Materialität oder Materialisierungen wird in den letzten Jahren eine Aufmerksamkeit geschenkt, die weit über jene Felder und Disziplinen hinausreicht, in welchen Dingen traditionell Beachtung finden (zB. Konsum- und Technikgeschichte, Archäologie, Kunstgeschichte, Ethnologie). Statt Dinge als bloße Objekte zu betrachten, wird gefragt, welche agency sie in sich tragen. Verstärkt in den Blick geraten die materiellen Eigenschaften der Dinge, welche bestimmte Handlungen ermöglichen und andere ausschließen. Dinge werden somit nicht mehr als bloße Materialisierung der sozialen Welt betrachtet, sondern es wird ihnen auch eine Rolle in der Hervorbringung der sozialen Welt zugeschrieben.
Unter dem Label ‚material turn‘ versammeln sich verschiedene Perspektiven und Konzepte. Gemeinsam ist ihnen die Vorannahme, und hier liegt auch unser Interesse, dass der Zugang zu und die Verfügung über Dinge bestimmte Praktiken erst ermöglicht. Der Fokus auf Materialisierung und Materialität eröffnet zugleich die Möglichkeit, alte Dichotomien wie Subjekt-Objekt, Diskurs-Praxis oder Natur-Kultur zu hinterfragen. Auch hier sehen wir einen wichtigen Ansatzpunkt für die Geschlechtergeschichte, der gerade in der englischsprachigen Forschung konzeptionell und theoretisch bearbeitet wird (z.B. Rosi Braidotti, Karen Barad).
Auf unserer 21. Tagung des Arbeitskreises für Geschlechtergeschichte möchten wir Projekte diskutieren, welche die Perspektiven des material turns mit der Kategorie Geschlecht verbinden. Das damit aufgemachte Feld ist weit: Es reicht von Forschungen zum Geschlecht von Dingen, über geschlechtsspezifischen Aneignung und Nutzung von Dingen bis hin zur Materialisierung der Geschlechterordnung - von Körpern bis zur Architektur. Willkommen sind zugleich Forschungen, welche nach Experimentierräumen fragen, in denen neue oder neu-bewertete Dinge, hergebrachte (Geschlechter)Strukturen aufzubrechen vermögen („Queerness of things“).
Die Tagungen des Arbeitskreises sollen methodologisch-theoretische Debatten im Bereich der Geschlechterforschung weiterführen, intensivieren und initiieren. In einem interdisziplinären Kontext kann dies nur gelingen, wenn die einzelnen Beiträge maßgeblich den Fokus auf die verwendeten Methoden bzw. den theoretischen Hintergrund ihres jeweiligen Forschungsansatzes legen.
Vortragsvorschläge richten Sie bitte per E-Mail bis zum 15. Mai 2015 an
ao. Univ.-Prof. Dr. Andrea Griesebner, Universität Wien
andrea.griesebner[ät]univie.ac.at
und
Prof. Dr. Antje Flüchter, Universität Bielfeld
antje.fluechter[ät]uni-bielefeld.de
PS: Wir weisen darauf hin, dass für ReferentInnen i.d. Regel keine Reise- und Tagungsgebühren übernommen werden können.