Autorität und Krise. Der Verlust der Eindeutigkeit und seine Folgen am Beispiel der mittelalterlichen Gegenpäpste

Autorität und Krise. Der Verlust der Eindeutigkeit und seine Folgen am Beispiel der mittelalterlichen Gegenpäpste

Veranstalter
Prof. Dr. Harald Müller, München
Veranstaltungsort
Historisches Kolleg, Kaulbachstraße 15, 80539 München
Ort
München
Land
Deutschland
Vom - Bis
19.03.2015 - 21.03.2015
Deadline
09.03.2015
Von
Dr. Karl-Ulrich Gelberg

Die Konkurrenz mehrerer Personen, die für sich reklamierten, Papst zu sein, reichte über den persönlichen Konflikt der Prätendenten weit hinaus. Sie führte – je länger sie andauerte, desto tiefer greifend – zur Ausbildung paralleler Säulen in der kirchlichen Hierarchie und Administration. Mit der Multiplikation an der Spitze ging der Verlust der strukturellen Eindeutigkeit einher; zugleich versagten zumeist die Mechanismen und Kriterien, die diese Eindeutigkeit traditionell garantiert hatten. In der Kirche und für die Kirche war der Verlust der Eindeutigkeit ein schwerwiegendes Problem. Es überschritt die Grenzen bloßer Herrschaftspragmatik und historisch über Jahrhunderte hinweg eingewurzelter Lenkungstraditionen. Die Kirche war zur Einheit (unitas) im Glauben verpflichtet. Dieses zunächst dogmatisch zu verstehende Postulat wurde in seiner langfristigen Umsetzung in erheblichem Maße durch eine klar zugeschnittene, einheitliche Organisation gewährleistet, die vor allem seit dem Hochmittelalter immer nachdrücklicher von Rom geführt wurde. Päpste wie Gregor VII. und Bonifaz VIII. erhoben die Übereinstimmung mit dem römischen Bischof zur Notwendigkeit des rechten Glaubens und der individuellen Heilserwartung. Aus dem Gedanken der umfassenden Einheit der Kirche unter päpstlicher Führung erhielten bildsprachliche Begriffe wie ‚Schisma‘, ‚Devianz‘ und ‚Häresie‘ ihren normverletzenden Sinn.

Das Münchner Kolloquium stellt die Problematik der von der Spitze aus gespaltenen bzw. vervielfältigten und damit uneindeutigen kirchlichen Strukturen in den Mittelpunkt seines Interesses. Es fragt – teils in grundsätzlicher Perspektive, teils mit exemplarischem Blick – nach Wahrnehmungen von Einheit und Eindeutigkeit sowie nach Handlungsmustern, die den Umgang mit Mehrdeutigkeit erkennen lassen. Die Veranstaltung konzentriert sich dabei auf die Zeit von der sogenannten papstgeschichtlichen Wende im 11. Jahrhundert bis zum Ausgang des Mittelalters, in der das Papsttum universale Autorität im gesamten lateinischen Europa entfaltete.

Eine Teilnahme ist nur nach bestätigter Anmeldung möglich!

Programm

Donnerstag, 19. März 2015

Einführung: Autorität und Krise. Zum Verlust der Eindeutigkeit und seine Folgen am Beispiel der mittelalterlichen Gegenpäpste (Harald MÜLLER, Aachen/München)

Verdoppelte Monarchie
Einer sei Herr. Monarchie als Herrschaftsform – Annäherungen aus (alt)historischer Perspektive (Stefan REBENICH, Bern)
Aus zwei mach eins. Der Pisaner Lösungsversuch des Großen Abendländischen Schismas 1408/1409: Schismatologie und Konzilsform (Florian EßER, Aachen)
Das Papstschisma: eine Häresie? – Kirchenrechtshistorische Erwägungen (Stefan SCHIMA, Wien)

Freitag, 20. März 2015

Autoritätsbehauptung
Christus, Papst und Kirche in Ekklesiologien des 12. Jahrhunderts (Bernward SCHMIDT, Aachen)
Der gute Papst. Eignung und notwendige Fähigkeiten im Spiegel der hochmittelalterlichen Papstviten (Jochen JOHRENDT, Wuppertal)
Urkunden der Gegenpäpste: Imitation, Improvisation, Innovation? (Benjamin SCHÖNFELD, München)
Der Papst als Bild? Imago und auctoritas (Andreas MATENA, Augsburg)
Memoriale Eindeutigkeitsbehauptung versus uneindeutige Realität: Heraldisch-ikonographische Legitimierungssigna verstorbener Gegenpäpste (Brigitte HOTZ, Augsburg)
Handschriften in der Bibliothek Benedikts XIII.: Exempel antihäretischer Profilierung einer konservierten Einheitsfiktion (Britta MÜLLER-SCHAUENBURG, Frankfurt am Main)

Autoritätszuerkennung
Die Wiederherstellung der Eindeutigkeit: Zur Vereinigung der gespaltenen religiösen Orden während des Konzils von Pisa. Ein Vergleich zwischen Karmeliten- und Kartäuserorden (Coralie ZERMATTEN, Dresden)
„… auctoritate Bartholomei antipape decanatum possidere pretendat“. Chancen und Risiken inner-kirchlicher Spaltungen aus der Perspektive regionaler Akteure (Robert GRAMSCH, Jena)

Samstag, 21. März 2015

Bereinigte Geschichte? Unliebsame Päpste in der Historiographie des 15. Jahrhunderts (Jörg BÖLLING, Münster/Wuppertal)
„... dass diese widerige Wahl großen Unfug und schädliche Zwietracht gebären wurde“. Die protes-tantische Historiographie und die Gegenpäpste (Martina HARTMANN, München)
Motoren des Dissenses oder Agenten der Einheit? Die Kardinäle in Schismazeiten (Jürgen DENDORFER, Freiburg)
Kommentare und Schlussdiskussion: Klaus HERBERS (Erlangen-Nürnberg), Werner MALECZEK (Wien)

Kontakt

Dr. Elisabeth Hüls

Historisches Kolleg, Kaulbachstraße 15,
80539 München
089-28663868 (vormittags)
089-28663863
elisabeth.huels@historischeskolleg.de

http://www.historischeskolleg.de
Redaktion
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Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
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