaft bezogen. Greifbar wurde dies etwa in gesetzlichen Vorgaben, sozialstaatlichen Standards und administrativen Handlungsroutinen. Der Wandel solcher Normen soll ebenso untersucht werden wie ihre Akzeptanz und Reichweite. Außerdem ist die Rolle der „Männer mit Makel“ in entsprechenden Aushandlungsprozessen auszuloten.
2. Lebenswelten und Erfahrungen: Der Workshop setzt sich zum Ziel, die sozialen Lebenswelten von „Männern mit Makel“ in verschiedenen Erfahrungsräumen zu rekonstruieren. Die Rückwirkungen von Diskriminierung auf Selbstwahrnehmung und darstellung der Männer sollen ebenso eruiert werden wie deren Reaktionen auf Integrationsangebote.
3. Performanz und Praxis: Männlichkeiten, Identitätskonstruktionen und gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen entstehen ganz wesentlich durch symbolisches Handeln im Alltag. Daher fragt der Workshop auch nach Selbstinszenierungen von Männlichkeit in den 1950er und 1960er Jahren und spezifisch nach Selbstorganisation und Kommunikationsstrategien von „Männern mit Makel“ im Rahmen von Verbänden o. ä.
Erwünscht sind Vorschläge, die von den Lebenswelten der „Männer mit Makel“ ausgehen, die Prägekraft von Traditionen und neuer politischer Eingriffe zeigen, das gesellschaftliche Umfeld mit seinen Restriktionen und Toleranzräumen in den Blick nehmen, und vor allem soziale Aushandlungsprozesse und den Eigen-Sinn der Männer selbst untersuchen. Will-kommen sind auch Beiträge, welche am Gegenstand die Frage der Interdependenz männlicher und weiblicher Rollenmuster aufgreifen. Der Workshop stellt die Zeit von 1945 bis in die späten 1960er Jahre ins Zentrum und beleuchtet insbesondere die Bundesrepublik, fragt aber auch nach vergleichbaren Entwicklungen in der DDR und nach dem transnationalen Wandel von Geschlechterordnungen in west- und osteuropäischen Zusammenhängen.
Wir bitten um Zusendung von Abstracts (max. 500 Wörter) und eines kurzen Lebenslaufs per Mail bis zum 15. Januar 2015 an:
Dr. Bernhard Gotto, Institut für Zeitgeschichte, Leonrodstr. 46b, 80636 München; E-Mail: gotto@ifz-muenchen.de